Deutsch-französisches Offizier-Netzwerk für die Zukunft
Deutsch-französisches Offizier-Netzwerk für die Zukunft
- Datum:
- Ort:
- Straßburg
- Lesedauer:
- 10 MIN
„Vive l’amitié franco-allemande!“ Es ist eine Premiere in der deutsch-französischen Offizierausbildung: Erstmals kommen Absolventen des seit 15 Jahren erfolgreichen Programmes aus beiden Ländern für ein Alumni-Treffen in Strasbourg zusammen. Das Ziel: ein gemeinsames Netzwerk für die Zukunft schaffen.
Es soll eine Blaupause für zukünftige Veranstaltungen werden – das erste deutsch-französische Alumni-Treffen in Strasbourg. Die Ziele dabei sind klar formuliert: ein gemeinsames Netzwerk für alle Absolventen schaffen, das Austauschprogramm für zukünftigen Nachwuchs transparenter gestalten und die Zusammenarbeit beider Heere weiterentwickeln. Dafür kommen vom 28. bis 30. Juni zahlreiche Absolventen des bilateralen Offizieraustausches beider Streitkräfte in der französischen Stadt am Rhein zusammen. Vom Anwärter bis zum Ehemaligen, vom Fahnenjunker bis zum Major – sie alle verbindet vor allem eines: die deutsch-französische Freundschaft. Oberst Gregor Engels, Leiter des Hauptverbindungsstabes Frankreich und verantwortlich für das Event, versteht die Veranstaltung als Chance. „Das Treffen ist die Initialzündung für das Netzwerk aller Absolventen untereinander, unabhängig davon, ob es sich um einen Kameraden oder eine Kameradin im laufenden Programm handelt oder ob deren Ausbildung schon eine Weile zurückliegt.“
Fünf Jahre im Ausland
Das internationale Programm selbst wurde 2006 ins Leben gerufen und bietet seit 2007 für die Soldatinnen und Soldaten beider Nationen eine fünfjährige Ausbildung auf höchstem Niveau. Jährlich dürfen jeweils fünf Offizieranwärter der beiden Nationen auf die andere Seite des Rheins wechseln. So bewirbt das Ausbildungskommando des Deutschen Heeres die Offizierausbildung in Frankreich als „internationales Extra in Heeresuniform“. In Frankreich erwartet die deutschen Offizieranwärter nach der eigenen Grund- und Sprachausbildung zuallererst ein vielseitiges Masterstudium an der Eliteuniversität Ecole Spéciale Militaire de Saint-Cyr. Darüber hinaus erfahren sie eine professionelle und praxisnahe Ausbildung zum militärischen Führer und erleben anspruchsvolle Lehrgänge inklusive Fallschirmsprungausbildung, Gebirgskampftraining und ein Überlebenstraining im Regenwald von Französisch-Guyana. Bereichert durch eine fremde, militärische und zivile Kultur lernen die Absolventen die Sprache praktisch „im Vorbeigehen“. Vorausgesetzt werden Grundkenntnisse in der jeweiligen Sprache, das Interesse an fremden Kulturen sowie psychische und physische Durchhaltefähigkeit, aber auch die nötige intrinsische Motivation. Das Gleiche gilt für die französischen Absolventen des Programmes in Deutschland – auch ihnen wird alles abverlangt. Sie durchlaufen dieselben Ausbildungsabschnitte wie ihre deutschen Kameraden, von der Grundausbildung bis zur Offizierschule des Heeres. Am Ende winkt auch hier ein anerkanntes Masterstudium an einer der beiden Bundeswehruniversitäten.
