Heer
Training auf zwei Ebenen

Fliegerleitoffizier: Nichts für schwache Nerven

Fliegerleitoffizier: Nichts für schwache Nerven

Datum:
Ort:
Munster
Lesedauer:
4 MIN

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Als Fliegerleitoffiziere führen die Joint Terminal Attack Controller (JTACJoint Terminal Attack Controller) die Waffen der Luftfahrzeuge sicher und effizient ins Ziel. Während laufender Gefechte steuern sie am Boden ihren Waffeneinsatz, weisen Ziele zu und unterstützen damit die Kampftruppe am Boden. Für sie sind die JTACs damit manchmal die letzte Chance, im Gefecht zu überleben.

Ein Soldat steht hinter einer Betonwand und blickt durch ein Fernglas.

Die Übung Stoneage ist jedes Jahr eine wichtige Gelegenheit für Fliegerleitoffiziere, ihre wertvolle Fähigkeit zu festigen. Im Gefecht koordinieren sie den Einsatz von Luftunterstützung.

Bundeswehr/Sebastian Günther

Eins steht fest: Der kleinste Fehler kann für Fliegerleitoffiziere fatale Folgen haben. Mit der Übung Stoneage in Munster bilden sich daher JTACs aus der gesamten Bundeswehr und internationaler Streitkräfte weiter und festigen ihr Können. „JTACs müssen stressresistent und körperlich fit sein. Ihr Kopf muss frei sein, das Handeln flexibel. Ihre Ausbildung ist nur das erste Werkzeug im Toolkasten. Erst wenn sie ständig üben und sich stetig weiterbilden, sind sie effizient“, sagt Oberstleutnant Tim E. vom Verbindungskommando Luftwaffe bei der Panzerlehrbrigade 9 „Niedersachsen“. E. weiß, wovon er spricht. Im März leitete der Soldat, der selbst JTACJoint Terminal Attack Controller und -Evaluator (Gutachter) ist, die 1. Rotation der Übung Stoneage 2023 auf dem Truppenübungsplatz Munster Süd. Die Weiterbildung der Fliegerleitoffiziere erfolgt jedes Jahr in mehreren Durchgängen. Dennoch ist sie etwas Besonderes. Sie ist bundeswehrübergreifend und zudem international aufgestellt: Kampfschwimmer, Fallschirmjäger, Angehörige der Panzerlehrbrigade 9, aber auch Kameradinnen und Kameraden aus Dänemark und dem Vereinigten Königreich nutzen in der Heide die Möglichkeit, ihr Können im Bereich von Luftnahunterstützung, auch Close Air Support (CAS) genannt, zu verbessern. Mit der Übung erhalten die Fliegerleitoffiziere zudem ihre wertvolle und mühsam erarbeitete Lizenz.
In die Übung wird auch auch die medizinische Evakuierung von Verwundeten per Lufttransport, genannt MedEvacMedical Evacuation, integriert. Dazu wurden extra zusätzlich Heeresfliegerkräfte vom Transporthubschrauberregiment 10 aus Faßberg mit ihren Mehrzweckhubschraubern NHNATO-Helicopter-90 eingebunden.

Elektronische Kampfführung für Angriffsdaten

Wiederholt mit dabei: Spezialistinnen und Spezialisten für Elektronische Kampfführung (EloKaElektronische Kampfführung) von der 3. Kompanie des EloKaElektronische Kampfführung-Bataillons 931 aus Daun. Sie gehören weder zum Heer noch zur Luftwaffe, sondern zum noch recht jungen Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum (CIRCyber- und Informationsraum). „Die Integration von EloKaElektronische Kampfführung in die Streitkräftegemeinsame Taktische Feuerunterstützung steckt noch in den Kinderschuhen. Sie muss durch intensivere Zusammenarbeit und Übungen ausgebaut werden“, erläutert Oberstleutnant E. Die Integration macht JTACs resilienter und effektiver. Warum? EloKaElektronische Kampfführung-Systeme sind in der Lage, gegnerische Funksignale aufzuklären und diese den JTACs als Koordinaten zur Verfügung zu stellen. Nach der Verifikation der Daten durch ein Flugzeug folgt dann die Luftnahunterstützung, also der Waffeneinsatz aus der Luft. Damit stärkt die EloKaElektronische Kampfführung die Streitkräftegemeinsame Taktische Feuerunterstützung in besonderem Maße.

Was JTACs und Piloten zusammen leisten müssen

Ein Flugzeug fliegt in geringer Höhe bei blauem Himmel.

