Die neue Härtewoche für den Einstieg ins KSKKommando Spezialkräfte
Die neue Härtewoche für den Einstieg ins KSKKommando Spezialkräfte
- Datum:
- Ort:
- Calw
- Lesedauer:
- 7 MIN
32 Bewerber sind zum Einstellungstest in den Schwarzwald gekommen. Diese Tage werden wohl die härtesten in ihrem Leben werden. Wer diesen Test erfolgreich durchläuft und ausgewählt wird, der darf die zweijährige Ausbildung zum Kommandosoldaten des Heeres beginnen. Wie viele bestehen das neue Verfahren und was sind die Neuerungen?
Jederzeit, weltweit und unter allen klimatischen Bedingungen nehmen Kommandokräfte ihren Auftrag wahr. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um offensive und verdeckte Operationen in einem sehr gefährlichen Umfeld, die der Geheimhaltung unterliegen. Das Kommando Spezialkräfte (KSKKommando Spezialkräfte) hat fünf Kernaufträge: deutsche Geiseln im Ausland befreien, Hochwertziele von strategischer oder operativer Bedeutung bekämpfen, Zielpersonen festsetzen, Schlüsselinformationen gewinnen und ausgewählte Partnerspezialkräfte im Ausland ertüchtigen.
Das Potenzialfeststellungsverfahren, kurz PFVPotenzialfeststellungsverfahren, ist der Aufnahmetest. Wer den besteht, der wird zur zweijährigen Ausbildung zum Kommandosoldaten zugelassen. Es ist nicht umsonst eines der härtesten Auswahlverfahren der Bundeswehr, denn später in der Ausbildung oder in den Einsätzen warten nicht selten extreme Belastungen auf diese Soldaten. Genau da muss jeder funktionieren, denn es geht um Leben und Tod. Und nur die Besten können solchen Belastungen standhalten.
Warum wurde der Einstellungstest umgestellt?
In den fast drei Jahrzehnten seines Bestehens hat das KSKKommando Spezialkräfte bei seinen zahlreichen Einsätzen ein großes Portfolio an Informationen und Erfahrungen gesammelt. Der Verband kann demnach präziser definieren, welches Potenzial ein Bewerber mitbringen muss. Im internationalen Vergleich gibt es mehrere Nationen, die ebenfalls bestrebt sind, ihre Auswahlverfahren anzupassen, da auch sie ähnliche Beobachtungen gemacht haben. Die individuelle Testung ermöglicht es, den Bewerber oder die Bewerberin und die individuelle Leistungsfähigkeit genauer unter die Lupe zu nehmen. Gleichzeitig wird im neuen Verfahren verhindert, dass sich ein geeigneter Bewerber durch viel Engagement aufreibt und sich ein ungeeigneter in der Gruppe versteckt. Somit wird durch die Einzeltestung Leistung belohnt und Fehlverhalten unmöglich gemacht.
Das neue Auswahlverfahren hat zwei Phasen:
Phase 1
In der Phase 1 bestimmen eine Woche lang Sporttests und computergestützte psychologische Auswahlverfahren den Tagesablauf der Soldaten. Für die Offiziere gelten im Bereich der kognitiven Leistungsfähigkeit höhere Maßstäbe bei den Computertests als für Mannschaftssoldaten und Unteroffiziere.
In der ersten Phase werden die körperliche Leistung und die Trainierbarkeit von benötigten Fähigkeiten überprüft. Außerdem müssen sich die Teilnehmenden mehreren psychologischen und kognitiven Testverfahren unterziehen. Diese werden durch den psychologischen Dienst des KSKKommando Spezialkräfte umgesetzt. Nur jene Bewerber, die das Potenzial haben, später zu den Besten zu gehören, werden zur nächsten Phase zugelassen.
Wer sich für die Laufbahn des Kommandosoldaten interessiert, der sollte beachten, dass für Mannschaftsdienstgrade ein Höchstalter von 32 Jahren und bei Unteroffizieren mit Portepee von 35 Jahren gilt. Bei Truppenoffizieren gilt der Dienstgrad Hauptmann (A11) als Grenze für die Zulassung zum PFVPotenzialfeststellungsverfahren. Die Grenzen stellen sicher, dass jeder erfolgreiche Bewerber innerhalb seiner Dienstgradgruppe einen Verwendungsaufbau im KSKKommando Spezialkräfte durchlaufen kann. Des Weiteren darf die Kaserne in Calw nur betreten, wer sicherheitsüberprüft ist. Die genauen Vorgaben erfahren die Bewerber oder der Bewerberin vorab vom Personalwerbetrupp KSKKommando Spezialkräfte.
