Heer
Übung Eiskristall 2022

Gebirgsjäger im Härtetest am Polarkreis

Gebirgsjäger im Härtetest am Polarkreis

Datum:
Ort:
Norwegen
Lesedauer:
3 MIN

Am Polarkreis in Norwegen haben im Februar zwei Kompanien des Gebirgsjägerbataillons 231 geübt. Unterstützt wurden sie von Teilen des Gebirgsjägerbataillons 232, des Versorgungsbataillons 8 und des Gebirgspionierbataillons 8, von Sanitätssoldaten aus Bischofswiesen, Mittenwald und Füssen sowie dem Hochgebirgsjägerzug des Gebirgsjägerbataillons 233.

Vier Skiläufer in Schneetarnanzügen ziehen einen Schlitten durch eine tief verschneite Landschaft.

Die Kälte und Einsamkeit der Landschaft am Polarkreis erschweren den Auftrag

Bundeswehr/Maximilian Schulz

Der Übungsplatz Ravatn liegt nahe der kleinen Ortschaft Overbygd, circa 40 Kilometer westlich der Stadt Bardufoss. Dort ist die Brigade Nord stationiert, die einzige Heeresbrigade der norwegischen Armee. Der Übungsplatz wird von Bergen mit Höhen von bis zu 1.430 Metern umschlossen. Flüsse, Seen und weite Höhenrücken durchschneiden die karg bewachsene Landschaft. Eisige Fallwinde sorgen für erhebliche Temperaturunterschiede. Im Hochwinter herrschen jenseits des Polarkreises Witterungsunbilden wie schnelle Wetterumschwünge, eisige Kälte und vieles mehr. Das zehrt an den Kräften.

Kälteschutz mit allen verfügbaren Mitteln

Zwei Soldaten in Schneetarnanzügen sitzen an einem kleinen Feuer hinter einem Schneewall.

Gebirgsjäger sind heute mit moderner Kälteschutzkleidung ausgestattet. Trotzdem müssen sie die Kunst beherrschen, ein Feuer zu entfachen und sich mit Zeltplanen, Schneemauern und Isolierfolien behelfsmäßige Schutzunterkünfte zu bauen.

Bundeswehr/Maximilian Schulz

Bei minus 24 Grad quetscht die eisige Kälte Reste von Feuchtigkeit aus der Luft, sodass es aus wolkenlosem Himmel zu schneien scheint. Die Kälte dringt in alle Poren, und wenn auch noch Wind hinzukommt, drohen Erfrierungen. Wie man sich dagegen zu schützen hat, wird in Biwaks immer wieder trainiert. „Seit den Tagen hier oben haben wir keine Krankmeldungen zu verzeichnen“, lobt Major Falko Heyne, Chef der 1. Kompanie. „Dies zeigt mir deutlich die hohe Motivation. Keiner hat sich gedrückt.“

Die Gebirgsjäger verfügen heute über moderne Bekleidung, die in Teilen an Expeditionsausrüstung erinnert. In den überschweren, dreilagigen Stiefeln gibt es kaum mehr kalte Füße. Wattierte Jacken und Hosen dämmen die Kälte. Mützen, Handschuhe und Socken, vielfach aus Merinowolle, und vieles mehr wurden auf die extremen Bedingungen im hohen Norden Europas abgestimmt. Der atmungsaktive Schneetarnanzug als äußerste Schicht bietet viele Taschen und Öffnungen und lässt seinen Träger optisch mit der Landschaft verschmelzen.

Sprung ins eisige Wasser

Ein nasser Soldat zieht sich an zwei Skistöcken aus einem Eisloch. Ein zweiter sichert ihn.