Bei der Übung Stoneage 23 fliegen PA-200 Tornados des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 aus dem rheinland-pfälzischen Büchel und Eurofighter vom Taktischen Luftwaffengeschwader 73 aus Laage

Bundeswehr/Heinrich Ebel

Im Gefecht liefern JTACs strukturierte Präzisionsarbeit unter enormem Druck. Doch wie meistert man diese Herausforderung? Sie müssen sich präzise an festgelegte Verfahren und Formate halten, auch in der Gefechtssituation unter Stress und Gefahr. Die gesamte Kommunikation ist immer klar definiert. Beispielsweise sind die Zielbeschreibungen, die der JTACJoint Terminal Attack Controller gibt, immer auf Englisch zu übermitteln. Sie sind in hohem Maße standardisiert, damit keine Missverständnisse entstehen. Koordinaten müssen genau generiert werden und absolut fehlerfrei sein – ab dem ersten Tag in dieser Funktion. Um das zu meistern, durchlaufen die JTACJoint Terminal Attack Controller-Anwärter eine komplexe Ausbildung in der deutsch-französischen JTACJoint Terminal Attack Controller-Schule bei Nancy in Frankreich. Auf drei Wochen Theorie mit ersten Übungen an Simulatoren folgen zwei Wochen Basistraining. Hier erfolgen die ersten sogenannten Live-Missions mit echten Luftfahrzeugen. Im Advanced-Training stehen dann erstmals taktische Lagen an. Verpflichtend ist zudem eine Englisch-Zusatzausbildung: Sämtliche CAS- und flugfachspezifische Terminologien müssen beherrscht werden.

Aber auch den Piloten im Luftfahrzeug wird viel abverlangt, wie beispielsweise ein herausragendes Situationsbewusstsein, Situational Awareness genannt. Sie müssen sich blitzschnell in die Lage der Bodentruppen hineinversetzen können. Die Luftnahunterstützung bei der Übung Stoneage 23 wurde beispielsweise durch PA-200 Tornados des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 aus dem rheinland-pfälzischen Büchel und Eurofighter vom Taktischen Luftwaffengeschwader 73 aus Laage geflogen. Stoneage ist auch für die Luftfahrzeugbesatzungen eine kleine fliegerische Herausforderung, denn es steht ihnen nur ein begrenzter, kompakter Luftraum über der Schießbahn zu Verfügung. Dies erhöht noch einmal die beim CAS ohnehin schon hohen Anforderungen an die Situational Awareness des Piloten. Jederzeit muss er sich über seine Fluglage, den Kurs, die eigene Bedrohungslage und die Lage der Truppe am Boden zu 100 Prozent im Klaren sein.

Starke Verbindung zwischen Heer, Luftwaffe und CIRCyber- und Informationsraum

Aus Sicht von Oberstleutnant E. ist das Verbindungskommando Luftwaffe gut in die Panzerlehrbrigade 9 integriert und in die Arbeitsprozesse involviert. Auch sein Fazit zur ersten Rotation der Übung fällt positiv aus: „Das Übungsdesign war auf die Weiterbildung der Fliegerleitoffiziere ausgelegt. Die JTACs haben hier einiges mitgenommen. Das gilt insbesondere für die Zusammenarbeit mit der EloKaElektronische Kampfführung vom CIRCyber- und Informationsraum. Das war für viele eine neue Erfahrung“, bewertet der Fachmann.
Auch künftig werden die Übungen zur Streitkräftegemeinsamen Taktischen Feuerunterstützung weiter ausgebaut. Noch in diesem Jahr findet bereits der zweite Stoneage-Durchlauf statt. Auch dieser Durchgang wird ohne Kampftruppe, dafür aber mit Artillerie im Livebetrieb stattfinden. Oberstleutnant E. bedauert dies. Seine Botschaft: „Die Integration von Kampftruppe und Unterstützungskräften ist eine Aufgabe, an der wir ständig arbeiten müssen. Ein effektiver JTACJoint Terminal Attack Controller muss den Führer vor Ort qualifiziert beraten können. Dazu muss er verstehen, wie dieser denkt und handelt. Auch muss er Geschwindigkeit, Bedarfe und Kampfweise einer Panzer- oder Grenadierkompanie verstehen und ihre Handlungen antizipieren können. Das sollte mit Volltruppe geübt werden.“ 2024 könnte es wieder soweit sein: Geplant sei ein wesentlich größerer Divisions-Übungsrahmen für die Koordinierungselemente der Streitkräftegemeinsamen Taktischen Feuerunterstützung, ebenfalls im Raum Bergen/Munster.

Die Übung Stoneage 2023

  • Zwei Soldaten stehen in einer Betonruine auf einem Übungsplatz.

    Im Gefecht muss der JTACJoint Terminal Attack Controller fokussiert bleiben. Macht er einen Fehler, etwa bei der Weitergabe von Koordinaten, kann dies fatale Folgen haben.

    Bundeswehr/Sebastian Günther
  • Ein Soldat blickt draußen auf eine Karte, die auf einem Betonklotz liegt.

    Für seine Tätigkeit nutzt der Fliegerleitoffizier verschiedene analoge und digitale Hilfsmittel

    Bundeswehr/Sebastian Günther
  • Ein Flugzeug fliegt in geringer Höhe bei blauem Himmel.

    Luftnahunterstützung, auch als Close Air Support bekannt, kann durch verschiedene Luftfahrzeuge erfolgen. Der JTACJoint Terminal Attack Controller ruft sie, wie beispielsweise diesen Tornado, bei Bedarf per Funk ab.

    Bundeswehr/Heinrich Ebel
  • Auf einer beigen Klettfläche stehen auf einem beigen Patch in Schwarz die Buchstaben JTAC.

    Die Abkürzung JTACJoint Terminal Attack Controller steht für Joint Terminal Attack Controller und bedeutet Fliegerleitoffizier

    Bundeswehr/Sebastian Günther
von Gilles Seifert

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