Gefangen in der Lawine
Gefangen in der Lawine
- Datum:
- Ort:
- Bad Reichenhall
- Lesedauer:
- 4 MIN
Stellt euch vor, der Boden unter euren Skiern fängt plötzlich an zu vibrieren. Etwas stimmt nicht. Euch wird klar, dass die riesige Schneedecke unter euch anfängt zu rutschen. Dann ist es meist schon zu spät.
Ihr versucht, auf den Skiern zu bleiben und seitwärts rauszukommen. Schnell verliert ihr die Kontrolle und geht unter in den Schneemassen. Was könnt ihr tun, um eure Überlebenschancen in der Lawine zu erhöhen und wie werdet ihr gerettet, für den Fall, dass ihr Glück habt und überlebt?
Bereits in der Spezialgrundausbildung lernen Gebirgsjäger, wie die Soldatinnen und Soldaten des Gebirgsjägerbataillons 231 aus Bad Reichenhall, sowohl ihre eigenen Überlebenschancen in der Lawine zu erhöhen, als auch ihre Kameraden im Ernstfall in den Schneemassen zu lokalisieren. Auf der Reiteralpe nutzen sie das verschneite Gelände, um sich mit ihrer Lawinennotfallausrüstung vertraut zu machen. Eine Ausbildung, die für die Soldaten von besonders hoher Bedeutung ist, denn im Ernstfall zählt jede Sekunde.
Lufthöhle um den Kopf
Ihr merkt, wie die Lawine zum Stillstand kommt. Es wird ruhig. Ihr seid unverletzt. Mit den Armen und Händen habt ihr eine Lufthöhle um euren Kopf erhalten und eure Skistöcke abgeworfen, damit sie euch nicht in die Tiefe ziehen. Der Schnee ist hart wie Beton und ihr seid fixiert. Es beginnt ein Kampf um die Zeit, gegen die Kälte und gegen den Sauerstoffmangel.
Alle Gebirgsjäger tragen am Berg ihr eingeschaltetes Lawinenverschüttetensuchgerät, auch LVS-Gerät genannt, direkt am Körper. LVS-Geräte sind aber auch auf dem freien Markt erhältlich. Es sendet ein Signal aus, mit dessen Hilfe euch die anderen mit Glück im Schnee finden können.
Suche ist Teamarbeit
Eure Freunde haben euch beobachtet und sich den Ort gemerkt, an dem ihr im Schnee verschwunden seid. Wie bei den Gebirgsjägern macht sich der erfahrenste Skifahrer sofort auf den Weg dahin und beginnt am Verschwindepunkt mit der Suche nach euch. Dafür nutzt er die Suchfunktion seines eigenen LVS-Gerätes. Zwei weitere Personen legen Schaufel und Sonde bereit. Ein Notruf wird sofort abgesetzt. Die beiden Freunde bleiben immer in Sicht- und Rufweite zum Sucher, der unten bereits den Verschwindepunkt erreicht hat und ihn markiert.
Der Sucher konzentriert sich auf euren Verschwindepunkt. Während eure Körpertemperatur immer weiter sinkt und euch allmählich die Luft knapp wird, beginnt der Sucher mit der eigentlichen Lawinensuche. Wird nur eine Person verschüttet, fährt der Sucher mit einer speziellen Technik, in einer Art Serpentine, vom Verschwindepunkt aus, von oben nach unten über den Schnee. Die Gebirgsjäger nutzen bei dieser Serpentine spezielle Abstände, um den Verschütteten zu lokalisieren. Ihr habt Glück, denn sein LVS-Gerät liefert ein erstes Signal.
Das LVS-Gerät zeigt die Richtung
Auf dem Display des LVS-Geräts wird dem Sucher akustisch und mithilfe von Pfeilen die Richtung angezeigt, woher euer Notsignal kommen könnte. Das erste Signal markiert der Sucher mit einem Skistock. So wird der Punkt immer wieder gefunden, sollte das Gerät das Signal durch Wettereinflüsse oder weitere Störfaktoren verlieren.
Die Suche begrenzt sich jetzt weiter ein auf den Ort, an dem das Signal besonders stark war. Rund um diesen Ort wird das Signal immer stärker, die angezeigte Zahl auf dem Display wird immer kleiner. Das Gerät zeigt jetzt den Wert 2,4 an, also 2,40 Meter. Im Glücksfall bedeutet das: Ihr seid lokalisiert. Die beiden anderen Helfer mit Schaufel und Sonde werden gerufen.
Mit dem LVS-Gerät fährt der Sucher jetzt bei der Feinsuche in Kreuzform über die Schneedecke. Ihr würdet gerne rufen, aber der Sucher kann euch durch den dichten Schnee nicht hören und euch fehlt die Energie. Euer Zustand verschlechtert sich rapide. Die Luft in der Luftblase reicht nicht mehr und ihr werdet bewusstlos.
Der rettende Stich
Ein Gebirgsjäger sticht die Sonde an der lokalisierten Stelle in den Schnee. Volltreffer. Ihr liegt in anderthalb Meter Tiefe im Schnee begraben. Von der Seite schaufelt sich der Sucher mithilfe der anderen zu euch durch, damit er nicht von oben die Luftblase zertritt. Die Hoffnung erhärtet sich, denn der Sucher findet nicht nur einen Rucksack oder euer LVS-Gerät, sondern euch. Ihr habt Puls, werdet freigelegt und möglichst nicht bewegt, damit das kalte Blut aus den Extremitäten nicht abrupt in den Kern des Körpers zum noch warmen Herzblut gelangt. Profis sprechen von der Gefahr des Bergungstodes. Währenddessen trifft das Rettungsteam ein. Der Sucher hat während der gesamten Zeit euer Gesicht geschützt, damit kein Schnee in die Atemwege gerät. Es liegt jetzt in der Hand der Sanitäter, eure schwachen Vitalfunktionen zu stabilisieren. Am Ende ist die Rettung Glückssache. Die professionelle Zusammenarbeit bei der Lawinensuche aber erhöht die Chancen auf eine Rettung maßgeblich.