Höhere Anforderungen in der ersten Phase
Allgemein gibt es jetzt höhere Mindestanforderungen bei Phase 1 als früher. Die Werte stützen sich auf statistische Daten und gewährleisten, dass jeder, der die Phase 1 bewältigt, eine realistische Chance hat, auch die folgenden Phasen zu bestehen. Das ist allerdings keine Garantie weiterzukommen, alles hängt von den weiteren Leistungen des Bewerbers ab.
Mindestanforderungen in Phase 1:
- 5 x 1000-Meter-Lauf mit 3 Minuten Intervallpause (maximale Dauer 4:30 Minuten, dann 4:20, 4:10, 4:00 und 3:50;
das bedeutet: In der 5. Runde muss der Bewerber am schnellsten laufen.) - Psycho-Motorik-Test (PMT): Hallenhindernisparcours mit anspruchsvollen koordinativen Aufgaben, dabei Verwundetentransport
- 7 Klimmzüge
- 20 Bauchaufzüge in 30 Sekunden
- 22 Liegestütze (Hand Release Push Ups) in 30 Sekunden
- 2 Minuten Sparring
- 200 Meter Kleiderschwimmen in 7:30 Minuten
- 20 Kilometer Marsch mit 20 Kilogramm Gepäck unter 3,5 Stunden
Vorbereitung auf Phase 2
Das frühere Zehn-Wochen-Programm wurde durch eine Vorbereitung in Eigenverantwortung ersetzt. Die Teilnehmenden müssen damit bereits in der Vorbereitung ein hohes Maß an intrinsischer Motivation und Eigenständigkeit zeigen, was wesentliche Charakterstärken für spätere Kommandosoldaten sind.
Die Bewerber können dabei auf einen individuellen Trainingsplan zurückgreifen, den die Sportlehrer des KSKKommando Spezialkräfte entwickelt haben. In der Entwicklung ist derzeit eine spezielle Applikation, die die angehenden Kommandosoldaten auf ihrem Weg bis in die Kommandokompanien und darüber hinaus begleiten. Diese App soll sicherstellen, dass die Kommandosoldaten mental und körperlich fit bleiben und optimale Leistung erbringen können. Hierfür besitzt das KSKKommando Spezialkräfte eine eigene Zelle (Human Performance System), die dafür verantwortlich ist.
Bewerbungsverfahren im April und Oktober
Das PFVPotenzialfeststellungsverfahren findet zweimal im Jahr statt – im April und Oktober. Dadurch kann der Bewerber den Zeitpunkt seiner Teilnahme so wählen, dass er sich optimal darauf vorbereiten kann. Die Phase 2 beinhaltet eine Härtephase. Diese außergewöhnliche Woche verlangt den Bewerbern physisch, aber insbesondere auch psychisch alles ab. Jeder kommt hier an seine individuelle Grenze. An verschiedenen Stationen, verteilt über eine Woche, wird das Potenzial der Teilnehmenden zur Ausbildung zum Kommandosoldaten festgestellt. Die Attribute, die hierzu nötig sind, müssen in einer gewissen Ausprägung bereits vorhanden sein. In der Basisausbildung gibt es keine Zeit mehr, diese zu trainieren. Im Vordergrund stehen neben Persönlichkeitsmerkmalen wie sozialer Kompetenz, die Lernfähigkeit von motorischen Mustern und die Koordination des Bewerbers.
Phase 2
Die PFVPotenzialfeststellungsverfahren beginnt am Sonntag mit der Anreise, Einschleusung und Belehrung der Teilnehmer. Es werden medizinische Daten erhoben, darunter der Blutzuckerspiegel, Puls und weitere spezifische Werte der Leistungsdiagnostik. Der Soldat wird mit einem Sender ausgestattet, um seine Geschwindigkeit und seinen Standort ständig verfolgen zu können. Ab sofort werden die medizinischen Daten rund um die Uhr überwacht, zur Sicherheit der Soldaten und zur Optimierung der Testung. Das geschieht in Zusammenarbeit mit der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität der Bundeswehr in München. Der Startschuss erfolgt am Montagmorgen. Ab jetzt heißt es: alles geben. Denn wie in Phase 1 gilt die Bestenauswahl. Der Bewerber und die Bewerberin weiß zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens, ob seine gezeigten Leistungen ausreichen, um zu bestehen. Die Auswertung erfolgt erst am Ende der Woche und dann erfahren die Teilnehmende, ob sie zur Ausbildung zugelassen werden oder nicht.
