Übung für den Notfall: Fallschirmjäger springen über dem Bodensee ab
Übung für den Notfall: Fallschirmjäger springen über dem Bodensee ab
- Datum:
- Ort:
- Baden-Württemberg
- Lesedauer:
- 6 MIN
Der Airbus A400M hat seine Geschwindigkeit auf etwa 250 Kilometer pro Stunde verringert und gleitet in einer Höhe von 420 Metern über dem Bodensee. Fallschirmjäger proben den Notfall: eine Fallschirmlandung im Wasser. Schaulustige beobachten das Treiben. Der Duft von Zuckerwatte lässt erahnen, dass die Situation vielleicht doch nicht so ernst ist.
600 Soldaten des Fallschirmjägerregiments 26 aus Zweibrücken und Merzig üben eine Woche lang das Notverfahren Wasserlandung. „Das Training dient uns als Übung und zur Steigerung der Handlungssicherheit, um auf unvorhersehbare Situationen bei möglichen Einsätzen vorbereitet zu sein“, beschreibt Oberstleutnant Oliver Henkel, Kommandeur des Fallschirmjägerregiments 26.
„Die Soldaten des Fallschirmjägerregiments simulieren bei dieser Übung das Notverfahren Wasserlandung und mehr noch: Seit Jahren ist das einer der Höhepunkte während des Langenargener Uferfestes. Es ist inzwischen Brauch und bestärkt die Patenschaft der Soldaten mit der Gemeinde Langenargen am Bodensee.“ Rund 40 Fahrzeuge, zwölf Sturmboote sowie Soldaten aus vier Nationen sind an dem Training beteiligt.
Volksfest mit professionellem Background
Während die Besucherinnen und Besucher des Uferfestes die im Bodensee gelandeten Soldaten mit Beifall wieder an Land begrüßen und ihnen in lockerer Runde viele Fragen stellen, herrscht auf dem Airport Friedrichshafen ruhige, aber professionelle Anspannung. Der Airbus A400M steht mit geöffneter Heckklappe auf der Rollbahn, die Motoren brummen gewaltig und gleichmäßig vor sich hin. „Die Maschine ist auf den Sprungdienst vorbereitet“, erklärt ein Besatzungsmitglied.
Vier starke Stahlseile, die Ankerseile, ziehen sich auf der kompletten Länge durch den Rumpf der Maschine. In diese hängen sich die Fallschirmspringer mit ihren automatisch öffnenden Fallschirmen ein und setzen sich dann in vier Reihen auf klappbare Sitze. Erst kurz vor dem Absetzen stehen die Fallschirmjäger in dem Flugzeug auf. Zum Sprung nutzen sie wechselseitig die beiden seitlichen Türen am Heck des Flugzeuges.
Die Box – Konzentration pur
In der sogenannten Box bereiten sich die Springer und Absetzer auf das vor, was sie in rund 15 Kilometer Entfernung über dem Bodensee erwartet – das Notverfahren Wasserlandung. Neben diesem Verfahren sind die Fallschirmjäger in weiteren Notverfahren, etwa Landungen in hohen Bäumen oder Stromleitungen und Masten, ausgebildet.
„Hier in der Box herrscht Ordnung, Konzentration und jeder weiß genau, was er zu tun hat“, beschreibt einer der Absetzer. Die Box ist ein festgelegtes Areal, in dem sich die Fallschirmspringer auf ihren Sprung vorbereiten. Die Fallschirme mit Reserveschirmen werden ausgegeben. Die Soldaten legen die Ausrüstung in Zweierteams an. Idealerweise sind die Sprungreihen genauso angeordnet wie später im Flugzeug.
Oberfeldwebel Maik B. ist einer der Absetzer: „Einer der Grundlagen für unsere Arbeit sind zunächst die Sprunglisten. Wir wissen genau, wer an welcher Stelle später aus dem Airbus springt. Dann ist es wichtig, dass die Springer ihre Ausrüstung fehlerfrei anlegen und wir die Tätigkeiten vor, während und bei der Landung nochmals durchgehen“, beschreibt er seine Aufgabe. Die Absetzer begleiten und unterstützen die Soldaten, die später aus dem Flugzeug springen – also abgesetzt werden. Vom Anlegen der Ausrüstung bis zum Sprung aus der Maschine sind die Absetzer immer mit dabei.
09:15 Uhr ist die Zeit, auf die alle an diesem Tag hinarbeiten. Es ist der erste Start des Airbus A400M. In Langenargen am Uferfest erwarten die Zuschauer aus der Patengemeinde schon „ihre Soldaten“. In der Box laufen derweil die Vorbereitungen für eine Ausbildung, die keine Fehler verzeiht. Alles muss vollständig und intakt sein: Gefechtshelm, Rettungsweste, der automatische Hauptschirm Rundkappe T-10 auf dem Rücken und dazu der Reserveschirm T-10R am Bauch.
