Vereidigung auf dem Übungsgelände
Vereidigung auf dem Übungsgelände
- Datum:
- Ort:
- Celle-Wietzenbruch
- Lesedauer:
- 4 MIN
Von Afrika bis zum Balkan und gerade auch wieder intensiv in Kabul: Auf der ganzen Welt sind Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz. Einige dieser Soldaten wurden im Feldwebel-/Unteroffizieranwärterbataillon 2 im niedersächsischen Celle ausgebildet. Eine nachfolgende Generation von Unteroffizieren wird jetzt vereidigt – nicht im Dienstanzug, sondern in Flecktarn auf dem Übungsgelände.
So sollte es eigentlich sein: Der Dienstanzug sitzt perfekt, aus den polierten Instrumenten schallt klassische Militärmusik. Während auf der Tribüne viele Gäste, stolze Eltern, aufgeregte Geschwister oder ältere Kameraden sitzen, marschiert die Formation vorbei. Dann leisten Hunderte junge Soldaten ihren Eid: „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“
Eine Vereidigung der angehenden Soldaten auf Zeit ist nicht nur ein Fest. Sie ist das gemeinsame Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Ein Zeremoniell, das die Soldaten in Celle wieder einmal ohne die Öffentlichkeit oder die Familienangehörigen begehen müssen. Erneut zwingt die Pandemie die Rekrutinnen und Rekruten, aber auch die Soldaten des Stammpersonals dazu, auf die Einladung von Familienmitgliedern, Vertreter der Patengemeinden und auf viele andere Gäste zu verzichten.
Unter Corona ist aber alles anders. Auch die jüngste Vereidigung funktioniert nur mit ausreichend Abstand, Mund- und Nasenbedeckungen und Selbsttestung. Es gibt kein Ein- und Ausmarschieren und kein Gesang. So ist es derzeit bei jedem militärischen Antreten. Diese Zeremonie wird für die Soldaten etwas ganz Besonderes.
Alles in Grün
Besondere Situationen bringen eben auch besondere Ereignisse mit sich, die es so sonst nicht gibt. Die jungen Rekruten haben schließlich trotz Corona eine angemessene und erinnerungswürdige Vereidigung verdient. Aus diesem Grund entschließt sich der Verband einen besonderen Ort zu wählen. Kurzerhand wird der Appell auf das Übungsgelände der Bundeswehr in Celle-Scheuen verlegt. Der sonst übliche Dienstanzug in Grau wird gar nicht erst aus dem Spind geholt. Denn noch kurz vor dem Appell sind die Soldaten nicht auf der Stube, sondern in der Ausbildung auf dem Übungsplatz – natürlich im Feldanzug. Im Anschluss werden die jungen Kameraden bei einem Feldgottesdienst auf ihre Vereidigung eingestimmt. In der Predigt lässt der Pfarrer seine eigenen Erfahrungen aus mehreren Auslandseinsätzen einfließen und bereitet so die Soldaten auf die feierliche Zeremonie vor.
Wenn der Spieß die Rede hält
Doch nicht nur der Ort ist das einzig Ungewöhnliche an diesem Tag. Normalerweise hallt bei einer Vereidigung die Stimme des Kommandeurs über den Platz. Auf dem Felde sieht es diesmal anders aus. Die Ehre, vor der Truppe die Vereidigungsrede zu halten, trägt diesmal der Kompaniefeldwebel, von der Truppe auch liebevoll Spieß genannt. Oberstabsfeldwebel Birko Hasselmann ist Kompaniefeldwebel der 1. Kompanie, seine Wurzeln liegen hier in der Region. Die Führung hat entschieden: Der Mann mit der goldenen Kordel ist mit seinen mehr als 33 Jahren Diensterfahrung genau der Richtige. Er weiß, worauf es ankommt, wenn man seinen Dienst als Unteroffizier oder Oberstabsfeldwebel leistet. Besonders bewegend sind für die Männer und Frauen seine Ausführungen über Herausforderungen in den Einsätzen, wie man aktuell deutlich an der Situation in Afghanistan sehen könne. Besonders hier, betont der Spieß, zeige sich die Bedeutung des treuen Dienens und der Tapferkeit, die in der Vereidigungsformel genannt seien und welche Auswirkungen sie im Ernstfall hätten.
Die goldgelbe Kordel
Was bedeutet der Name Spieß und warum trägt er eine goldene Schnur um die Schulter? Kompaniefeldwebel, wie Hasselmann, unterstützen den Kompaniechef in den Bereichen Personal, Führung, Betreuung und in vielen weiteren Angelegenheiten der Einheit. Da für diese verantwortungsvolle Position viel Diensterfahrung erforderlich ist, tragen die Spieße in der Regel den höchsten Dienstgrad der Unteroffiziere, den des Oberstabsfeldwebels. Um diesen herausgehobenen Dienstposten besonders kenntlich zu machen, trägt der Kompaniefeldwebel eine gelbe Schnur, die sogenannte Spießkordel. Sie besteht aus einem goldfarbenen Geflecht und wird vom Spieß um die rechte Schulter getragen.
Der Kompaniefeldwebel ist der erste Unteroffizier einer Einheit. Er gilt wegen seiner umfangreichen Unterstützung umgangssprachlich auch als „Mutter der Kompanie“ oder Spieß. Die Bezeichnung geht auf die im 19. Jahrhundert vom Feldwebel getragene Langwaffe, den Spieß, zurück. Der Spieß, als letzter Mann einer Einheit, trieb damit die Mannschaften und Unteroffiziere auf dem Gefechtsfeld an und sorgte dafür, dass kein Soldat zurückblieb.
Ab jetzt immer draußen?
Keine Feier, keine Gäste, kein Dienstanzug: Vor der Vereidigung hätte sich der Kommandeur des Feldwebel-/Unteroffizieranwärterbataillons 2, Oberstleutnant Peter Schröbel, sicherlich mehr für die Soldaten gewünscht. Er lässt aber bereits durchblicken: „Im letzten Quartal dieses Jahres planen wir eine Vereidigung, die wieder in der Öffentlichkeit und vor allem im Beisein unserer Familien stattfindet.“
Doch egal, ob auf dem Asphaltplatz oder im Gelände, was zählt ist die Atmosphäre und die Botschaft, die den Soldaten bei der Zeremonie vermittelt wird. Dazu trägt nicht nur die beeindruckende Rede des Kompaniefeldwebels bei. Auch der Sprecher der Rekruten, Tim Jasinski, nimmt die besondere Stimmung bei dem eher ungewöhnlichen Appell auf und spricht von Kameradschaft und dem Beginn ihrer Ausbildung vor wenigen Wochen. Der 26-Jährige berichtet, wie zwei Kameraden ihn während der Ausbildung gestützt hätten und hält fest: „In diesem Moment habe ich erlebt, was Kameradschaft bedeutet.“
Nach dem Appell im Felde ist für alle klar: Trotz Corona hat das Bataillon seinen Soldaten eine einzigartige Vereidigung geboten. Sie war würdevoll und angemessen, getragen durch bewegende Worte. Die Vereidigung wird ihnen deshalb nicht nur wegen der anschließenden „Tasse Bier“ im Felde in guter Erinnerung bleiben.