Persönliche Beziehungen wiederbelebt
Fähnrich Kyra K. ist noch frisch in dem Programm und bereitet sich derzeit am Lycée Militaire de Saint-Cyr auf die französischen Offizierschule des Heeres vor: „Ich sehe das Alumni-Treffen in Strasbourg als Gelegenheit, um selbst deutsche Soldatinnen und Soldaten kennenzulernen, die das Programm bereits durchlaufen haben. Mich interessieren dabei ihre Ansichten und Erfahrungen. Besonders möchte ich wissen, wie sich die Ausbildung auf ihren folgenden Werdegang ausgewirkt hat.“ Oberleutnant Kurt Hartmann schließt in diesem Sommer die Ausbildung in Frankreich ab und freut sich ebenfalls auf das Treffen: „Mich interessiert insbesondere, welche Erfahrungen unsere französischen Kameraden, die ihre Ausbildung in Deutschland absolviert haben, wieder mit zurück in ihre Streitkräfte gebracht haben.“
Auch Hauptmann Franziska Scholz gehört als ehemalige Absolventin zu den Alumni. Die Teileinheitsführerin aus dem Bereich Operative Kommunikation ist erst im April aus Afghanistan aus dem Einsatz zurückgekehrt und ist in Strasbourg dabei: „Ich freue mich besonders, dass dieser Austausch stattfindet. Durch die Zeit in Frankreich sind viele Freundschaften entstanden. Doch durch die Trennung ist danach natürlich vieles eingeschlafen. Das Treffen hilft sehr, um diese Beziehungen wieder aufleben zu lassen.“ Der französische Leutnant Valentin studiert derzeit Bildungs- und Erziehungswissenschaften in Hamburg und freut sich besonders auf das Treffen mit den beiden Heereschefs: „Ich bin gespannt darauf, was der deutsche Inspekteur des Heeres und der CEMAT (der französische Heeresinspekteur, d. Red,) zu dem Programm zu sagen haben.“
Networking im multinationalen Umfeld
Die Idee für das gemeinsame Alumni-Treffen in der Stadt westlich des Rheins kommt von der deutsch-französischen Unterarbeitsgruppe Landstreitkräfte. Sie arbeitet im direkten Auftrag beider Inspekteure kontinuierlich an der Stärkung und Weiterentwicklung der Kooperation der Heere. Das Paradebeispiel für den gemeinsamen Ansatz ist hier die Deutsch-Französische Brigade aus Müllheim. Auch der Ort der Veranstaltung ist mit Blick auf die bilaterale Geschichte gut gewählt. Schon vor knapp 30 Jahren waren Deutschland und Frankreich die führenden Nationen und Initiatoren des 1992 in Strasbourg aufgestellten Eurocorps. Dank der beiden Partnerländer blickt das heute bestehende Corps, in dem Soldaten aus zehn Nationen zusammenarbeiten, auf eine langjährige Erfolgsgeschichte zurück. Entsprechend einfach fiel auch die Entscheidung, das erste Alumni-Treffen hier stattfinden zu lassen.
Der Kommandeur des Eurocorps, Generalleutnant Laurent Kolodziej, weiß um den symbolischen Wert des wechselseitigen Offizieraustausches, auch für die multinationale Zusammenarbeit insgesamt: „Die Möglichkeiten, sich von Anfang an zu kennen, militärische Kultur und Tradition zu teilen, ein gemeinsames Verständnis und gemeinsame Fähigkeiten zu entwickeln, gibt Ihnen ein unbestreitbares Fundament für eine kohärente, starke und dauerhafte militärische Kooperation auf allen Ebenen. Das gilt für Sie, aber auch für unser Eurocorps in Strasbourg. Multinationale Integration und Zusammenarbeit sind ein Garant für erfolgreiche Arbeit und letztlich auch für die europäische Sicherheit. Auch deswegen ist Ihr Austauschprogramm von unschätzbarer Wichtigkeit.“
Beide Heereschefs nehmen teil
Mehr als 50 Soldatinnen und Soldaten, alles Absolventen des Programms, folgen dem Aufruf der eigenen deutsch-französischen Community zum gemeinsamen Networking. Während für die Alumni der multinationale Erfahrungsaustausch, das Kennenlernen und Kontakte knüpfen im Vordergrund stehen, bietet das Event auch die Möglichkeiten zum Diskurs mit den Initiatoren des Programms. Mit der Teilnahme der beiden Heereschefs, General Alfons Mais und General Thierry Burkhard, wird der hohe Stellenwert des Offizieraustauschs für die deutsch-französische Heereskooperation deutlich. Beide haben im Oktober 2020 bei einem gemeinsamen virtuellen Austausch festgestellt, dass die bilaterale Erfolgsgeschichte der Heere nicht ausreichend bekannt ist. Auch deswegen sind sie als Schirmherren des Programms höchstpersönlich in die nordfranzösische Stadt gereist. Es ist gleichzeitig das erste Mal, dass die beiden Generale nicht ausschließlich virtuell aufeinandertreffen. Die Anwesenheit der Heereschefs indes sei ein starkes Zeichen für alle Teilnehmenden und die weitere Ausgestaltung der wechselseitigen Offizierausbildung beider Heere, so Oberst Jörg Neureuther. Er ist der Leiter der deutschen Delegation Frankreich und verantwortlich für alle in Frankreich stationierten Soldatinnen und Soldaten.
