Landesverteidigung ist mehr als nur Abschreckung
Landesverteidigung ist mehr als nur Abschreckung
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
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„Das Heer und somit unsere Soldatinnen und Soldaten werden angesichts wachsender sicherheitspolitischer Herausforderungen aktiver als bisher gewohnt Verantwortung übernehmen“, kündigt der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, in seinem Impulsvortrag vor dem Förderkreis Heer e. V.eingetragener Verein an. Der zunehmende externe Druck, dadurch entstehende Machtvakuen, die erkennbare Renationalisierung der Sicherheitslandschaft und zunehmend hybrid ausgetragene Konflikte würden dies gebieten.
Der Richtungswechsel hin zur Refokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung sei in vollem Gange. Und doch würden „zukünftig unser Tun, Denken, aber auch unsere Strategien noch stärker nicht nur auf Abschreckung, sondern auf den erfolgreichen Kampf geprägt sein“, so der ranghöchste Heeressoldat. „Unsere Soldatinnen und Soldaten sind sich ihrer Verantwortung zur Verteidigung Deutschlands, unserer Bürgerinnen und Bürger, voll bewusst. Doch gleichermaßen ist es wichtig, bei unserer Bevölkerung das Verständnis für den Auftrag der Streitkräfte insgesamt und des Heeres in der Landes- und Bündnisverteidigung zu vertiefen, um gesamtgesellschaftlich den Willen zur Verteidigung unseres Landes weiter zu stärken.“ Den Paradigmenwechsel von der Konzentration auf internationales Krisenmanagement hin zur Landes- und Bündnisverteidigung hätte das Heer bereits seit 2015 begonnen. Die internationalen Beiträge für die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mission enhanced Forward Presence, für die Schnelle Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTFVery High Readiness Joint Task Force), aber auch zur EUEuropäische Union-Battlegroup seien Beispiele der multinationalen Verlässlichkeit des Heeres. Rund ein Drittel der Soldaten des Heeres, im Schnitt fast 19.000, seien dauerhaft in internationalen Verpflichtungen gebunden. Die Ambition Deutschlands von NATONorth Atlantic Treaty Organization wie EUEuropäische Union nicht nur als Partner, sondern auch als verlässliche Führungsnation angesehen zu werden, treibe auch das Heer an und werde es zusätzlich fordern.
„Wir müssen kampfbereit und kampffähig sein“
Heeresinspekteur Mais verdeutlicht, das Heer folge mit Nachdruck und aller Konsequenz der vom Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, aufgezeigten Marschrichtung. Die Landes- und Bündnisverteidigung sei die anspruchsvollste Aufgabe der Bundeswehr und planungsleitend, zitierte er Zorn. Dabei gehe es darum, die Bundeswehr in allen Bereichen schnellstmöglich wieder uneingeschränkt fit für die Landes- und Bündnisverteidigung zu machen. Auch der Inspekteur des Heeres rückt diese Aufgabe ins Zentrum des Planens und Handelns im Heer: „Wir müssen alle Anstrengungen, die Personalstärke, die Ausrüstung, aber auch die laufende Modernisierung und Digitalisierung konsequent an dieser Messlatte ausrichten“, so Mais. Noch wichtiger sei aber, das Mindset, die grundsätzliche Einstellung zu dem, was Landes- und Bündnisverteidigung bedeutet, zu verinnerlichen. Eingesetzte Truppen müssten durchsetzungsfähig, kampfbereit und fähig sein, eine militärische Operation für sich zu entscheiden. Dabei gelte es auch, Rückschläge zu verkraften, sich neu zu formieren und den Gegner erneut unter Druck zu setzen, bis der Auftrag erfüllt sei. Das Postulat „Schutz vor Auftrag“ aus dem internationalen Krisenmanagement wechselt zu „Auftrag vor Schutz“.
