Gebirgsjäger trainieren mit der Luftwaffe
Gebirgsjäger trainieren mit der Luftwaffe
- Datum:
- Ort:
- Bayern
- Lesedauer:
- 5 MIN
Bei der großangelegten Übung Mountain Hornet haben Gebirgsjäger und Jetpiloten die Zusammenarbeit geübt. „Die taktische Feuerunterstützung ist ein sehr großer Zugewinn für die Infanterie. Aber diese Zusammenarbeit ist komplex und muss deshalb intensiv geübt werden“, erklärt Brigadegeneral Maik Keller, Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23.
„Feindliche Flugabwehrstellung erkannt!“, flüstert einer der Gebirgsjäger des Aufklärungszugs, der gut getarnt in einem Waldstück auf dem Übungsplatz Kammer liegt. Sofort werden die Informationen weitergefunkt und höchst aufmerksam von einem Joint Fire Support Team (Luftnahunterstützungsteam) mitnotiert, das sich einige hundert Meter weiter hinten aufhält. Koordinaten, Typ des Flugabwehrsystems russischer Bauart, Entfernung zu eigenen Kräften – alles wird exakt erfasst.
Zum ersten Mal seit 25 Jahren
Zur Bekämpfung feindlicher Milizkräfte sind die Gebirgsjäger zuvor in die Region eingesickert, um den Gegner zu finden und zu bekämpfen. Und tatsächlich steht dort eine russische Flugabwehrraketenstellung vom Typ SA-8. Dass es eine originalgroße, aufblasbare Attrappe ist, die die amerikanischen Partner aus Grafenwöhr zur Verfügung gestellt haben, wissen die Aufklärer nicht.
„Jetzt wird’s spannend“, sagt Übungsleiter Major David Würtz und hört den Funkverkehr der Übungstruppe mit. Er hat die ganze Übung, die in ihrem Umfang für die Gebirgsjäger bisher einmalig ist, auf die Beine gestellt. Er gehört zum Verbindungskommando der Luftwaffe bei der Gebirgsjägerbrigade. Schwerpunkt ist, dass die Joint Fire Support Teams die Zusammenarbeit mit den Piloten perfektionieren und sehr zügig aber zugleich fehlerfrei arbeiten, wenn sie Feuerunterstützung aus der Luft anfordern. Nur so kann die eigene Truppe entlastet und nicht selbst gefährdet werden. „Das Gebirge bringt besondere Anforderungen an die Soldaten am Boden, aber auch für die Piloten mit sich, deshalb müssen wir auch hier im Gebirge üben“, erklärt der Major. „Anflugschneisen durch die Berge, Höhenunterschiede zwischen Ziel und Beobachter, schwierige Wetterverhältnisse, unterschiedliche Blickwinkel auf das gemeinsam zu bekämpfende Ziel“, zählt er einige der Herausforderungen auf. Und so kommt es, dass in dieser Woche erstmals seit über 25 Jahren Hubschrauber, Tornados und Eurofighter über dem Berchtesgadener Land fliegen und mit den Gebirgsjägern üben.
Ständiger Kontakt zwischen Himmel und Erde
Ein Joint Fire Support Team besteht aus sechs Mann: zwei Offiziere, zwei Feldwebel und zwei Mannschaftssoldaten. Mit einem optoelektronischen Beobachtungsgerät vermessen sie Entfernungen und ermitteln genaue Koordinaten. Zugleich wird permanent mit Luftfahrzeugen und der eigenen Führung gefunkt. Leises Grummeln ist am Himmel zu vernehmen, ein Mehrzweckkampfflugzeug Tornado steht bereit, doch die Wolkendecke ist fest geschlossen. „Auf Sicht kann er jetzt nicht angreifen, er wirft aus großer Höhe eine GPSGlobal Positioning System-gelenkte Bombe ab“, erklärt einer der fast durchgehend auf Englisch mit dem Piloten funkenden Soldaten. Anflugrichtung, Koordinaten, Standort der eigenen Kräfte – alles schreibt der Waffensystemoffizier im Tornado in rund fünf Kilometer Höhe mit, liest es zum Abgleich nochmal vor, programmiert dann sein Waffensystem. „Bomben sind gefallen!“, ruft plötzlich der Funker.
Im scharfen Schuss müssten die Männer jetzt schnell die Köpfe einziehen. Sie können bis zu 300 Meter nah an der Einschlagstelle sein, so genau treffen die 500 Pfund schweren Bomben. In dieser Übung wertet die Übungsleitung den Funkverkehr und insbesondere die Richtigkeit der Angaben aus. Es fallen keine Bomben, doch die Flugabwehrstellung ist erfolgreich „vernichtet“. Jetzt, wo eigene Luftfahrzeuge nicht mehr gefährdet sind, werden Hubschrauber angefordert. Sie sollen am nächsten Tag Soldaten und Material auf die Reiteralpe bringen, wo ebenfalls noch Milizkräfte tätig sind.