So starten die Fallschirmjäger in ihre Mission am Bodensee. Hopp-Tausend, Zwotausend, Dreitausend, Viertausend, überprüfe Kappe, halte Umschau! Das ist das ABCAtomar, Biologisch, Chemisch der Fallschirmjäger und versinnbildlicht die Abläufe direkt nach dem Sprung aus dem Flugzeug. Mit komplett angelegter Ausrüstung gehen die Soldaten genau diese, fest automatisierten Vorgänge immer wieder durch. Dann hebt der Airbus in Richtung Bodensee ab.
Im richtigen Moment lösen
Oben angekommen, tost der Wind. Nach dem Öffnen der Seitentür zerrt er an den Uniformen, unten das türkisfarbene Wasser des Bodensees. Der A400M hat die Drop-Zone erreicht. In diesem Gebiet sollen die Fallschirmjäger landen. Allen ist die große Anspannung anzumerken: den Springern, die bereits ihre Aufziehleine fest in die Ankerseile eingehackt haben und den Absetzern, die zwischen den geöffneten Türen und den Springern stehen. Der Lärm in der Maschine erlaubt nur noch Handzeichen.
Noch sechs Minuten, drei Minuten, eine Minute. Eine kleine grüne Lampe gibt dem Absetzer schließlich das Zeichen. „Das ist dann der Höhepunkt der Anspannung, aber auch Erlösung zugleich. Es geht los und es gibt kein Zurück mehr“, beschreibt der als Absetzer eingeteilte Oberfeldwebel. Mit einem kräftigen, unmissverständlichen Schlag auf die Schulter bekommt der erste Springer das Go. Mit dem Sprung aus der Maschine reißt die Geschwindigkeit und der freie Fall an der Leine des Fallschirms und öffnet automatisch den Hauptschirm. „Wir setzen mit jedem Anflug maximal zwölf Soldaten ab. Das dauert keine zehn Sekunden. Mit einem weiteren Überflug dann wieder zwölf, bis die Maschine nach sechs Anflügen leer ist.“
Was von unten sehr einfach aussieht, ist für die Soldaten der Kern der Ausbildung. Sie wissen: Ich befinde mich nicht wie üblich über festen Untergrund und werde mit meinem Fallschirm im Wasser landen. „Man muss sich blitzschnell orientieren und auf die Landung vorbereiten“, erklärt Stabsfeldwebel Andreas H. „Es ist wichtig, sich im richtigen Augenblick vom Fallschirm zu trennen. Denn kommt eine Böe auf, kann es dazukommen, dass der Schirm erfasst wird und einen unter Wasser zieht. Es kann aber auch passieren, dass bei Windstille der Schirm den Schwimmer bedeckt. Das kann gefährlich werden“, sagt der erfahrene Fallschirmjäger.
Er ist bereits mehr als 100 Mal gesprungen. Nach dem Absprung bleibt den Soldaten bei einer Sinkgeschwindigkeit vom maximal sechs Metern pro Sekunde nicht viel Zeit. „Wir haben die Abläufe tausendfach geübt. Bauchgurt öffnen, Reserveschirm zur Seite schieben, Brustgurt öffnen, beim Eintauchen in das Wasser beide Beingurte öffnen und mit dem Eintauchen aus dem gesamten Gurtzeug gleiten, das wäre perfekt“, so der Stabsfeldwebel.
Ein perfekter Tag
Deutsche und österreichische Pioniere unterstützen die Fallschirmjäger nach ihrer Landung. Mit ihren Sturmbooten bringen sie die Soldaten an Land und in die greifbare Nähe der Zuschauerinnen und Zuschauer. An der Uferpromenade von Langeargen und unter den neugierigen Blicken der Festbesucher bereiten die Springer ihre Ausrüstung nach und werden dabei ein Teil des Uferfestes. Soldaten der Luftlandebrigade 1 aus Saarlouis moderieren für die Zuschauer den Wassersprungdienst und beantworten zahlreiche Fragen rund um das Fallschirmjäger-Dasein.
Auch Langenargens Bürgermeister Ole Münder zeigte sich begeistert: „Ich freue mich, dass es diese Tradition in Langenargen beim Uferfest gibt. Die Gemeinde und die Kameradinnen und Kameraden der Bundeswehr haben seit vielen Jahren eine sehr enge und freundschaftliche Verbindung, die wir auch künftig gern mit gleicher Intensität pflegen werden.“ Für den Kommandeur des Regiments, Oberstleutnant Henkel, steht nach einer Woche Sprungdienst fest: „Wir haben, im engen Schulterschluss mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern, unser Ausbildungsziel sowie die Vertiefung der Patenschaft erreicht.“