Heer
Artikel einer Fachzeitschrift

Meilensteine des Heeres im Jahr 2021

Meilensteine des Heeres im Jahr 2021

Datum:
Ort:
Strausberg
Lesedauer:
9 MIN

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Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, zieht in einem Artikel für eine Fachzeitschrift sein Resümee aus den letzten Monaten und benennt die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie. Mais gibt einen Ausblick auf die Aufträge des Heeres in den kommenden Jahren und formuliert klar seine Ziele und Erwartungen für 2021. Der Aufsatz im Wortlaut:

Porträt eines Generals

Generalleutnant Alfons Mais ist der 21. Inspekteur des Heeres

Bundeswehr/Maximilian Schulz

Wie schon im vergangenen Jahr werden uns auch in diesem die Auswirkungen der Corona-Pandemie weiter begleiten. Das Heer bleibt betroffen vom Infektionsgeschehen, leistet Amtshilfe und gestaltet zugleich die einsatzvorbereitende Ausbildung unter fordernden Rahmenbedingungen. Bei all dem muss ein adäquater Gesundheitsschutz für alle Soldatinnen und Soldaten sichergestellt werden. Auch in diesem Jahr wird das Heer weiterhin das Gros der Kräfte in der Amtshilfe stellen und verlässlich liefern. Aber die selbstverständliche Unterstützung in einer Ausnahmesituation für unser Land darf nicht den Blick auf das Kerngeschäft des Heeres verstellen.

2021 wird für das Deutsche Heer ein Jahr mit wichtigen Weichenstellungen für seine Zukunft. Nach dem Übergang der Very High Readiness Joint Task Force Land (VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L)) 2023 von der Planungs- in die Umsetzungsphase müssen im Jahr 2021 bereits kurzfristig liegende Meilensteine erreicht werden, um die Panzergrenadierbrigade 37 auf ihre gut dreijährige Bereitstellungsphase ab 2022 bestmöglich vorzubereiten. Parallel gilt es, zur weiteren Umsetzung des Plans Heer den Schwung hin zu weiterreichenden Projektentwicklungen aufrechtzuerhalten bzw. – wo nötig – vermehrt Fahrt aufzunehmen: dies insbesondere bei der Schließung kritischer Fähigkeitslücken.

Vorbereitung auf VJTFVery High Readiness Joint Task Force die 2023

Ein Soldat schaut auf einen kleinen Bildschirm, der in einem Fahrzeug verbaut ist.

Die Digitalisierung landbasierter Operationen der Bundeswehr ist das Ziel. Das neue Battle Management System ermöglicht die Führungsfähigkeit des deutschen Anteils bei der Schnellen Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization, der VJTFVery High Readiness Joint Task Force, im Jahr 2023.

Bundeswehr/Marco Dorow

Ende Januar 2021 endet die gut dreijährige Bereitstellungsphase der multinationalen NATONorth Atlantic Treaty Organization Response Force Brigade 2018 bis 2020, weitläufig bekannt als VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L) 2019. Damit wird auch ein bedeutender Auftrag des Heeres für die NATONorth Atlantic Treaty Organization abgeschlossen. Zeitgleich wird der Staffelstab für den nächsten VJTFVery High Readiness Joint Task Force-Auftrag von der Panzerlehrbrigade 9 an die Panzergrenadierbrigade 37 weitergegeben. Das Jahr 2021 wird daher für die Brigade „Freistaat Sachsen“ von materiellem und personellem Aufwuchs und nationalen Übungen geprägt sein, an dessen Ende sich eine für das Heer entscheidende Wegmarke anschließt – die für November vorgesehene nationale Zertifizierung.

In der VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L) 2023 werden wir weitere Verbesserungen der Materialausstattung sehen. Durch die Ausstattung mit dem neuen Battle Management System verfügt die Brigade 37 zukünftig unter anderem über ein ebenenübergreifendes einheitliches Lagebild von der mobilen Plattform bis in die Gefechtsstände. Damit sind deutliche Fortschritte in der Führungsfähigkeit verbunden. Auch mit der Einplanung des Kampfpanzers Leopard 2 A7V machen wir einen Sprung im Bereich der Durchsetzungsfähigkeit. Zudem besteht unverändert die Absicht, die VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L) 2023 mit dem Schützenpanzer Puma im Konstruktionsstand VJTFVery High Readiness Joint Task Force auszustatten. Fortschritte bei der Abstellung von Mängeln und eine gestiegene Einsatzbereitschaft machen optimistisch, dass wir gemeinsam mit der Industrie die dafür notwendigen Voraussetzungen bis zum Frühjahr schaffen können.

