Deutschland und Frankreich – Infanterie interoperabel
Deutschland und Frankreich – Infanterie interoperabel
- Datum:
- Ort:
- Hammelburg
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Deutschland und Frankreich sind Leitnationen Europas. Nicht nur im zivilen Sektor verbindet sie viel. Auch ihre Streitkräfte sind eng miteinander verzahnt. So arbeitet die Infanterieschule Hammelburg mit ihrem französischen Pendant, der École de I'infanterie in Draguignan, bei der Führerausbildung zusammen. Ein Blick auf die Unterschiede und das Verbindende.
Brigadegeneral Michael Matz, General der Infanterie und Kommandeur der Infanterieschule, und Général de brigade Pascal Georgin, der Kommandeur der École de I'infanterie, pflegen eine enge Verbindung. Sie besuchen sich an den jeweiligen Schulen regelmäßig, nicht nur auf Ebene der Kommandeure und Ausbilder. Vor allem der Austausch unter den Auszubildenden beider Länder bringt die zwei Streitkräfte maßgeblich voran und lässt sie noch mehr zusammenrücken.
So sind gemeinsame Übungen in Deutschland und Frankreich bereits ein fester Bestandteil der deutschen und französischen Ausbildung zum Infanterieoffizier. Eine davon ist die Infanterieübung Dragoon im französischen Draguignan. Sechs Tage lang kämpfen sich deutsche und französische Infanteristen bei starker Hitze und Trockenheit mit schwerem Gepäck durch das Maurenmassiv Südfrankreichs. Immer wieder werden sie bei kleineren Gefechten auf die Probe gestellt.
Oberstleutnant Marc T.* ist deutscher Verbindungsoffizier an der französischen Infanterieschule. Er begleitet die Übung und bewertet die Beziehungen positiv: „Die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und französischen Streitkräften in meinem Verantwortungsbereich zeichnet sich durch eine sehr offene und freundschaftliche Atmosphäre aus. Mit Blick auf die deutsch-französische Führerausbildung bin ich sehr dankbar, dass wir nach der Neugestaltung der deutschen Offizierausbildung gemeinsam mit unseren französischen Freunden einen neuen Ansatz des Austausches unseres Führungsnachwuchses gefunden haben, der ein Fortbestehen der traditionell hervorragenden partnerschaftlichen Beziehungen zwischen der Infanterieschule und der École de I’infanterie ermöglicht.“
Zusammen ausbilden, zusammen kämpfen
Zwar vertreten alle NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitglieder dieselbe Doktrin, jedoch bestehen Besonderheiten bei den Streitkräften jeder Nation, so auch bei Deutschland und Frankreich. Befehlsschemata werden unterschiedlich interpretiert und angewandt. Es existieren eigene Vorgehensweisen in bestimmten Situationen, eigene Techniken, Taktiken und Verfahren (TTV). Auch die Strukturen weichen ab. Diese Unterschiede sind keineswegs schlecht. Die Verbündeten profitieren und lernen voneinander, überdenken die eigenen TTVs im Zusammenwirken.
Der deutsche Verbindungsoffizier beschreibt es wie folgt: „Das Kooperationsfeld Ausbildung bietet eine hervorragende Möglichkeit, die guten bilateralen Beziehungen zwischen unseren beiden Nationen zu pflegen, fortzusetzen und weiter zu vertiefen. Gezielte Ausbildungskooperationen und gemeinsame Übungen fördern die Verzahnung, also Interoperabilität, beider Armeen. Sie stärken das gegenseitige Vertrauen und dienen damit einer erfolgreichen und glaubwürdigen Landes- und Bündnisverteidigung.“
Das Deutsche Heer und die Armée de Terre, französisch für Landstreitkräfte, arbeiten bereits in vielen Bereichen zusammen. So ist beispielsweise die Deutsch-Französische Brigade eine wichtige Facette der bilateralen Zusammenarbeit. In ihr dienen deutsche und französische Soldatinnen und Soldaten.
