Mehr Wertschätzung für Reservisten
Mehr Wertschätzung für Reservisten
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
- Lesedauer:
- 4 MIN
Bei der Reservistentagung im Kommando Heer in Strausberg trafen sich circa 50 Reservistendienstleistende mit den Organisatoren aus dem Referat für Reservistenangelegenheiten. Neben Vorträgen, wie etwa zur neuen Strategie der „Reserve im Heer“, bekamen die ehemaligen Soldaten auch eine Waffenausbildung und das Schießen im Simulator in Storkow geboten.
Nein, einen klassischen oder gar alltäglichen Werdegang als Reservist hat Oberstabsfeldwebel Wolfgang Marx ganz sicher nicht absolviert. Allein sieben Auslandseinsätze stehen in der Vita des 64-Jährigen, der bei der jüngsten Reservistentagung im Kommando Heer in Strausberg seine letzten Wehrübungstage erlebt. So ungewöhnlich allein diese Tatsache und die weitere Geschichte des Fallschirmjägers auch sein mag, steht sie doch auch stellvertretend für alle Reservisten. Sie zeigt, welche Möglichkeiten sich nach der aktiven Dienstzeit bieten.
40 Monate im Auslandseinsatz
Seine „zweite Dienstzeit“ begann für Marx vor 14 Jahren mit einer Bitte der Stammdienststelle des Heeres, bei Auslandseinsätzen zu unterstützen. Bis zu seinem Ausscheiden hatte der 64-Jährige, der sich selbst als „frühere Kampfsau“ bezeichnet, diverse Qualifikationen erworben. Sie führten ihn in der Summe 28 Monate nach Afghanistan und zwölf Monate nach Bosnien. In erster Linie war er dort jeweils als Pressefeldwebel tätig. Marx erlebte aber weit mehr, als es die Verwendung vermuten lässt: Dreimal war er zeitgleich mit dem späteren Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Jörg Vollmer, im Auslandseinsatz. Er stand neben Oberst Georg Klein, als dieser 2009 den viel diskutierten Befehl zum Raketenangriff auf einen Tanklaster gab, mit dem die Taliban einen Anschlag auf eine Polizeischule im afghanischen Kundus planten. Er kannte die 2014 in Afghanistan erschossene Fotografin Anja Niedringhaus persönlich.
Marx wurde außerhalb der Presseaufgaben aufgrund seiner speziellen Fähigkeiten bei diversen gefährlichen Operationen eingesetzt und bekam den Spitznamen „Joker“. Und er sah „viel zu viele“ Kameraden, die im Einsatzland ihr Leben gelassen haben. Doch genau diese ungewöhnliche bis extreme Mischung an Erlebnissen gaben dem Soldaten aus Leidenschaft auch als Reservist „noch viel mehr als zur aktiven Zeit. Dafür bin ich doppelt dankbar“. Deshalb nimmt man Marx auch zweifelsfrei ab, wenn er sagt, er habe nie etwas bereut und würde alles wieder genauso machen. Bezüglich der neuen Strategie der Reserve im Heer ist sich der nun endgültige Pensionär sicher, dass den Reservisten künftig mehr Aufmerksamkeit, Anerkennung und Möglichkeiten geboten werden: „Und davon werden beide Seiten profitieren in Zeiten veränderter Sicherheitspolitik.“
Heimatnahe Grundbeorderung
Wesentliches Merkmal der neuen Strategie ist, die grundsätzliche Einplanung aller wehrdienstfähig aus dem aktiven Dienst ausscheidenden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in die Reserve für einen Zeitraum von sechs Jahren. Beorderungsmöglichkeiten sind in allen Kategorien der Reserve vorgesehen. Um die Motivation ehemaliger Soldaten für solch eine bedarfsgerechte und für sechs Jahre verpflichtende Grundbeorderung zu steigern, werden wichtige Aspekte wie erworbene Qualifikationen und Beibehaltung der persönlichen Vernetzung berücksichtigt. Das bedeutet unter anderem, dass ein in seiner Region verwurzelter Reservist auch heimatnah eingeplant wird.
Des Weiteren soll der Dienst für ehemalige Soldaten deutlich attraktiver werden: Finanzielle Anreize, regionale Ausbildung und Heimatnähe, ein modernes Arbeitsumfeld sowie die Vereinbarkeit von Reservistendienst mit Familie und Arbeitgeber sind nur einige Beispiele. Um die Akzeptanz der Bevölkerung sowie bei den Arbeitgebern für die Reserve und Bundeswehr zu steigern, ist die Einführung eines Bildungspasses geplant, bei dem in der Bundeswehr erworbene und zivil nutzbare Qualifikationen dokumentiert werden.
Die zweite Reservistenübung im Kommando Heer
Etwas zurückhaltender bezüglich der neuen Reservestrategie ist Hauptmann Stefan Hoffmann. Die Laufbahn des 31-Jährigen verlief völlig anders als die von Marx. Hoffmann ist erst Mitte dieses Jahres nach zwölfjähriger Dienstzeit ausgeschieden und absolviert gerade in Strausberg seine zweite Wehrübung. Die Premiere als Reservistendienstleistender feierte er direkt im Anschluss an seine Entlassung ebenfalls im Kommando Heer im Referat für Infrastruktur. Aufmerksam auf die Möglichkeiten als Reservist wurde er beim Einsatz in Litauen, als ihn ein Kompaniefeldwebel fragte, ob er sich ein Engagement nach der aktiven Dienstzeit vorstellen könnte. Bei der Reservistentagung stellt Hoffmann zumindest „schon eine gewisse Distanz“ zwischen aktiven und ehemaligen Soldaten fest. Die neue Strategie hält er für einen guten Ansatz. Letztlich sei der Erfolg aber nach wie vor „abhängig von jedem Reservisten selbst“. Für die Umsetzung der Strategie müssen seiner Ansicht nach die entsprechenden Strukturen geschaffen werden, um auch aktiv auf die Reservisten zugehen zu können.
Fest steht für den Bauingenieur hingegen, dass er sich gut vorstellen kann, auch in den nächsten Jahren weitere Übungen als Reservist zu absolvieren, sofern sein künftiger Arbeitgeber mitspielt. Einig waren sich Hoffmann und Marx darin, dass die dreitägige Veranstaltung im Kommando Heer ein abwechslungsreiches Programm bot und den Teilnehmern einen spannenden Ausblick auf die Umsetzung der künftigen Strategie „Reserve im Heer“ gab.