Fallschirmjäger greifen an
Fallschirmjäger greifen an
- Datum:
- Ort:
- Australien
- Lesedauer:
- 4 MIN
Ein ungewohntes Bild: Deutsche Fallschirmjäger mit Sturmgewehr, Panzerfaust und Granatmaschinenwaffe liefern sich im trockenen und unwegsamen Buschland Australiens zusammen mit weiteren Nationen das Übungsgefecht – ein Kampf bei Tag und Nacht, ohne Unterbrechung. So lief das kräftezehrende Gefecht, der Höhepunkt der multinationalen Übung Talisman Sabre 2023.
Es ist morgens, halb sieben in der Zeltstadt auf dem Übungsplatz bei Townsville. Beim Blick aus dem Zeltfenster scheint bereits die Sonne durch die Eukalyptusbäume am Horizont. Die Tarnfarben für den Kampf im Buschland sind angelegt, die Waffen sind vorbereitet. Heute beginnt für die Fallschirmjäger aus Seedorf die intensive Gefechtsübung. Sie ist der Höhepunkt der multinationalen Übung Talisman Sabre in Australien, an der insgesamt bis zu 30.000 Soldatinnen und Soldaten beteiligt sind.
Integriert in ein amerikanisches Bataillon, sollen die deutschen Luftlandekräfte eine Angriffsoperation ausführen. Dabei sollen sie gemeinsam mit Australiern und Amerikanern mehrere Angriffsziele einnehmen und später von erhöhten Punkten im Gelände aus verteidigen. Eins steht fest: Die Operation wird gewiss eine Herausforderung, selbst für die internationalen, kampferfahrenen Kräfte: Koordinierung im multinationalen Rahmen, das Ganze in unwegsamem Gelände. Hinzu kommen die Wetterbedingungen, die von brennender Hitze bis zu extremen Regenfällen und nächtlicher Kälte reichen sowie die natürlichen Gefahren, die im Buschland lauern.
Der Marsch in den Verfügungsraum AAAuswärtiges Amt-Noble
AAAuswärtiges Amt-Noble – so heißt der Verfügungsraum der Brigade, mitten im Nirgendwo. Das AAAuswärtiges Amt ist eine englische Abkürzung für Assembly Area. Heute werden die Soldaten auf australischen Transportfahrzeugen, ausgestattet mit Personentransportmodulen, vom Camp bis zu diesem Punkt im Gelände gebracht. Am Abend fallen zwei Fahrzeuge aus. Sie fahren sich im losen Sand eines Flussbetts fest. Die Kompanie muss jetzt improvisieren und verlegt die zweite Welle mit Soldatinnen und Soldaten erst am nächsten Morgen. Nur eine Nacht bleiben die Kräfte in der AAAuswärtiges Amt-Noble. Sie übernachten unter einfachsten Verhältnissen auf dem Boden. Jeden Moment könnte der Feind angreifen. Deshalb bilden sie die sogenannte Eigensicherung, also eine Art Verteidigungsformation, mit der sich die Kräfte über die Nacht hinweg schützen.
Dann, am nächsten Morgen, geht es weiter in den Verfügungsraum AAAuswärtiges Amt-Gerard. Von da aus beginnt der eigentliche Angriff. In der Dämmerung, gegen 18 Uhr, setzt die Kompanie zunächst eine Gefechtsaufklärung an. Zusätzlich marschiert der Delta-Zug los. Diese Teileinheit verfügt über schwere Waffen wie die Granatmaschinenwaffe, die von den Soldaten auf dem Rücken getragen wird. Der Delta-Zug wird deshalb auch Schwerer Zug genannt. Mit den Waffen wollen die Deutschen die Höhen gewinnen, von denen aus sie das umliegende Gelände überwachen können. Ein taktischer Vorteil. Die restliche Kompanie startet um 21 Uhr. Ein kräftezehrender Marsch durch die Nacht beginnt. Das Ziel: Am Folgetag wollen sie bis circa 5 Uhr die Sturmausgangsstellung erreichen, um von da aus insgesamt drei Angriffsziele anzugreifen. Anschließend wollen die Deutschen aus Auffangstellungen den ausweichenden Feind zerschlagen.
Angriffsziele: Flugfeld, Ortschaften und Gebäude
Um 5 Uhr sind die taktischen Voraussetzungen durch benachbarte Kräfte noch nicht geschaffen. Deshalb beginnt der gemeinsame Angriff auf Ziel 1 erst um 10.30 Uhr. Ein Flugfeld muss genommen werden – eine Gefahr, denn das riesengroße, offene Gelände bietet den angreifenden Infanteristen wenig Deckungsmöglichkeiten. Trotzdem gelingt es den Fallschirmjägern, das Flugfeld einzunehmen. Nun sind sie gezwungen, die von der Bataillonsführung vorgegebenen Koordinierungslinien einzuhalten, sprich: nicht weiter Richtung Süden anzugreifen, um den Zusammenhang des gesamten Gefechtes nicht zu gefährden. Der Feind nutzt die Situation und belegt die deutschen Stellungen prompt mit Steilfeuer aus Mörsern. Der australische Übungsgegner zeigt damit hohe Professionalität und Reaktionsfähigkeit.
Parallel haben die amerikanischen Kräfte den Angriff auf Ziel 3, eine Ortschaft, erfolgreich ausgeführt. Jetzt beginnt für die Deutschen der Angriff auf Ziel 2 – das letzte Zwischenziel des Bataillons. Ziel 2 ist ebenfalls eine Ortschaft mit rund 30 Gebäuden. Dieses müssen die Deutschen auf sich gestellt einnehmen; mit nur einer Kompanie, es gibt schon erste Verluste.
Video: Fallschirmjäger greifen an
Passen Sie jetzt Ihre Datenschutzeinstellungen an, um dieses Video zu sehen
Dieser Auftrag ist eine Hausnummer für die Einheit. Normalerweise wird ein ganzes Bataillon mit deutlich mehr Soldatinnen und Soldaten damit betraut. In der Ortschaft wartet der Feind, der sich sechs Tage zur Verteidigung einrichten konnte. Mehrere Schützenpanzer mit 30-mm-Bordkanonen setzen den deutschen Infanteristen zu: „Diese haben uns ordentlich Feuer gegeben“, berichtet ein Soldat nach dem Gefecht um das Zwischenziel.
Harte Nummer: Kämpfen im Buschfeuer
Der Angriff ist daher extrem verlustreich. Jedoch gelingt es der Kompanie bis zum Ende des Tages, die gesamte Ortschaft einzunehmen. Sie haben das Gefecht im Outback gemeistert und den Auftrag des Bataillons erfüllt. „Hier ging es ganz gut ab“, beschreibt ein weiterer Soldat. „Es hat überall gebrannt. Es lag Buschfeuer. Dann haben wir durchs Feuer angegriffen. Das war eine richtig wilde Nummer“, beurteilt der Infanterist die Situation im Rückblick.
Die Übung Talisman Sabre ist eine absolute Besonderheit, denn sie wird auf Divisionsebene, mit zwei Brigaden im Angriff, nebeneinander, durchgeführt. „Die gesammelten Erfahrungen sind für die Truppe sehr wertvoll“, ordnet der deutsche Kompanieeinsatzoffizier abschließend ein. Mit der Übung hat die Bundeswehr zudem gezeigt: Sie ist in der Lage, auch im Indo-Pazifikraum Soldatinnen und Soldaten einzusetzen, in diesem Fall integriert in einen amerikanischen Verband.