Die Freifaller der Gebirgsjäger
Rege Betriebsamkeit am Hubschrauberlandeplatz in Oberjettenberg: Der Aufklärungszug und die darin eingebetteten Joint Fire Support Teams der Gebirgsjäger sind wieder da. Alle werkeln an ihren Ausrüstungen, checken Waffen und Funkgeräte. Sie tragen ihre weißen Schneetarnanzüge, was seltsam wirkt, da hier unten Wiesen und Wälder in kräftigem Frühjahrsgrün strahlen. Und eine weitere Gruppe hat sich dazugesellt – Soldaten der Hochgebirgsjägerzüge und des Hochgebirgsspähzugs, die Freifaller der Gebirgsjägerbrigade. „Wir werden vor dem Eintreffen der eigenen Kräfte aus sehr großer Höhe abspringen und den Landeplatz sichern“, erklärt einer der Springer, während ein Kamerad an ihm die Ausrüstung prüft. „Wir müssen vermeiden, dass unsere Hubschrauber bei der Anlandung der Hauptkräfte beschossen werden.“ Um Operationen auch in großer Entfernung und im schwierigen Gelände absichern und als Vorauskräfte eingesetzt werden zu können, verfügen die Gebirgsjäger über eigene Freifaller, also Soldaten die eine Sprunglizenz haben. Plötzlich wird es laut und ein Mehrzweckhubschrauber NHNATO-Helicopter-90 kreist über den Gebirgsjägern, setzt zur Landung an – es geht los.
Fertigmachen zum Sprung
Stellungswechsel: Plötzlich taucht der Hubschrauber über dem Plateau auf und setzt sofort zur Landung an. Das ganze Gelände ist komplett schneebedeckt, nur vereinzelt schauen Kiefernzweige aus der Schneedecke. Die Gebirgsjäger werfen ihre Ausrüstung raus, springen aus der Maschine, bleiben unmittelbar daneben liegen und schon schwebt der Koloss wieder davon. Sie springen auf, laufen zu einer Baumgruppe und verschmelzen schon nach wenigen Metern mit der Umgebung.
An einer Feldkante hat der Aufklärungszug Stellung bezogen, er ist das „Auge am Feind“. Unweit davon liegt das Joint Fire Support Team, unsichtbar mitten in einer Baumgruppe. Es herrscht rege Betriebsamkeit. Das Beobachtungsgerät ist aufgebaut und getarnt, es späht über die Kiefern auf eine einige hundert Meter entfernte Fläche mit Gebäuden. Die Funker rotieren. Es ist eine der sensibelsten Phasen der Operation: „Jetzt, wo wir alle gerade erst angelandet sind und Stellungen beziehen, müssen wir schnell feststellen, wo überall eigene Kräfte liegen. Nur wenn wir das hundertprozentig wissen, können wir loslegen“, erklärt ein Oberleutnant. „Wir bringen so massives Feuer an den Feind, dass der Infanterie viele Mühen und Opfer erspart bleiben. Aber Fehler dürfen wir uns nicht erlauben.„
Brigadegeneral Maik Keller hat sich während einer Dienstaufsicht von den verschiedenen Teilabschnitten der Übung einen Eindruck verschafft. „Mit den erreichten Übungszielen bin ich sehr zufrieden“, erklärte der Brigadekommandeur.
Den Jets Zonen zuweisen
„Hawkeye, hier Rocket One, eigene Position ist …“, schnarrt es aus einem der vielen Funkgeräte. „Achtung, gleich haben wir Eurofighter!“, ruft ein anderer und beginnt sofort den beiden Jets Zonen zuzuweisen, damit sie bei Bedarf gleichzeitig wirken, sich aber nicht gegenseitig gefährden können. Dass es zu schneien begonnen hat und der Wind immer heftiger wird, registriert keiner. „Achtung, 5 feindliche Schützen erkannt! Koordinate 35557-79204!“ melden die Aufklärer. Vom wolkenverhangenen Himmel ist lauter werdendes Grummeln zu hören. Gespannt beobachten die Männer den Funker, der mit der eigenen Führung in Verbindung steht: „Feuerfreigabe!“ Schon wird wieder eifrig gefunkt, geschrieben und mit Karten hantiert. Eines ist klargeworden: Die Verantwortung dieser Spezialisten ist immens – und sie beherrschen ihr Geschäft.