Die Reserve wird im Heer vielseitig ausgebildet
Die Reserve wird im Heer vielseitig ausgebildet
- Datum:
- Ort:
- Hagenow
- Lesedauer:
- 5 MIN
Leben im Felde, Gefechtsstand, Häuserkampf und Bergetrupp – das alles haben Reservistinnen und Reservisten des Panzergrenadierbataillons 908 während einer Übung im Juni in Hagenow trainiert. Damit bereiten sich die Frauen und Männer auf eine große 14-tägige Übung im September vor und machen sich fit für die Landes- und Bündnisverteidigung.
Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne, Hagenow. Obwohl es Anfang Juni ist, wird es hier nachts noch empfindlich kalt, um fünf Grad Celsius. Der Morgen graut, es ist still. Doch unter einem Schleppdach herrscht bereits reges Treiben. Soldatinnen und Soldaten schälen sich aus ihren Schlafsäcken. Stiefel werden geschnürt, Riemen festgezurrt, Ausrüstung und Waffen aufgenommen. Die Männer und Frauen sind abmarschbereit. Es ist die 3. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 908, genauer ihr Alpha- und ihr Bravo-Zug. Für die beiden Züge geht es heute zur Ausbildung in den Wald.
Ein paar hundert Meter weiter steht in einer bewaldeten Senke ein einzelnes Haus. Hier ist die 1. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 908 untergezogen. Die Soldatinnen und Soldaten haben die Nacht dicht an dicht gedrängt auf Feldbetten in den spartanisch eingerichteten Zimmern verbracht. Hier befinden sich der Aufklärungs- und Verbindungszug, der Fernmeldezug und der Tech-Zug des Bataillons. Während manche noch ihre Waffen und Ausrüstung empfangen, marschieren andere schon zu ihren Ausbildungsstationen ab. Der Tag beginnt.
Breite Altersspanne
Insgesamt 115 Reservistinnen und Reservisten sind an diesem Wochenende zur Übung des Panzergrenadierbataillons 908 nach Hagenow gekommen. Manche sind heute zum ersten Mal hier. Die meisten kommen regelmäßig oder schon seit vielen Jahren. Die Motivationen sind unterschiedlich. Es sind unter anderem ehemalige Zeitsoldaten, die erst kürzlich aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind. Aber auch Grundwehrdienstleistende, die für Jahre nichts mehr mit der Bundeswehr zu tun hatten. Es gibt Kosovo- und Afghanistanveteranen. Manche sind gerade 20 Jahre alt, andere über 60.
Der Verband ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Das Bataillon steht für Engagement, militärische Werte und Loyalität. Auch an diesem Wochenende ist es das Ziel, den Ausbildungsstand der Reservistinnen und Reservisten zu festigen und auszubauen. In der Regel trainiert das Bataillon viermal im Jahr – an drei über das Jahr verteilten Ausbildungswochenenden, die in einer zweiwöchigen Übung gipfeln.
Gefechtsdienst im Wald
Das Panzergrenadierbataillon 908 bietet Interessierten die Dienstpostenausbildung Panzergrenadier an. Deshalb ist in der Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne ein Schützenpanzer Marder vorgefahren. Soldatinnen und Soldaten des Bravo-Zuges der 3. Kompanie umringen das Fahrzeug. Mancher von ihnen sieht heute zum ersten Mal einen Marder von innen.
Die Ausbilder bieten einen allerersten Einblick oder frischen vergessen geglaubte Kenntnisse auf. Den Reservistinnen und Reservisten werden die technischen Daten vermittelt, sie erfahren etwas über die Sicherheitsbestimmungen und die Kampfweise des Schützenpanzers im auf- und abgesessenen Kampf. Bevor es zum Leben im Felde – ein militärisches Zeltlager – in den Wald geht, erhält jeder eine Einweisungsfahrt auf dem Marder.
Währenddessen nähert sich der Alpha-Zug auf dem Übungsplatz bereits einer feindlichen Sicherung. Diese Soldatinnen und Soldaten kennen sich und ihren Zugführer schon lange. Unzählige Übungen haben sie gemeinsam absolviert. Sie sind ein eingespieltes Team, eine Kampfgemeinschaft. Mit äußerster Vorsicht gehen sie durch den Wald. Nur das Rauschen der Bäume ist zu hören. Hier und da bricht ein Ast unter einem Kampfstiefel. Plötzlich heißt es: „Halt!“ Auf Handzeichen gehen die Grenadiere in Stellung.
