Vom Land zum Meer und durch die Luft
Vom Land zum Meer und durch die Luft
- Datum:
- Ort:
- Celle-Wietzenbruch
- Lesedauer:
- 5 MIN
Vom Land zum Meer, vom Meer zum Land … und durch die Luft. Etwa 50 Marineinfanteristen üben im Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit die Grundlagen luftbeweglicher Operationen. Die Soldatinnen und Soldaten der Küsteneinsatzkompanie haben ihre militärische Heimat im Seebataillon der Deutschen Marine. Aber was führt sie ins norddeutsche Binnenland fernab der Küste in das niedersächsische Celle?
Die Soldaten der Küsteneinsatzkompanie sind spezialisiert für den Einsatz in Küstennähe und auf See. Sie schützen Schiffe, Boote und Hafenanlagen. Zu ihren Aufgaben gehören auch der landseitige Schutz von Personen und Material sowie die Abwehr von gepanzerten Feindkräften. Die Küsteneinsatzkompanie sichert Strände und Häfen, beherrscht aber auch den Häuserkampf und den Schutz von Fahrzeugkonvois. Als Infanterieeinheit der Marine gilt für die Soldaten darüber hinaus, dass sie rasch an einen Einsatzort verlegbar sein müssen – und das eben auch per Flugzeug oder Hubschrauber, etwa für militärische Evakuierungsoperationen. Genau darum geht es bei dieser Ausbildung im Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit in Celle.
Der Mehrumer Industriekomplex ist ein Ort der Übung. Für die Soldaten der Marineinfanterie und das geplante Szenario ist er mit der Infrastruktur nah am Wasser entlang des Mittellandkanals besonders geeignet.
Gemeinsam für die Landes- und Bündnisverteidigung
Oberstleutnant Moritz S. ist der Leitende der Übung, er erklärt: „Im luftgestützten Einsatz geht es um Reichweite und Geschwindigkeit – diese tragen das Überraschungsmoment. Über beides verfügen Hubschrauber. Damit das Überraschungsmoment nicht scheitert, üben wir hier mit der Truppe.“ Jeder einzelne müsse seinen Auftrag genau kennen. Verlust der Geschwindigkeit bedeute Verlust der Überraschung.
Die Voraussetzung für rasches Handeln ist immer auch Sicherheit in den Abläufen und Verfahren. Genau das üben die Soldaten zwei Wochen lang intensiv im Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit in Celle. Konkret beschäftigen sie sich mit dem Szenario eines luftgestützten Einsatzes innerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung. Kennzeichnend dafür ist die Zugehörigkeit zu NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnissen, kollektiver Sicherheit mit Partnern und eine gemeinsame Außengrenze. Damit kampfbereite Kräfte flexibel verlegt, geführt und versorgt werden können, müssen bestimmte Verfahren geübt werden.
Luftbewegliche Operationen virtuell und praktisch
„Luftbewegliche Operationen bieten eine schnelle Möglichkeit, auf überraschende Bedrohungen zeitlich angemessen zu reagieren. Eigene durchsetzungsstarke Kräfte können dem Gegner effektiv und überraschend entgegengestellt werden. Das stärkt die Überlegenheit und hilft, den Kampf nach vorn zu tragen“, beschreibt der Kommandeur des Ausbildungs- und Übungszentrums, Oberst Jörn Rohmann. Die Besonderheit des luftgestützten Einsatzes dabei ist, dass dieser weder von Hubschrauberkräften noch von Infanterie allein gesteuert wird. Vom ersten bis zum letzten Moment müssen beide, Hubschrauberkräfte und Infanterie, in einem gemeinsamen Auftrag unter einheitlicher Führung zusammenwirken.
Von der Planung über die Vorbereitung und Durchführung, bis die Hubschrauber mit der Truppe wieder aufsetzen, werden alle Schritte zusammen ausgeplant und koordiniert. Die Schwerpunkte der ersten Tage in Celle liegen daher ganz im Zeichen von Unterricht, Führungsverfahren, Planungsprozessen sowie dem Geben von Befehlen – der Befehl ist das Handwerkszeug für den militärischen Führer.
Im Virtual Battle Space
Ob Verfahren und Meldewege funktionieren, überprüfen die Soldaten in der simulationsgestützten Ausbildung im Virtual Battle Space. Jeder Soldat ist von Anfang an in genau der Funktion eingesetzt, in der er später auch im Szenario eingesetzt ist. Neben den theoretischen Meldewegen und Verfahren in der Kommunikation mit dem Hubschrauber lernen die Marinesoldaten auch, sich richtig in und mit dem Hubschrauber zu verhalten. Sie müssen wissen, welche Landezonen für einen Hubschrauber geeignet sind und wie sie das effektiv per Funk übermitteln. Sie üben auch, wie Kampfhubschrauber zur Unterstützung angefordert oder verwundete Kameraden ausgeflogen werden.
