Heer
Wettbewerb der Spezialisten

Puzzeln - Rechnen - Schießen

Puzzeln - Rechnen - Schießen

Datum:
Ort:
USA
Lesedauer:
8 MIN

2023 hat die U.S. Army Sniper School in Fort Benning im USUnited States-Bundesstaat Georgia zum 23. Mal die International Sniper Competition auf die Beine gestellt. An dem renommierten Scharfschützenwettkampf nahmen 35 Mannschaften der USUnited States-Streitkräfte und verschiedener NATO-Partner teil. Für Deutschland ging ein Scharfschützentrupp des Gebirgsjägerbataillons 232 an den Start.

Im Vordergrund löst der Truppführer Matheaufgaben mit einem Rechner, im Hintergrund liegt sein Team.

Boys in the Lab: Der Truppführer löst Rechenaufgaben. Die Ergebnisse sind identisch mit Zahlen auf Ziele im Vorgelände. Scharfschütze und Beobachter müssen die Ziele jetzt identifizieren und bekämpfen.

Bundeswehr/Carl Schulze

Three, Two, One Go!” Der Arm des amerikanischen Scharfschützenausbilders fällt schnell nach unten. Mit dem Daumen seiner rechten Hand startet er die Stoppuhr. Ab jetzt hat das deutsche Scharfschützenteam vom Gebirgsjägerbataillon 232 aus Bischofswiesen für die Station Puzzle fünf Minuten Zeit. Willi, der Scharfschützentruppführer, sprintet zu einem Tisch. Darauf stehen fünf Munitionskisten. Jede enthält ein sechsteiliges Puzzle. Deren Teile sind rot, blau, gelb, orange oder schwarz. Auf ihnen befinden sich Fragmente von Buchstaben und Zahlen. Die Symbole stehen für Ziele, die sich in Entfernungen zwischen 300 und 1.000 Metern im Vorgelände befinden. Sofort beginnt der Hauptfeldwebel damit, die Teile des ersten Puzzles zusammenzufügen. Zeitgleich gehen Sven, der Scharfschütze seines Teams, und Leo, der Beobachter, hinter Stellwänden aus Holz in Stellung. Durch die Zielfernrohre des Scharfschützengewehrs G22A2 im Kaliber .300 Winchester Magnum und des Gewehrs G28 im Kaliber 7,62 mm x 51 suchen die Oberstabsgefreiten das Vorgelände nach Zielen ab.

Mittlerweile hat Willi das erste Puzzle gelöst. „Gelbe Drei, auf Schwarz!“, ruft er seinen Kameraden zu. Sie müssen das Ziel nun, jeder für sich in seinem Beobachtungsbereich, identifizieren und bekämpfen. Wenige Sekunden später fällt der erste Schuss. „Hit!“, melden die als Schiedsrichter eingesetzten amerikanischen Scharfschützenausbilder den Treffer. Der zweite Schuss geht daneben, ein lautes „Miss!“ ist zu vernehmen. Willi hat mittlerweile die nächsten Puzzles gelegt. „Schwarzes Alpha, auf Blau und Schwarzes Whiskey auf Orange!“ Nachdem Scharfschütze und Beobachter auch diese Ziele bekämpft haben, wechseln sie in den Liegendanschlag, um die weiter entfernten Ziele zu bekämpfen. Das vierte und fünfte Puzzle ist gelöst. „Schwarze Acht auf Rot und Schwarzes Tango auf Gelb!“, erklingt Willis Stimme. Wieder fallen Schüsse. „Tiiimmmeee!“, ruft einer der Ausbilder laut. Die Zeit ist abgelaufen und die Soldaten entladen ihre Waffen. In wenigen Minuten werden sie ihre Punktzahl erhalten.

35 Teams aus zehn Nationen

Zwei amerikanische Scharfschützen knien, mit ihren Waffen im Anschlag, hinter Stellwänden aus Holz.

Bei der U.S. Army International Sniper Competition kämpfen in Fort Benning 24 amerikanische Scharfschützenteams, elf von NATO-Partnern und Partnerstaaten der USA um den Titel Best Sniper Team

Bundeswehr/Carl Schulze

Bei der U.S. Army International Sniper Competition kämpfen in Fort Benning südwestlich von Columbus in den USA über Ostern insgesamt 35 Scharfschützenteams um den Titel Best Sniper Team. Zu den teilnehmenden Teams gehören 24 amerikanische, darunter eins von jeder Heeresdivision der USUnited States-Armee, wie zum Beispiel der 82nd Airborne Division „All American“, der 1st Infantry Division „The Big Red One“ oder der 10th Mountain Division sowie Teams der U.S. Army National Guard und des United States Marine Corps (U.S.M.C.). Ebenfalls am Start sind Teams von elf NATO-Partnern und Partnerstaaten der USA. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um Scharfschützentrupps aus Australien, Dänemark, Estland, Großbritannien (2), Irland (2), Kanada, den Niederlanden, Schweden und Deutschland. Jedes Team besteht aus einem Scharfschützentruppführer, einem Beobachter, Spotter genannt, und einem Scharfschützen, auch Sniper genannt. Das deutsche Scharfschützenteam wird vom Gebirgsjägerbataillon 232 gestellt, das in Bischofswiesen in Bayern beheimatet ist. Es geht als Team 10 ins Rennen.