Entgegen unserer ursprünglichen Absicht werden wir aber erneut nicht ganz ohne Materialverschiebungen auskommen. Dies wird jedoch mit Augenmaß erfolgen, zeitliche Priorisierungen berücksichtigen und sich zudem auf jene Bereiche beschränken, die zur Auftragserfüllung unverzichtbar sind. Damit wird der Umfang von Materialverschiebungen absehbar deutlich geringer ausfallen als noch bei der VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L) 2019.

Kritische Fähigkeiten

Eine kleine Drohne fliegt vor einem bewaffneten Soldaten.

Die Drohne MIKADOMikro-Aufklärungsdrohne im Ortsbereich unterstützt die Soldaten bei der Aufklärung

Bundeswehr/Johann Michael Scheller

Wir sind aber noch nicht am Ziel. Fest eingeplante Projekte, wie die qualifizierte Fliegerabwehr zur Abwehr unbemannter Luftfahrzeuge (Unmanned Aerial Vehicle, UAVUnmanned Aerial Vehicle) sowie das Projekt HUSAR (Hocheffizientes Unbemanntes System zur Aufklärung mittlerer Reichweite) zur Verbesserung der Aufklärungsfähigkeit, werden voraussichtlich nicht mehr zeitgerecht zu Beginn des VJTFVery High Readiness Joint Task Force-Auftrages zur Verfügung stehen.

Die unverändert ausstehende Abwehr der Bedrohung durch Klein- und Kleinstdrohnen ist dabei besonders kritisch. Bereits mit geringem Mitteleinsatz können durch potenzielle Gegner hochwertige Ziele – zum Beispiel eigene Waffensysteme, Logistik oder Gefechtsstände – unbemerkt und ungehindert aufgeklärt und durch hochpräzise Bekämpfung mit weitreichenden Waffen nachhaltig ausgeschaltet werden. Der jüngste Konflikt in Bergkarabach hat dies erneut wie durch ein Brennglas anschaulich verdeutlicht. Wer den gegnerischen Sensor- und Wirkungsverbund, insbesondere im bodennahen Luftraum, nicht nachhaltig bekämpfen kann, verliert Menschenleben und Hochwertgerät. Diese Bedrohung wächst tendenziell auch in unseren mandatierten Auslandseinsätzen.

Es wird daher mit Blick auf die VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L) 2023, aber auch aufgrund der absehbaren Bedrohung im Internationalen Krisenmanagement, von entscheidender Bedeutung sein, das bereits vor Jahren eingeleitete Projekt der qualifizierten Fliegerabwehr mit größtmöglichem Nachdruck ins Ziel zu führen. Das Heer muss schnell und wirkungsvoll die Fähigkeitslücke zur Abwehr von UAVUnmanned Aerial Vehicle schließen. Dies gilt umso mehr, als das auch unsere NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner derzeit über keine entsprechende Befähigung verfügen, welche die Fähigkeitslücke in der VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L) 2023 kompensieren könnte. Es kommt also 2021 darauf an, mit allen an der Realisierung beteiligten Stellen der Industrie, des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung und des Heeres die bestehenden Hürden zu überwinden und eine schnelle Realisierung der qualifizierten Fliegerabwehr zu erreichen. Das Ergebnis, nicht der Prozess, muss für alle im Vordergrund stehen.

Von ähnlicher Bedeutung ist das Projekt HUSAR, das bislang ebenfalls durch diverse Projektverzögerungen gekennzeichnet war und risikobehaftet bleibt. Sollte das Projekt – oder eine entsprechende Alternative – nicht zeitnah realisiert werden können, bedeutet dies für das Heer den zukünftigen Verlust der unbemannten luftgestützten abbildenden Aufklärung – ein eklatanter Mangel im eigenen Sensor- und Wirkungsverbund. Für die VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L) 2023 kann die Fähigkeit eingeschränkt noch mit dem Kleinzielortungsgerät (KZOKleinfluggerät für Zielortung) der Artillerietruppe bereitgestellt werden. Das am Ende seiner Nutzungsphase stehende KZOKleinfluggerät für Zielortung ist für die Division 2027 allerdings keine Option mehr.