Major Matthieu F.* ist der französische Verbindungsoffizier an der deutschen Infanterieschule. Ihm zufolge solle die gemeinsame Ausbildung langfristig dazu führen, dass eine Situation, in der sie als Verbündete gleichzeitig in demselben Gebiet agieren, zu einem echten Einsatz Seite an Seite werde und, wenn nötig, bis zum Kampf.
Verschiedene Ausbildungsmethoden
Gemeinsam den Auftrag erfüllen können, das ist das Ziel. Das heißt jedoch nicht, dass unter einer Führung unterschiedliche Aufträge nach Nationen getrennt ausgeführt werden. Es bedeutet, dass man sich als deutscher Soldat in einer französischen Patrouille unter gleichem Mandat wiederfinden kann. Dies erfordert Wissen darüber, wie die jeweils andere Nation agiert, wie beispielsweise Befehlsketten etabliert sind und welche Fähigkeiten beim anderen vorhanden sind. Allein das Wissen ist jedoch nicht ausreichend. Nur wenn man gemeinsam übt und die Gemeinsamkeit innerhalb der Ausbildung praktisch umsetzt, ergeben sich Wege, um zusammen die Mission zum Erfolg zu führen.
Zwei Armeen während einer Mission zu verzahnen, ist schwierig. Interoperabilität bereits in der Ausbildung zu erreichen, ist noch komplexer. Um gemeinsam ausbilden zu können, müssten viele Dinge synchronisiert werden, wie der französische Major erläutert: „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es auf beiden Seiten des Rheins viele Unterschiede in den Ausbildungsmethoden gibt. Die Ausbildungsstrukturen decken nicht immer dieselben Bereiche ab, und die Bedürfnisse unterscheiden sich manchmal. So werden beispielsweise in Frankreich für die Begleitung der Kampfpanzer im Gefecht keine Panzergrenadiere eingesetzt wie sonst in Deutschland üblich, sondern Infanteristen auf leicht gepanzerten Kampffahrzeugen.“
Unterschiedliche Flaggen, ein Ziel
Auch die Technik der Infanteristen, wie beispielsweise die Gefechtsfahrzeuge und Waffensysteme, weichen voneinander ab, so Major F. „Derzeit werden die Strukturen auf den Kampf mit einem neuen Modell des Gepanzerten Transport-Kraftfahrzeugs Boxer umgestellt. Somit ändert sich die Ausbildung der Infanterie und neue, in Deutschland nicht beschriebene Ausbildungsgänge entstehen.“ Die Karrierewege seien somit nicht immer vergleichbar. Es gebe auch starke Abweichungen bei den Vorschriften für das Schießen oder für die Gefechtsausbildung, erklärt der französische Verbindungsoffizier. „Es gilt also, Brücken zu bauen, um einen fairen Austausch zu ermöglichen und gegenseitig das Wissen zu verbessern, ohne dass auf Vorurteilen beharrt wird.“
„Jeder glaubt, das beste Werkzeug für seine Bedürfnisse zu haben, aber wir haben ein großes Interesse daran, uns direkt und bilateral auszutauschen, denn auch auf diese Weise werden die Voraussetzungen für Gegenseitigkeit und Vertrauen geschaffen“, so der Major, der sich in seiner Funktion täglich dafür einsetzt. Das unterstreicht die Bedeutung der Verbindungsoffiziere auf beiden Seiten. Gerade jetzt, denn „die aktuelle sicherheitspolitische Lage erfordert, dass wir noch enger zusammenrücken als bisher. Nur gemeinsam können wir wirksam abschrecken.“ „Dabei ist es gut zu wissen, dass wir es können, wenn wir müssen“, fasst Brigadegeneral Matz zusammen.
Abschließend führt Major Matthieu F. einen wichtigen Punkt an: „Die gemeinsamen Übungen ermöglichen es, vom jeweils anderen zu lernen. Vor allem geht es aber auch darum, die Kameradschaft zu stärken. Denn auch wenn wir unter unterschiedlicher Flagge kämpfen, gehören wir zusammen.“
*Namen zum Schutz der Soldaten abgekürzt.