Ausgerichtet wird der Scharfschützenwettkampf von der 1987 in Fort Benning gegründeten U.S. Army Sniper School, die für die Ausbildung sämtlicher Scharfschützen der USUnited States-Armee zuständig ist. Die Schule ist Teil der U.S. Army Infantry School, die zusammen mit der U.S. Army Armor School zum in Fort Benning beheimateten U.S. Army Maneuver Center of Excellence gehört. Fort Benning befindet sich südlich von Columbus im USUnited States-Bundesstaat Georgia an der Grenze zu Alabama. Das 182.464 Hektar große Gelände der Militärbasis umfasst unter anderem Kasernenanlagen, einen Flugplatz und eine Vielzahl von Schießbahnen, auf denen mit Handfeuerwaffen, aber auch mit Waffensystemen wie Kampfpanzern scharf geschossen werden kann. Insgesamt bietet das U.S. Army Maneuver Center of Excellence 68 verschiedene Ausbildungskurse an. Jährlich werden diese im Schnitt von 64.000 Soldatinnen und Soldaten besucht.

13 Stationen – Tag und Nacht

Ein deutscher Soldat fügt auf einem Tisch ein Puzzle aus gelben Teilen zusammen.

Der Truppführer des deutschen Scharfschützenteams muss Puzzle richtig legen, bevor der Scharfschütze und der Beobachter des Teams entsprechende Ziele in Entfernungen zwischen 300 und 1.000 Meter bekämpfen dürfen

Bundeswehr/Carl Schulze

Während des Scharfschützenwettkampfes müssen sich die Teams an insgesamt 13 Stationen beweisen, die verheißungsvolle Namen tragen wie zum Beispiel Boys in the Lab, Sniper 93, Puzzles, Know your Limits, Know your Offset, Two Gun oder The General. Vier der Stationen werden bei Nacht absolviert mit Nachtsichtgeräten als Hilfsmittel.
An der Station Boys in the Lab ist Mathematik gefragt. Von einer Stellung aus muss das Scharfschützenteam vier Ziele mit insgesamt acht Schuss bekämpfen. Allerdings muss der Truppführer vorher vier Mathematikaufgaben durch Addieren und Subtrahieren lösen. Zum Beispiel: 33 + 28 55 + 12 + 23 36. Die Ergebnisse der Rechenaufgaben geben die Zahl des jeweiligen Ziels an. Der Beobachter und der Scharfschütze müssen die Ziele nun im Vorgelände identifizieren, die Entfernung zu ihnen ermitteln und sie bekämpfen. Zeit: 5 Minuten.
Der Scharfschütze des Teams steht an der Station Know your Limits im Vordergrund. Er muss sein Leistungsvermögen selbst einschätzen. Geschossen wird auf eine Entfernung von 600 Yards (etwa 550 Meter) auf verschieden große farbige Quadrate. Der Scharfschütze muss von der 650-Yards-Linie (etwa 600 Meter), wo sich auch sein Team befindet, mit seiner Waffe zur 600-Yards-Linie laufen und das größte der fünf Quadrate mit einem Schuss bekämpfen. Danach muss er zurücklaufen und eine neue Patrone holen, um das zweite Ziel zu bekämpfen und so weiter, bis er alle fünf Ziele bekämpft hat. Schießt er daneben, darf kein weiteres Ziel bekämpft werden und die Hälfte der bereits erreichten Punkte wird abgezogen. Der Scharfschütze hat aber auch die Wahl, jederzeit selbst den Wettkampf zu beenden, hierzu muss er das „Buyout“-Quadrat bekämpfen. Trifft er, behält das Team die erreichte Punktzahl. Zeit für das Bekämpfen aller fünf Ziele: 5 Minuten.

Know your Offset, Two Gun, Sniper 93 und The General

Ein amerikanischer Soldat schießt mit seinem Gewehr auf Scheiben, eine Hülse fliegt durch die Luft.