Planungsschwerpunkt Division 2027

Ein Schützenpanzer Puma steht in einer Stellung und feuert.

Für die geplanten Vorhaben der Landstreitkräfte in den nächsten Jahren sollen 266 Schützenpanzer Puma mit neuem Konstruktionsstand bis spätestens 2026 im einsatzfähigen Zustand an die Verbände gehen

Bundeswehr/Philipp Neumann

Der planerische Schwerpunkt des Heeres bleibt auch in 2021 die sogenannte Division 2027, die Deutschland der NATONorth Atlantic Treaty Organization ab dem Jahr 2027 zugesagt hat. Diese Division ist aufgrund der Bedeutung für die Verteidigungsfähigkeit der NATONorth Atlantic Treaty Organization auf mittlere Sicht der Lackmustest für die eingegangenen Bündnisverpflichtungen und wird auch eine entscheidende Funktion für Deutschlands Rolle als Rahmen- und Anlehnungsnation in der multinationalen Zusammenarbeit einnehmen. Sie bildet den notwendigen Rahmen, damit sich auch kleinere europäische Nationen mit ihren Kräftebeiträgen sinnvoll auf der Ebene der Division einbringen können und ein militärisch wirksamer Großverband entsteht. Das Heer leistet damit nicht zuletzt einen wirksamen Beitrag zur Festigung des europäischen Pfeilers im Bündnis.

Der Ausrüstungsbedarf ihrer drei organischen nationalen Brigaden bleibt aufgrund der ausgebliebenen Investitionen der letzten beiden Dekaden, insbesondere in den Domänen Führung und Unterstützung, groß. Die Volumen erforderlicher Investitionen sind jedoch vergleichsweise moderat. Dabei bilden diese Investitionen die Grundlage, um ein solides und effektives Standbein des Heeres auszubilden. Nur so können damit VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L) und die Anforderungen aus der NATONorth Atlantic Treaty Organization Readiness Initiative (NRI) zeitgleich bedient sowie wichtige Fähigkeiten für zukünftige Einsätze im Internationalen Krisenmanagement verfügbar gemacht werden. Die Fähigkeit zur schnellen und skalierbaren Reaktion wird gestärkt und an die bestehende Bedrohungslage angepasst. Vor dem Hintergrund der realen Bedrohung, der geografischen Lage unseres Landes sowie der daraus resultierenden Erwartungshaltung unserer Partner erscheint es nicht vorstellbar, dass die nationale Ambition zur Gestellung einer Division aufgegeben werden kann oder sollte. Die strategische zeitliche und geografische Lücke konventioneller europäischer Landstreitkräfte, die bis zum Eintreffen von USUnited States-Verstärkungskräften besteht, wird unter anderem nur unter Rückgriff auf eine deutsche Division zu schließen sein.

Nachholbedarf in der Domäne Führung

Für die Division 2027 sind wir in der Domäne Wirkung insgesamt ausreichend aufgestellt, wenn die benötigten 266 Schützenpanzer Puma mit neuem Konstruktionsstand und die vorerst 43 schweren Waffenträger Boxer bis spätestens 2026 im einsatzfähigen Zustand zulaufen. In den Domänen Aufklärung und Unterstützung besteht allerdings weiterhin Handlungsbedarf, um unseren – auch multinationalen – Ambitionen zu entsprechen. Besonders fordernd bleibt die Lage in der Domäne Führung. Hier sind die Defizite besonders kritisch, der Nachholbedarf besonders umfangreich. In dieser Frage entscheidet sich aber auch, ob wir unsere Rolle als europäische Anlehnungsnation auch tatsächlich ausfüllen können und von unseren Partnern gesucht werden. Dazu bedarf es für diese Division unter anderem neuer leistungsfähiger Funkgeräte, um für das gesamte Heer den eingeschlagenen Weg in die Digitalisierung auf der Zeitachse konsequent fortsetzen zu können.

Insgesamt sind die anerkannten Bedarfe der Division 2027 in den Finanzplanungen mehrheitlich noch nicht ausreichend hinterlegt. Es kommt also im Jahr 2021 unverändert darauf an, dieses bündnispolitisch entscheidende Projekt durch notwendige Priorisierungen der zur Verfügung stehenden Ressourcen so abzusichern, dass Fähigkeitslücken verhindert und zeitliche Verzögerungen weitestgehend ausgeschlossen werden.

Blick in die Zukunft

Deutsche Soldaten sichern das Anlanden eines rumänischen Kampfhubschraubers.