Für die Offiziere folgt dann noch im unmittelbaren Anschluss die Phase 3. Hier müssen die Offiziere vor allem ihre Führungsfähigkeiten in Extremsituationen unter Beweis stellen.
Das Ungewisse ist allgegenwärtig
Die Auswahl wird im Kern bestimmt durch die individuelle Performance des Bewerbers, seine Durchhaltefähigkeit und mentale Robustheit in unterschiedlichsten Situationen. Aufgaben unter Schlafentzug, Nahrungsknappheit, Zeitdruck, Dunkelheit, Kälte, Enge, im Wasser oder in der Höhe dürfen die Soldatin oder den Soldaten nicht aus der Ruhe bringen. Die Kombination aus physischer und psychischer Belastung über mehrere Tage hinweg kann einzig durch eine außerordentliche körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und einen absoluten Willen bewältigt werden. Für die Einschätzung der Belastbarkeit werden die Bewerber von erfahrenen Ausbildern und Psychologen rund um die Uhr begleitet, beobachtet und bewertet.
Inhalte der Testphasen ändern sich
In der Woche, die wir begleitet haben, besteht am Ende ein Drittel der Bewerber das Potenzialfeststellungsverfahren. Darunter sind Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade. Diese werden für die zweijährige Basisausbildung zum Kommandosoldaten zugelassen. Einer der erfolgreichen Absolventen, der das alte PFVPotenzialfeststellungsverfahren noch kannte, beschreibt es so: „Der neue Test ist nicht leichter, nur anders. Ich bin mental und körperlich an meine Grenzen gekommen und fühle mich nach mehreren Tagen danach noch immer komplett platt. Die Testreihe wurde sehr fair und seriös durchgeführt. Respekt und Anerkennung auch für all diejenigen, die bis zum Ende durchgehalten haben, deren gezeigte Leistung jedoch nicht gereicht hat.“
Die Inhalte der Phase 2 werden immer wieder verändert, um die Aussagekraft der Testungen zu gewährleisten. Es gelten klare Regeln: Wer die rote Karte zieht, um aufzugeben, wird für zwei Jahre gesperrt. Wer betrügt, wird sofort abgelöst und für immer vom Verfahren ausgeschlossen.
Eine umfangreiche Ausbildung folgt dem Test
Wer denkt, er hat es nun in das KSKKommando Spezialkräfte geschafft, der täuscht sich. Beim PFVPotenzialfeststellungsverfahren hat der Bewerber nur bewiesen, dass er das Potenzial hat, Kommandosoldat zu werden. Aber erst in der zweijährigen Ausbildung zeigt sich, ob er auch die Eignung besitzt.
Zur anspruchsvollen Ausbildung gehören zahlreiche Lehrgänge in verschiedenen Ländern. Als Grundhandwerkszeug lernen die Soldaten Schießen auf höchstem Niveau. Während einer mehrwöchigen Sanitätsausbildung werden die Grundlagen der taktischen Versorgung von Verwundeten vermittelt. Außerdem werden die Soldaten an verschiedenen Sprengstoffen ausgebildet. Selbst eine arktische Klimazonenausbildung in Nordamerika muss absolviert werden. Hier trainieren die Anwärter taktische Verfahren bei bis zu minus 40 Grad Celsius. Abseilen aus einem Hubschrauber der Spezialkräfte der Luftwaffe, wie auch das schnelle Anlanden werden in taktische Szenarien integriert. Ein weiterer Höhepunkt der Ausbildung ist der mehrwöchige Lehrgang über das komplexe Vorgehen im urbanen Umfeld. Wie stürme ich ein Gebäude, in dem der Geiselnehmer schon wartet, die Geisel aber unverletzt gerettet werden muss? Das ist nur eine von vielen Aufgaben, der sich die Auszubildenden stellen müssen.
Wer alle Module erfolgreich absolviert hat und die Abschlussübung besteht, auf den wartet eine feierliche Zeremonie. Deren Höhepunkt ist, wenn der Kommandeur des KSKKommando Spezialkräfte das Kommandoabzeichen den Absolventen an die Brust heftet. Ab diesem Moment gehört man wirklich zu den Besten – ein Ruf, der verpflichtet und berufslebenslang viel Selbstdisziplin und intrinsische Motivation abverlangt.