Nacheinander muss ein Soldat des Scharfschützenteams an der Station Two Gun erst Ziele mit seinem Sturmgewehr und dann, nach einem schnellen Waffenwechsel Ziele mit der Pistole bekämpfen

Bundeswehr/Carl Schulze

Der Begriff Offset bezeichnet die Abweichung zwischen Visierlinie und Rohrseelenachse. Besonders auf kurze Entfernungen führt ein Ignorieren des Offsets zu Tiefschüssen. An der Station Know your Offset muss der Scharfschützentruppführer nach einer 180-Grad-Drehung eine Fünferringscheibe im Nächstbereich mit seinem Sturmgewehr mit einem Schuss bekämpfen. Und das alles in maximal vier Sekunden. Soviel Ringe, wie er erreicht, bekommen sein Scharfschütze und sein Beobachter an Patronen. Diese haben nun pro Patrone 60 Sekunden Zeit, Ziele in Entfernungen von 400 bis 800 Metern zu bekämpfen.
Bei Two Guns muss ein Mitglied des Scharfschützenteams so schnell wie möglich erst mit dem Sturmgewehr und dann, nach einem schnellen Waffenwechsel, mit der Pistole alle Papierscheiben und Stahlziele im Nahbereich bekämpfen. Insgesamt verfügt der Schütze über 34 Patronen. Neben der Trefferzahl fließt auch die Zeit in die Wertung ein. Die höchste Punktzahl erhält das Team mit den schnellsten Schützen. Aber Vorsicht: Für Fehlschüsse und nicht bekämpfte Stahlziele gibt es Strafsekunden.
Bei Sniper 93 handelt es sich um eine vierstündige Annäherungsübung, bei der die Scharfschützenteams einen Beobachtungsauftrag ausführen und Ziele identifizieren müssen. Während der Annäherung dürfen sie nicht von den Schiedsrichtern erkannt werden. Schwierigkeit hierbei: Der Gegner nutzt Drohnen und hochwertige optische Beobachtungsmittel sowie Wärmebildgeräte.
Das Schießen an der Station The General dient als großes Finale der USUnited States Army International Sniper Competition 2023. Zur Erfüllung der letzten Aufgabe haben die Scharfschützenteams nur eine Minute Zeit. In diesem Zeitraum müssen sie unter mehreren sich auf der Schießbahn unregelmäßig hin- und herbewegenden Roboterzielen den General identifizieren und bekämpfen. Wie der General aussieht, wurde den Teams am Vortag gezeigt. Auch wie viel Munition das Team für die Auftragserfüllung bekommt, hat sich am Vortag entschieden. Und zwar beim 3,5 Kilometer langen Marsch an der Station Group In. Für das Mitführen einer 13 Kilogramm schweren Munitionskiste gab es eine Patrone. Bis zu vier Kisten durften mitgenommen werden.

Die Szenarien der einzelnen Stationen der U.S. Army International Sniper Competition orientieren sich an den Aufträgen und Anforderungen, die an Scharfschützenteams im Rahmen von größeren Kampfeinsätzen gestellt werden“, erklärt der U.S. Army Sniper Course Branch Chief, Sergeant 1st Class Howell, der verantwortlich für die Durchführung des Wettkampfes ist. Und er fügt hinzu: „Der Wettkampf hilft uns dabei, potenzielle Kompetenzlücken beim Scharfschützencorps der U.S. Army zu identifizieren und deren Ausbildung so zu gestalten, dass unsere Scharfschützenteams im Gefecht erfolgreich bestehen können. Wir erhalten einen Überblick darüber, welche Nation über die am besten ausgebildeten Scharfschützen und Ausbildungsprogramme verfügt. Außerdem ist es förderlich für die Interoperabilität zwischen den USUnited States-Scharfschützen, den NATO-Partnern und Verbündeten. Die teilnehmenden Scharfschützen profitieren von der Wettkampfteilnahme allein schon durch den Erfahrungsaustausch mit ihren Kameraden anderer Nationen.“

And the Winner is ... 

Drei Soldaten der U.S. Army National Guard stehen nebeneinander. Sie halten jeweils zwei Trophäen.

And the Winner is: Das All Guard Team der USUnited States-Nationalgarde setzt sich gegen die Konkurrenz durch und kann sich stolz Best Sniper Team 2023 nennen.

