Taktisches Springen bei völliger Dunkelheit
Taktisches Springen bei völliger Dunkelheit
- Datum:
- Ort:
- USA
- Lesedauer:
- 6 MIN
Wie komme ich in einem Kriegsszenario tief ins Feindesland, ohne gesehen zu werden? Eine Möglichkeit ist der Einsatz mit einem Fallschirm: auf Reiseflughöhe aussteigen und dann im Schutz der Dunkelheit viele Kilometer unerkannt zum Zielgebiet gleiten. Doch dieses Verfahren ist nicht ganz ungefährlich und muss ständig von den Soldaten trainiert werden.
Das Jahr 2025 ist nur wenige Tage alt, da machen sich der Fallschirmspezialzug des Fallschirmjägerregiments 31 und die Fernspäher auf den Weg nach Arizona in den USA. Getreu dem Motto der Division Schnelle Kräfte „weltweit – jederzeit – einsatzbereit“ zeigen beide Einheiten, wie sehr sie sich auf mögliche Einsätze vorbereiten und für den Schutz Deutschlands ihr Bestes geben.
Der Auftrag der Fernspäher besteht darin, Aufklärungsergebnisse im Gebiet des Feindes zu beschaffen. Oft sind sie mehrere Tage auf sich allein gestellt und von der Außenwelt abgeschnitten. Dafür müssen Nahrung, Wasser, Waffen, Munition und natürlich alle Mittel für die Aufklärung transportiert werden. So werden die Rucksäcke schnell randvoll und wiegen oft mehr als 50 Kilogramm.
Mit diesem schweren Gepäck und unter Feinddruck können zu Fuß keine großen Strecken pro Tag zurückgelegt werden. Aber bei sehr guten Bedingungen können die voll ausgerüsteten Spezialisierten Kräfte mit einem Fallschirm bei optimalen Bedingungen viele Kilometer in der Luft zurücklegen, ohne viele Spuren zu hinterlassen.
Die Fallschirmspezialzüge haben die gleiche Vorgehensweise bis zu ihrem Zielpunkt. Sie sind verantwortlich für die Erkundung der Landezonen für Flugzeuge oder Absprungzonen für nachrückende Fallschirmjäger. Sie sammeln so viele Informationen wie möglich vor Ort – von Wetterdaten bis hin zu Informationen über die Infrastruktur und den Gegner im Zielgebiet.
Weil sich der Weg bis zum Ziel für die Fernspäher und Fallschirmjäger sehr stark ähnelt, trainieren sie oft zusammen. So können Erfahrungen ausgetauscht und organisatorische Aufwände sowie Kosten damit minimiert werden.
Warum Arizona in den USA?
Besonders im Winter sind die Wetterbedingungen in Europa und in Deutschland sehr instabil. Dagegen herrschen in Arizona das ganze Jahr über optimale klimatische Verhältnisse. Hinzu kommt, dass die Fallschirmjäger und Fernspäher in den USA durch die Abgeschiedenheit des Flugplatzes und die damit verbundene Ruhe die besonderen Verfahren ungestört üben können. Der Absetzplatz ist direkt am Flugplatz gelegen, sodass kurze Umlaufzeiten möglich sind. Zudem stellt das Gastland bei einem kurzfristigen Ausfall der Luftfahrzeuge schnellen Ersatz bereit.
Rings um den Absetzplatz sind mehrere Ausweichlandezonen vorhanden, falls nicht alles nach Plan funktioniert. So haben die Soldaten im Trupp die Möglichkeit, bei einer Änderung der Situation durch Umwelteinflüsse oder einer Fehleinschätzung immer noch sicher zu landen. „Sollte ein Springer die Landezone nicht ganz erreichen, wird der Ablauf des Sprungs genau analysiert, um daraus zu lernen. Unser Motto ist ‚Üben übt‘. Genau deshalb sind wir hier, um auch die jungen Truppführer auf einen hohen Ausbildungsstand zu bekommen“, sagt der Freifallbeauftragte des Fallschirmjägerregiments 31.

Die Soldaten springen in 3.650 Meter Höhe aus der Maschine. Schnell hintereinander verlässt jeder Einzelne des Trupps das Flugzeug, damit alle möglichst dicht zusammenbleiben.
Bundeswehr/Sven Fischer
Mit Sauerstoffausstattung und Gepäck geht es schnell Richtung Erdboden. Weil Gepäck oder auch Kisten mitgenommen werden müssen, die deutlich über 50 Kilogramm wiegen, springt hier ein Soldat mit einem Drogue (Bremsfallschirm).