Banges Warten. Stille. Ein Knacken im Funkgerät. Eine leise, metallische Stimme. Dann schallt es durch den Wald: „Hammer! Hammer! Hammer!“ Ein Maschinengewehr zerreißt die Stille. G36-Sturmgewehre folgen. „Sichel! Sichel! Sichel!“ Soldaten preschen vor. Andere geben Feuerunterstützung, halten den Feind am Boden. Schließlich gelingt das Werfen der Sicherung. Übungsunterbrechung. Auswertung. Immer wieder pirschen sie durch den Wald, nähern sich dem Feind, treffen auf dessen Sicherung. Am Ende des Tages ist der Kompaniechef der 3. Kompanie des Bataillons mit der Leistung aller seiner Soldatinnen und Soldaten hochzufrieden.
Gefechtsstand soll zertifiziert werden
Auf einer Wiese innerhalb der Kaserne reckt sich eine Funkantenne gen Himmel. Die Reservistinnen und Reservisten stehen in einem Halbkreis um zwei Funkkabinen. Fernmelder des Panzergrenadierbataillons 401 erklären, wie ein Gefechtsstand aufgebaut wird. Bereits im September des letzten Jahres übte das Bataillon 908 erstmals mit eigener Operationszentrale. Im September soll nun die Einsatzbereitschaft des Gefechtsstands zertifiziert werden. Gerade deshalb lassen sich die bataillonseigenen Fernmelder keine Möglichkeit entgehen, so oft wie möglich mit dem zur Verfügung gestellten Material zu üben und die eigenen Abläufe immer weiter zu optimieren.
In der Nähe der Standortschießanlage flattert Trassierband an Eisenstangen. Der Grundriss eines kleinen Hauses ist so zu erkennen. Hier werden die Soldatinnen und Soldaten des Aufklärungs- und Verbindungszuges infanteristisch weitergebildet, ihnen die Grundlagen des Orts- und Häuserkampfes vermittelt. Ein ums andere Mal stellen sie sich an der ersten Tür des Übungsparcours auf. Ein ums andere Mal dringen sie durch diese ein. Ihre Kommandos „Türaufstellung rechts!“, „Links sicher!“ oder „Raum frei!“ schallen von den Wänden eines nahen Gebäudes zurück. Später wechseln sie in dieses Gebäude, die Szenerie wird realistischer. Auch hier werden die Abläufe im Laufe der Zeit sicherer und die Bewegungen flüssiger. Die Ausbilder sind zufrieden.
Bergen als komplexes Manöver
Im Technikbereich der Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne erhalten die Soldatinnen und Soldaten des Tech-Zuges derweil eine Einweisung in den Bergepanzer 2. Kameraden des Panzergrenadierbataillons 401 erläutern die Möglichkeiten des Fahrzeugs. Dann geht es ins Gelände.
Ein Schützenpanzer Marder hat sich in einer Senke festgefahren. Der Bergepanzer rückt aus, rauscht über den Panzertreck heran. Schäkel werden gelöst, Stahlseile eingespannt, die Winde arbeitet. Der Marder kommt frei. In dieser immer und immer wieder geübten, fiktiven Situation lernen die Reservistendienstleistenden, teilweise bis zu den Knien im Morast stehend, was für ein komplexes Manöver das Bergen eines Schadfahrzeugs ist. Das ausgegebene Ziel der 908er bleibt: In naher Zukunft soll eine eigene Bergebereitschaft gestellt werden. Der Anfang ist gemacht.
Die enorme Ausbildungsbandbreite des Panzergrenadierbataillons 908 sucht in der Reserve der Bundeswehr ihresgleichen. Dafür nehmen die Angehörigen des Verbands viel auf sich: stetige militärische Weiterbildung gepaart mit großem Zeitaufwand, parallel zu ihren zivilberuflichen Verpflichtungen.
Gerade in der jetzigen sicherheitspolitischen Lage wächst die Bedeutung der Reserve. Das wurde deutlich mit dem Besuch des stellvertretenden Kommandeurs der Panzergrenadierbrigade 41, Oberst Arno Schöberl. Er lobte die Reservistenarbeit des Panzergrenadierbataillons 908 innerhalb der Brigade als beispielgebend.