Bundeswehr/Carl Schulze

13. April 2023, 9 Uhr, Fort Benning, National Infantry Museum: Nach drei harten Wettkampftagen mit wenig Schlaf und immer wieder geforderten Höchstleistungen steht der Sieger der diesjährigen USUnited States Army International Sniper Competition fest. Die Konkurrenz war stark. Mehrere Teams hatten sich monatelang auf den Wettkampf vorbereitet, dabei Tausende von Schuss abgegeben. Preise und die Best Sniper Team Trophäe warten auf der Bühne im Kinosaal des Museums auf ihre Empfänger. Den 3. Platz belegt das Scharfschützenteam der United States Army John F. Kennedy Special Warfare Center and School, der Schule für Spezialkräfte. Auf Platz 2 landet das Team der 19th Special Forces Group der Spezialkräfte der U.S. Army National Guard. Sieger ist das All Guard Team der U.S. Army National Guard. Neun der zehn Spitzenteams gehören den USUnited States-Streitkräften an. Das deutsche Team vom Gebirgsjägerbataillon 232 hat sich wacker geschlagen, landete vor weiteren europäischen Teams auf Platz 27. Das Deutsche Heer gratuliert den Gewinnern!

Scharfschützenwettkampf in den USA

  • Ein amerikanisches Scharfschützenteam aus drei Soldaten hat eine Stellung bezogen.

    Gemäß der USUnited States-Scharfschützendoktrin bestehen die Wettkampfteams bei der U.S. Army International Sniper Competition aus drei Soldaten: Dem Truppführer, dem Scharfschützen, Sniper genannt und dem Beobachter, Spotter genannt.

    Bundeswehr/Carl Schulze
  • Der Scharfschütze des deutschen Teams kniet mit seinem G22A2 im Anschlag hinter einer Stellwand.

    Waffenmix: Das deutsche Team setzt bei der U.S. Army International Sniper Competition 2023 unter anderem das Scharfschützengewehr G22A2 im Kaliber .300 Winchester Magnum und das Gewehr G28 im Kaliber 7,62 mm x 51 ein

    Bundeswehr/Carl Schulze
  • Eine Hand mit Stoppuhr und zwei Soldaten mit einer Munitionskiste, die die Ziellinie passieren.

    Zu Beginn der Station Group In muss ein Rucksackmarsch absolviert werden: 3,5 Kilometer mit Waffe und Gepäck in maximal 30 Minuten. Zusätzlich müssen bis zu vier 13 Kilogramm schwere Munitionskisten mitgenommen werden.

    Bundeswehr/Carl Schulze
  • Der deutsche Truppführer schießt mit dem amerikanischen M4A1, eine Hülse fliegt durch die Luft.

    Group In: Nach dem Gepäckmarsch steht ein Schießen mit dem Karabiner M4A1 der U.S. Army an. Auftrag: mit je fünf Patronen Schussbilder mit einem Durchmesser von maximal vier Zentimeter schießen.

    Bundeswehr/Carl Schulze
  • Ein Mann markiert auf einer Scheibe die Schusslöcher mit einem roten Filzstift.

    Group In: Nur für Schussbilder mit einem Streukreis von unter vier Zentimeter Durchmesser erhalten die Wettkampfteilnehmer Punkte

    Bundeswehr/Carl Schulze
  • Mit seinem G36 steht ein deutscher Soldat vor einer Scheibe, der er den Rücken zuwendet.

    Know your Offset: Der Scharfschützentruppführer muss sich schnell umdrehen und einen Schuss auf eine Fünferringscheibe im Nächstbereich abgeben. Die Zahl der erreichten Ringe entspricht dann der Zahl der Patronen, die sein Team bekommt.

    Bundeswehr/Carl Schulze
  • Ein dänischer Beobachter schaut durch eine Beobachtungsoptik, vor ihm liegt ein Scharfschütze.

    Internationale Konkurrenz: Neben 24 USUnited States-Teams nehmen Teams aus Australien, Dänemark, Estland, Großbritannien (2), Irland (2), Kanada, den Niederlanden, Schweden und Deutschland an dem Wettbewerb teil

    Bundeswehr/Carl Schulze
  • Ein deutscher Soldat schießt mit einem Gewehr G28, die Waffe ruht auf einer Fensterbank.

    Mystery Box: Mit einem Gewehr G28 bekämpft der Scharfschütze des deutschen Teams bewegliche farbige Roboterziele

    Bundeswehr/Carl Schulze
  • Ein amerikanischer Soldat schießt mit einer Pistole auf runde Stahlziele.

    Scharfschütze und Spotter bekämpfen bewegliche farbige Roboterziele in mehreren Hundert Meter Entfernung. Wird ein Ziel getroffen, muss der Truppführer mit der Pistole zehn Stahlziele der gleichen Farbe bekämpfen.

    Bundeswehr/Carl Schulze
  • Auf einem Holzsockel steht eine Scharfschützenbronzefigur, darüber ist ein Gewehr angebracht.

    Heiß begehrt, die Best Army Sniper Trophäe. Auf ihr finden sich die Namen der Angehörigen der Siegermannschaften aller 23, bis heute durchgeführten Wettkämpfe.

    Bundeswehr/Carl Schulze
von Carl Schulze