Bundeswehr/Markus MaderDie Ausrüstung
Der Fallschirmsprungeinsatz erfordert eine besondere Ausrüstung. Diese umfasst neben dem Fallschirm, eine Kälteschutzausstattung, einen Höhenmesser, den Navigationsträger, eine Funkausstattung, eine Schutz-/Sprungbrille, eine Nachtsichtbrille, die persönliche Ausrüstung und die Waffen. Nicht selten müssen auch Scharfschützengewehre, Panzerfäuste oder andere große Gerätschaften bei dem Sprung mitgenommen werden.
Was der Fallschirmspringer zum Kämpfen und Leben benötigt, befindet sich in seinem bis zu 50 Kilogramm schweren Sprunggepäck. Das trägt er am Gurtzeug des Fallschirms vor seinem Bauch. Mit dieser Ausrüstung beginnt der Soldat nach der Landung dann seinen Auftrag.
Darüber hinaus muss für den Sprungeinsatz über 3.650 Meter Höhe zusätzlich Sauerstoff mitgeführt werden, den die Soldaten inhalieren. Daher tragen die Spezialisierten Kräfte auch eine Atemmaske und eine Sauerstoffflasche für den Absprung und die darauffolgende Gleitphase.
Selbst Skier mitzunehmen, ist kein Problem. Doch mit knapp zwei Meter langen Latten aus einem Flugzeug zu springen und im freien Fall die Kontrolle zu behalten, muss definitiv trainiert werden. Auch das ist ein Übungsabschnitt für die Fernspäher in Arizona. Denn bereits in wenigen Tagen geht es für viele von ihnen zur Arktisausbildung nach Nordeuropa.
Königsdisziplin – der Nachtsprung
Die Königsdisziplin ist das Springen in völliger Dunkelheit. Dafür stehen alle null Uhr auf, damit die ersten Trupps voll ausgerüstet gegen zwei Uhr in der ersten Maschine sitzen. Wer unbemerkt im Schutz der Dunkelheit viele Kilometer mit einem Fallschirm über Dörfer hinweg durch die ruhige Nacht gleiten will, muss einige Entbehrungen in Kauf nehmen. Auf über 5.000 Meter Höhe herrschen um diese Zeit etwa minus 20 Grad Celsius. Trotz der frühen Uhrzeit ist hier keiner müde. Alle sind hellwach, denn bei diesen Bedingungen darf nichts schiefgehen.
Das Sehfeld der Fallschirmspringer ist durch das Nachtsichtgerät deutlich eingeschränkt. In den verschiedenen Luftschichten herrschen unterschiedlich starke Winde, die auch aus teilweise unterschiedlichen Richtungen kommen. Dadurch ist es nicht immer einfach, sein geplantes Ziel zu erreichen. Aber dank der Ausbildung und dem aktuellen Stand der Technik kommen fast alle immer an ihrem vorab geplanten Ziel an.
Zur Berechnung des ganzen Sprunges nutzt der Ausbildungsleiter oder der Einsatzoffizier beispielsweise eine Softwarelösung namens HEIDISEvaluated Intelligent Drop Infiltration System (Evaluated Intelligent Drop Infiltration System). Damit werden den Trupps die nötigen Daten für den Fallschirmsprung zur Verfügung gestellt. Mithilfe dieser Software können innerhalb von wenigen Minuten alle Rahmenparameter eines Sprungs eingegeben und der Sprung physikalisch korrekt berechnet werden. Doch fliegen müssen die Soldaten immer selbst, das kann noch kein System übernehmen.
Generale vor Ort
Durch das kontinuierliche Üben aller taktischen Abläufe war es möglich, einen hohen Ausbildungserfolg zu erreichen. Die Dienstaufsicht durch den stellvertretenden Divisionskommandeur, Brigadegeneral Ulrich Ott, und den Kommandeur der Luftlandebrigade 1, Brigadegeneral Andreas Steinhaus, zeigt, wie wichtig diese Ausbildung in den USA ist. Nicht umsonst trainieren auch viele Spezialkräfte mehrerer NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten über viele Jahre schon an ähnlichen Ausbildungsstätten in den Vereinigten Staaten. Beide Generale erhielten einen detaillierten Einblick in die aktuellen Verfahren dieser Hochwertausbildung, indem sie selbst einzeln oder in einem Tandemsprung kurzzeitig an den Übungen teilnahmen.
„Durch diese Sprungfähigkeit mit Sauerstoff und Ausrüstung im Trupp ergeben sich neue taktische Einsatzmöglichkeiten, um sich bei einem Vorauskräfteeinsatz feindlicher Aufklärung zu entziehen. Mit insgesamt 348 Sprüngen, davon 146 bei Nacht, haben sich die Männer Handlungssicherheit antrainiert, darauf bin ich stolz“, sagte der Kommandeur des Fallschirmjägerregiments 31, Oberst Maik Münzner, abschließend.