„Kann es gerechten Frieden geben?“
„Kann es gerechten Frieden geben?“
- Datum:
- Ort:
- Oldenburg
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Für gewöhnlich ist Major Konstantin Paar der militärische Führer. Er ist Kompaniechef der 2. Kompanie des Aufklärungslehrbataillons 3 in Lüneburg. Doch in dieser Woche tauscht er sein Büro mit dem Konferenzgebäude der Henning-von-Tresckow-Kaserne in Oldenburg. Als einer von 23 Kompaniechefs nimmt er an der Offizierweiterbildung der 1. Panzerdivision teil.
„Kann es gerechten Frieden geben?“, lautet die Frage, mit der sich die Chefs bei der diesjährigen Offizierweiterbildung in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (zebisZentrum für ethische Bildung in den Streitkräften) eine Woche lang intensiv auseinandersetzen. „Ich hoffe, dass wir bei dieser Veranstaltung ethische Fragestellungen in den Streitkräften aus verschiedenen Blickwinkeln erörtern, um einer gewissen Betriebsblindheit entgegenzuwirken“, erzählt Major Paar. „Diese Blindheit eignet man sich nämlich manchmal ungewollter Weise an“, ergänzt er schmunzelnd.
In keinem anderen Berufsfeld werden Menschen im Alltag so intensiv und so direkt mit friedensethischen Fragen konfrontiert wie Soldatinnen und Soldaten. Ihr Handeln, ihre Entscheidung hat direkte Auswirkung auf Krieg und Frieden, Leben und Tod, Recht und Unrecht. Besonders Führungskräfte, wie Paar, treffen Entscheidungen mit außerordentlichen Auswirkungen, nicht nur im Auslandseinsatz. Ein ausgeprägter moralischer Kompass und die Fähigkeit, Entscheidungen auf der Basis von Wissen zu treffen, wird stets von ihnen verlangt und unterstützt sie bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe. Hierfür schöpfen die Entscheidungsträger bei der Bundeswehr ihre Kompetenz aus vielerlei, oft alltäglichen Quellen. Eine davon ist die Teilnahme an einer Offizierweiterbildung.
Friedensethik mal anders
Zusammen mit Expertinnen und Experten aus Politik, Theologie und Erziehungswissenschaften versuchen die Teilnehmer das Thema der Friedensethik aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Dabei sind die Vorträge der Dozierenden alles andere als konventionell. So dürfen die Kompaniechefs unter Anleitung von Dr. Heinrich Dickerhoff im wahrsten Sinne des Wortes “das Schwert in die Hand nehmen“. Was auf den ersten Blick nach einem Schwertkampf aussieht, ist eigentlich eine besondere Art der Vortragstechnik. Mit den Schwertern in den Händen der Kompaniechefs schlägt er Brücken zur Friedensethik und Herausforderungen im Dienstalltag einer Führungsposition. „Genau wie beim Schwertkampf ist Angriff auch im Beruf manchmal die beste Verteidigung. Wenn Sie den Angriff abwehren und sich in eine andere Position bringen, verschafft es Ihnen einen Vorteil“, erklärt der Theologe und Historiker. „Und nicht nur das. Manchmal hilft es auch, ein Problem von anderen Positionen zu betrachten, um es lösen zu können“, ergänzt Dickerhoff weiter.
Nicht nur geistig fordernd
Dass die Offizierweiterbildung nicht nur geistig, sondern auch körperlich fordernd ist, wird den Kompaniechefs spätestens bei der Militärpatrouille deutlich. Hierbei müssen sich die Teilnehmer, eingeteilt in vier Teams, etwa bei einem dynamischen Schießen beweisen, zerlegte Waffen schnellstmöglich wieder zusammensetzen und sich nach einem Lufttransport mit dem Mehrzweckhubschrauber NHNATO-Helicopter-90 insgesamt 700 Meter durch den Wasserlauf der Hunte, einem westlichen Nebenfluss der Weser, kämpfen. Eins wird deutlich: Bei dem Wettbewerb ist durchgängig Teamarbeit gefragt. Das Team um Paar erreicht den dritten Platz. „Ich habe mich besonders gefreut, dass der Divisionskommandeur in meinem Team war. Wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, so einen Parcours mit seinem Divisionskommandeur zu durchlaufen?“, berichtet der Offizier.
Eine Frage des Glaubens
Bei der Frage nach richtig und falsch spielt auch Spiritualität eine starke Rolle. So geht es bei der Offizierweiterbildung insbesondere auch darum, die Frage nach einem gerechten Frieden aus dem Blickwinkel verschiedener Glaubensrichtungen zu betrachten. So steht jeden Tag ein anderer religiöser Tageseinstieg auf dem Plan. Die Offiziere erleben jüdische, muslimische und christliche Gebete und erweitern ihren spirituellen Horizont. Ein besonderer Gast ist Zsolt Balla. Er ist der erste Militärrabbiner der Bundeswehr. Zusammen mit Prof. Dr. Doron Kiesel, Direktor des Zentralrats der Juden in Deutschland, referiert Balla über den Friedensbegriff in der Tora. „Zugegeben, vielleicht ist die Vorstellung von ganzheitlichem Frieden auf der Welt utopisch. Aber ich bin der festen Meinung: Ohne Utopie können wir nicht leben.„ Der jüdische Militärseelsorger gewährt den Kompaniechefs umgekehrt auch einen Einblick in seinen Dienstalltag. „Ich finde es besonders interessant zu sehen, mit welchen speziellen Problemen sich unsere jüdischen Kameraden im Dienst auseinandersetzen. Das hilft mir ganz besonders dabei, ein entsprechendes Verständnis zu entwickeln“, erzählt Paar nach dem Vortrag.
Entscheidungen treffen mit Wissen
Eine intensive und facettenreiche Woche liegt hinter den Kompaniechefs. „Kann es gerechten Frieden geben?“ – eine schwierige Frage, die sich pauschal nicht so einfach beantworten lässt. „Wenn Sie in einer späteren Verwendung zu einem Thema gefragt werden, dann müssen Sie Entscheidungen treffen. Und ich möchte, dass Sie Entscheidungen treffen, die auf vielfältigem Wissen basieren“, resümiert Divisionskommandeur Generalmajor Jürgen-Joachim von Sandrart und ergänzt: „Wir sind Soldaten. Wenn wir nicht an Frieden glauben, wer denn dann?“
Offizierweiterbildung mal anders
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