„Wir waren anfangs skeptisch, ob uns virtuelles Üben am Computer weiterbringt“, erklärt Leutnant zur See Henrike R., „aber die simulationsgestützte Ausbildung, gerade auch in Verbindung mit der detaillierten Auswertung in Bild und Ton, ist eine großartige Lernmethode“. Erweitert wird das Virtual Battle Space, indem die Soldaten Verfahren praktisch an Mockups, also Rümpfen von echten Hubschraubern, intensiv trainieren.
Operation Overcut: Marine übt in Mehrum
Nach zwei Wochen ist es so weit: Zwei Mehrzweckhubschrauber NHNATO-Helicopter-90 fliegen die Marineinfanteristen in zwei Wellen zum Industriekomplex nach Mehrum: Die Operation Overcut beginnt.
„In der Chalk spielt Ihr jedes mögliche Szenario durch“, weist Leutnant zur See Henrike R. ihre Soldaten an. Chalk, das ist die Box, der Ort, an dem die Soldaten auf ihren Abflug warten. Das sind die letzten ruhigen Minuten, bevor es in das Gefecht geht. Im Kopf gehen die Soldaten immer wieder den Plan durch: Von wo könnte der Feind kommen, wie verhält sich die Gruppe, was ist bekannt, was muss wer wann tun? Die Männer und Frauen haben verstanden, dass es in diesem komplexen Einsatz auf jeden Einzelnen ankommt. Der Auftrag darf nicht scheitern.
Für den Zug der Küsteneinsatzkompanie geht es in diesem Szenario um die Infiltration einer Industrieanlage, die sie an folgende Kräfte übergeben sollen. Sie sind Teil der Air Manoeuvre Task Force – Wild Boar – in zwei Wellen landen sie mit Transporthubschraubern an der Objective Steel, der Industrieanlage, an. Sie werden den angrenzenden Hafenbereich feindfrei kämpfen.
Schnell zeigt sich, welche Faktoren eine solche militärische Operation beeinflussen. Die umliegenden Wiesen und Weiden bieten sich einerseits wegen der kurzen Wege als Landezonen an, doch sind sie wegen zahlreicher Hochspannungsleitungen nur mit einigem Koordinationsaufwand und unter bestimmten Wetterbedingungen zu befliegen. Auch der einsetzende Regen und die teils niedrige Wolkendecke tragen dazu bei, dass sich das Szenario nicht einfach gestaltet. Allein die Frage, aus welcher Richtung die Kräfte wetterbedingt anlanden, ergeben sich Folgerungen für den Verlauf der Operation am Boden. Kurz nach Anlanden der ersten Welle muss der erste eigene Verwundete evakuiert werden. Mit dem 9-Liner, einem genormten Verfahren, werden die wichtigsten Eckdaten zur Rettung übermittelt.
Schnelles und souveränes Arbeiten mit den standardisierten Meldeverfahren zahlt sich aus. Sonst kostet die Abstimmung am Boden Zeit und das Überraschungsmoment geht verloren. Nach zwei Stunden sind die Getreide- und Düngerlager wie auch der Hafen eingenommen.
Positives Fazit
„Die Küsteneinsatzkompanie im luftgestützten Einsatz“ war das Thema der Ausbildung: „Die Übenden sollten die Vorteile der luftbeweglichen Verbringung nutzen und die Komplexität in der Planungsphase berücksichtigen lernen“, wertet der Leitende aus. Durch Disziplin, Offenheit für neue Dinge und den Willen immer besser zu werden, haben alle die Ausbildungsziele erfüllt. „Ich gehe davon aus, dass sie aus den gestellten Bildern, der Ausbildung und den Auswertungen so einiges mitnehmen können. Alles Gute, viel Soldatenglück und bis zum nächsten Mal“, verabschiedet der Leitende alle Teilnehmenden.
Auch der Kommandeur des Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit, Oberst Rohmann, zeigt sich mit dem Übungsdurchgang zufrieden. „Das Seebataillon stellt mit der Küsteneinsatzkompanie Kräfte mit essenzieller Bedeutung in der Landes- und Bündnisverteidigung. Luftbewegliche Operationen im gesamten Einsatz- und Intensitätsspektrum durchführen zu können, ist und bleibt ein Kernelement reaktionsfähiger Streitkräfte.“ Der Übungsbedarf sei hoch, daher freue man sich zum ersten Mal die Ausbildung mit der Marineinfanterie gemeinsam gestaltet zu haben.