Kein Alleingang
Das Heer als Kern der Landstreitkräfte sei in die Verantwortung für die Dimension Land gestellt, es sei der Hauptträger der Entscheidung am Boden, so Mais. Gerade in zunehmend urbanisierten Räumen sei physische Beherrschung am Boden auch zukünftig die entscheidende Größe. Die Präsenz von Truppe im Raum und der Kampf am Boden bliebe die Voraussetzung zum endgültigen Durchsetzen militärischer Interessen. „Damit ist dem Heer in der dimensionsübergreifenden Jointness unserer Streitkräfte eine wichtige Rolle zugewiesen. Dies muss auch wieder die Richtschnur für unsere Organisation werden. Konflikte entwickeln sich nicht nach effizienzorientierten Organisationsbereichen oder Grundbetriebsstrukturen“, bekräftigt Mais. Moderne Kriege und Konflikte werden in den Dimensionen Land, See, Luft/Weltraum sowie dem Cyber- und Informationsraum ausgetragen. Also sei ein an diesen Dimensionen ausgerichteter Ansatz der Kräfte unter jeweils einheitlicher Führung notwendig. Im dimensionsübergreifenden Wirken plädiert der Inspekteur für eine Stärkung der Teilstreitkräfte, deren Fähigkeiten an den Schnittstellen sauber aufeinander abzustimmen seien, um im Zusammenwirken erfolgreich zu sein. Keine Dimension könne zukünftig alleine einen militärischen Konflikt lösen. Um das Heer für zukünftige Konflikte richtig aufzustellen, verfolge das Heer den Aufbau zum hochintensiven Gefecht befähigter moderner und vollausgestatteter Großverbände. Der Plan Heer sei hierbei die Marschrichtung auf dem Weg zu einem Heer, das mit drei vollausgestatteten Divisionen in der Lage ist, die gesamte Bandbreite der Aufträge abzudecken, so Mais. Dazu bedarf es aber eines langen Atems.
Nächster Meilenstein Division 2027
In den Augen europäischer Partnernationen hätten sich die Soldaten in den eingegangenen Bündnisverpflichtungen bewährt, wie der VJTFVery High Readiness Joint Task Force 2015 und VJTFVery High Readiness Joint Task Force 2019, führt Generalleutnant Mais weiter aus. Die für das Jahr 2023 zugesagte Gestellung der VJTFVery High Readiness Joint Task Force 2023 sei aus der Planungsphase in die Realisierungsphase übergegangen und werde mit multinationalen Partnern umgesetzt. „Unser planerischer Schwerpunkt ist jedoch die Division 2027. Ein Großverband mit Divisionstruppen und drei deutschen Kampfbrigaden, bereit zur Integration zweier weiterer multinationaler Brigaden“, bekräftigt der Inspekteur. Für das Heer sei diese Planung auch eine Planung mit Außenwirkung. Nur wenige europäische Nationen vermögen, einen solchen Großverband für das hochintensive Gefecht aufzubieten. Diese Bemühungen dienen weiter auch der Integration kleinerer Partner. Es gehe also auch darum, eine Signalwirkung zu entwickeln, ein verlässlicher Partner für andere zu sein. „Für unser Heer kommt es dabei, neben dem Kampf, insbesondere auf Führungsfähigkeit, Aufklärung und Unterstützung an.“ Dazu muss ein moderner, gleichgewichteter Ausstattungsgrad dieser Division erreicht werden. „Die Division 2027 ist das Fundament, auf dem mittel- bis langfristig die Zukunftsentwicklung des Heeres gründen wird“, so der Inspekteur.
Es gilt, alle mitzunehmen
Auf dem Weg zu drei vollausgestatteten Divisionen spielt auch die Reserve eine Schlüsselrolle. So würden die nicht-aktiven Truppenteile erhalten, ausgebaut und schließlich einsatzbereit gemacht – mit dem Ziel, die Reservistinnen und Reservisten stark in aktive Strukturen zu integrieren. „Einsatzbereitschaft und tiefe Integration der Reserve“, treibe das Heer dabei an.
„Die ‚Befähigung zum Kampf‘ bleibt die Richtschnur für den Erfolg im gesamten Einsatzspektrum des Heeres“, betont der Inspekteur. Man müsse diese Befähigung wieder in die Köpfe der Männer und Frauen sowie in die Strukturen implementieren. „Die Menschen sind für mich das Wichtigste. Gute Soldaten verdienen und brauchen gutes Material, das motiviert ganz besonders.“ Der Auftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung umfasse einen ganzheitlichen Ansatz und müsse sich bei Personal, Ausbildung, Ausrüstung sowie Organisation niederschlagen, umreißt Mais die kommenden Herausforderungen. „Die Männer und Frauen, die sich in den Großverbänden des Heeres im Gefecht bewähren sollen, haben eine hervorragende Ausbildung und kriegstaugliche, moderne Vollausstattung verdient“, bekräftigt der Inspekteur. Zudem bilde das Heer mit seinen Menschen eine gemeinsame starke Wertebasis und forme die mentale Einstellung, das Können und die Haltung seiner Soldaten, um den Anforderungen für eine erfolgreiche Landes- und Bündnisverteidigung gerecht zu werden. Dies alles sei nötig, um einen sichtbaren, glaubwürdigen und Vertrauen stiftenden, von BIPBruttoinlandsprodukt-Prozenten unabhängigen, Fähigkeitsbeitrag zum NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnis zu leisten.