Auch in Zukunft wird das Deutsche Heer eine tragende Rolle bei Auslandseinsätzen übernehmen und Soldatinnen und Soldaten entsenden

Bundeswehr/Elisabeth Rabe

Neben VJTFVery High Readiness Joint Task Force (L) 2023 und Division 2027 gilt es aber auch die wesentlichen Weichenstellungen für die nächste Dekade unter angemessener Berücksichtigung der haushalterischen Realitäten vorzunehmen. Während die Division 2027 im Wesentlichen noch auf bisherige militärische Fähigkeiten und auf bereits eingeführtes Großgerät abstützt, gilt es für die Zeit nach 2030 bereits heute zu identifizieren, welche Rolle Landstreitkräfte zukünftig einnehmen werden und welche Fähigkeiten dafür notwendig sind – und welche gegebenenfalls ihre Bedeutung verlieren.

Bestimmungsgröße für die Beantwortung solch grundsätzlicher Fragen ist dabei die Analyse der zukünftigen Potenziale erwartbarer Gegner in allen Phasen einer möglichen (militärischen) Auseinandersetzung. Dabei steht schon heute fest, dass zukünftige Konflikte nicht in Teilstreitkräften und militärischen Organisationsbereichen entschieden werden, sondern vielmehr in den Dimensionen Land, Luft, See, Welt- und Cyberraum. Nur das Zusammenspiel aller Akteure in diesen Dimensionen (Jointness) und insbesondere an deren Schnittstellen wird dabei erfolgversprechend sein. Vieles spricht dafür, dass auch in zukünftigen Konfliktformen und Szenarien, die Beherrschung von Räumen an Land und damit die Bedeutung von Landstreitkräften unverändert Bedeutung behält. Trotz aller technologischen Entwicklungen wird die Dimension Land zur Entscheidung eines Konfliktes eine Schlüsselrolle spielen. Das Heer als wesentlicher Träger der Dimension Land ist sich seiner Verantwortung bewusst und wird diese mit Leben füllen.

Was notwendig ist

Eine Gruppe von Soldaten bewegt sich taktisch durch das Gelände.

In den kommenden Monaten gilt es, die Ausbildung und In-Übung-Haltung der Soldaten, die durch die Pandemie eingeschränkt werden, in vollem Umfang nachzuholen

Bundeswehr/Maximilian Schulz

Die Corona-Pandemie hat das Heer und alle seine Angehörigen in vergleichbarer Weise getroffen wie die Gesamtbevölkerung. Bemerkenswert war: Die Soldatinnen und Soldaten des Heeres haben sich durch die widrigen Umstände nicht lähmen lassen. Im Gegenteil. Mit Kreativität, Einsatzbereitschaft, klug, bedacht und als Team haben die Frauen und Männer tagtäglich den Willen gezeigt, die Dinge am Laufen zu halten und Verantwortung zu übernehmen. Das Heer kann Krise! Es verbindet eine robuste, permanente Führungsorganisation mit in der Fläche verfügbaren, einsatzbereiten Kräften.

Aber 2020 ist nicht völlig spurlos an uns vorbeigegangen. Diverse Ausbildungen sind ausgefallen, Übungen konnten nicht wie gewohnt durchgeführt werden. Umso bedeutender ist es, dass wir mittlerweile insbesondere die einsatzvorbereitende Ausbildung wieder anfahren konnten. Aber: Einschränkungen in Ausbildung und Übung können bereits mittelfristig dazu führen, dass wir Ausbildungsziele nicht mehr in dem gewohnt hohen Maß erreichen. Der Soldatenberuf ist und bleibt ein praktischer Beruf, bei dem es auf allen Ebenen auf Teamarbeit ankommt. Das lässt Abstandhalten nicht immer zu.

Ab 2021 wird es daher für das Heer auch darauf ankommen, ausgefallene Ausbildungsinhalte nachzuholen und weiterhin umsetzbare Maßnahmen und Verfahren zu etablieren, die auch unter Covid-19-Bedingungen eine adäquate Ausbildung sicherstellen. Denn: Die Männer und Frauen, die sich in den Großverbänden des Heeres im Gefecht bewähren sollen, haben eine hervorragende Ausbildung und kriegstaugliche, moderne Vollausstattung verdient. Darunter wird es angesichts der gestellten Aufträge nicht gehen!

von Generalleutnant Alfons Mais

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