Der berühmt-berüchtigte „Eissprung“ bereitet auf ein unerwartetes Einbrechen in ein zugefrorenes Gewässer vor

Bundeswehr/Maximilian Schulz

Doch was macht ein Soldat, der durch eine tauende Eisschicht bricht und in das fast null Grad kalte Wasser fällt? Zur Vorbereitung auf eine solche Situation haben die Gebirgsjäger eine Ausbildung entwickelt, die als „Eissprung“ mittlerweile allen Insidern bekannt ist. Mit der Kettensäge wird ein Loch in die Eisdecke eines Gewässers gesägt. Der Soldat, nur mit dem Feldanzug bekleidet, wärmt sich vorher durch Bewegungsübungen auf. Auch das Adrenalin tut seine wärmende Wirkung, wenn das Sicherungsseil angebracht wird und der Leitende sagt: „…ein kleiner Schritt für dich und ein großer für wen auch immer!“

Dann springt der Soldat hinein. Tausend Nadeln scheinen den Körper zu durchbohren. Es gilt den ungeheuren Kälteschock zu überwinden, einen klaren Kopf zu behalten und mit Skistöcken den eisigen Rand zu überwinden. Das Sicherheitspersonal ist stets hoch konzentriert und hilft mit leichtem Zug am Sicherungsseil. Aus dem Wasser gekommen, greift der scharfe Wind den Körper an. Blitzschnell wälzt sich der Soldat im Pulverschnee, der die Feuchtigkeit aufnimmt und den Körper isoliert, bis er am Fahrzeug ankommt und sich umziehen kann.

Training unter extremen Bedingungen

Ein Soldat sitzt in einer Schneelandschaft hinter einem Maschinengewehr. Ein zweiter steht daneben.

Bei der Schießausbildung muss Schnelligkeit mit Treffsicherheit einhergehen. Um mit den extremen Bedingungen fertig zu werden, ist Improvisationstalent gefragt.

Bundeswehr/Thomas Heintz

Die Tage in Norwegen sind mit Biwaks, Skimärschen, Schießen und Ausbildungsstationen ausgefüllt. Beim Gruppengefechtsschießen auf dem Hochplateau der Schießbahnen werden junge Soldaten der 4. Kompanie auf Skiern in einen Feuerkampf verwickelt. Schritt für Schritt werden sie an die komplexen Bewegungsabläufe herangeführt. „Gebirgsjäger gibt es nicht von der Stange. Sie wachsen langsam, und das dauert. Und dieses Wachstum endet nie…“, bemerkt ein älterer Stabsfeldwebel und Reservist.

Unter extremen Bedingungen ist ein hohes Maß an Improvisation gefragt. So wird beispielsweise die Lafette des Maschinengewehrs MG5 mit kleinen Holzstämmen auf einer Universaltrage festgezurrt, um es schnell bewegen und doch treffsicher schießen zu können. Durch die Verwendung von Leuchtspurmunition können die Soldaten ihre Trefferlage beobachten und verbessern.

Beförderung als Ansporn

Ein Soldat im Schneetarnanzug überreicht einem zweiten eine Urkunde, ein dritter Soldat schaut zu.

Patrik Schiedhelm (M.) wird mitten im Übungsbetrieb von Brigadegeneral Maik Keller (r.) zum Oberfeldwebel befördert

Bundeswehr/Thomas Heintz

Brigadegeneral Maik Keller, Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23 „Bayern“, besuchte die übende Truppe für fünf Tage. Nach einem Überblick und persönlichen Gesprächen lässt er sich in das Schießen einweisen, nimmt am „Eissprung“ teil und begleitet die Truppe mit Skiern und Skipulk. Auch eine Beförderungsurkunde hat er als Überraschung im Gepäck. Der Kommandeur zeigt sich beeindruckt von der hohen Motivation der jungen Soldaten. Trotz der großen Belastung, die Ausbilder und Soldaten manches Mal über die Leistungsgrenzen hinausführte, war die Stimmung in der Truppe gut. Die graue, fast schon trist zu nennende Landschaft mit ihrer Kälte und ungeheuren Weite faszinierte immer wieder aufs Neue.

von Thomas Heintz

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