Der Inspekteur des Heeres selbst sieht das Projekt als Bestätigung für die langjährige Verbundenheit beider Heere: „Diese Ausbildungsform ist zu einer gewachsenen Tradition geworden und eine besondere Betonung unserer tiefen über Jahre gewachsenen deutsch-französischen Freundschaft.“ Für Mais ist die erfolgreiche Kooperation das Ergebnis kontinuierlicher und unermüdlicher Anstrengungen auf beiden Seiten: „Das, was unsere Armeen ausmacht, sind die Menschen. Das gilt insbesondere auch für Sie als Offiziere des wechselseitigen Austauschs. Sie haben sich als Botschafter ihrer Länder gezeigt und haben das Rüstzeug erhalten, um im multinationalen Umfeld Entscheidungen zu treffen. Besonders in einem Punkt ist die Ausbildung in Deutschland und Frankreich aber gar nicht so unterschiedlich, denn Offiziere, egal welcher Nation, sind immer Ausbilder, Führer und Erzieher ihrer unterstellten Truppen. Diese Werte teilen wir in beiden Ländern.“
Transparenz ist das A und O
Auch wenn der Fokus des Events in Strasbourg auf dem Erfahrungsaustausch der Alumni liegt, so ist das Treffen gleichzeitig eine wichtige Informationsveranstaltung. Neben Vorträgen der beiden Inspekteure zur aktuellen Lage in den Heeren, der europäischen Sicherheitspolitik und der dabei immer wichtiger werdenden deutsch-französischen Heereskooperation, wird vor allem die Präsentation des Bundesamts für Personalwesen der Bundeswehr von den deutschen Offizieren sehnlich erwartet. Insbesondere Fragen nach der weiteren Planung nach den fünf Jahren in Frankreich wollten viele beantwortet haben. „Wir haben Sie auf dem Schirm“, leitet der Referent ein und präsentiert dabei ein breites Portfolio an Karrieremöglichkeiten und fährt fort: „Sie alle werden Berufssoldat, sofern Sie es denn wollen.“ Für angehende Zugführer und Kompaniechefs ständen ferner eine Vielzahl an Dienstposten in der Deutsch-Französischen Brigade zur Verfügung. Das sei letztlich aber abhängig von der Verfügbarkeit und kein Garant für die Alumni. Ab dem Dienstgrad Oberstleutnant wäre dann auch wieder ein Einsatz in Frankreich möglich. Insgesamt habe man als Absolvent des Programms sehr gute Chancen, im Laufe der weiteren militärischen Karriere auf einem multinationalen Dienstposten eingesetzt zu werden, der eine französische Sprachkompetenz voraussetzt.
Oberleutnant Patrick S., derzeit Truppführer im Aufklärungslehrbataillon 3 in Lüneburg, zeigt sich nach den Vorträgen zufrieden, vor allem da er jetzt ein transparentes Bild zur aktuellen Lage im Personalwesen hat: „Die Möglichkeiten nach der Ausbildung in Frankreich sind vielfältig. Natürlich wird uns jetzt nicht direkt das multinationale Silbertablett an Dienstposten gereicht, sondern wir müssen uns erstmal auf nationaler Ebene beweisen. Eine Verwendung in der Deutsch-Französischen Brigade ist mein Ziel. Der heutige Vortrag dazu vom Brigadekommandeur, Brigadegeneral Peter Mirow, war lebendig und echt interessant. Mal schauen, ob es klappt.“
Der Coin für die Ewigkeit
Eine besondere Geste, gleichzeitig ein Höhepunkt der Veranstaltung, kommt von den deutschen Absolventen des Programms. In Vorbereitung auf das Treffen haben sie eigenständig einen Coin kreiert. Als handfestes Symbol für das deutsch-französische Alumni-Netzwerk ist die Münze eine bleibende Erinnerung an die fünfjährige Ausbildung im Ausland. In Schwarz-Rot-Gold umrahmen die Schriftzüge „In Freiheit Dienen“ und „Zum Siegen ausgebildet“ die im Zentrum sich kreuzenden Säbel beider Länder. Auf der Rückseite finden sich zwei Schirmmützen wieder, die bei der Zeremonie an der Ecole Spéciale Militaire de Saint-Cyr nach erfolgreicher Prüfung von den deutschen und französischen Kameraden getragen werden. „Uns war es wichtig, unser Netzwerk auch mit etwas Greifbarem zu unterstreichen. Und was gibt es hier Schöneres als einen militärischen Coin“, erklärt ein Alumnus.
Begeistert von dem Coin ist auch der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais. Beim Ice Breaker am ersten Abend der Veranstaltung überreichen die Alumni ihm stolz das selbstkreierte, bilaterale Symbol. Der Heereschef bedankt sich anschließend mit dem eigenen Coin. Ein guter Tausch für die jungen Kameraden.
Freunde geworden
Am 22. September 1984 trafen sich der französische Präsident Francois Mitterand und Bundeskanzler Helmuth Kohl in einer großen Zeremonie bei Verdun zur Erinnerung an die Opfer der Kriege zwischen Frankreich und Deutschland. Das Bild dazu ging um die ganze Welt. Auf der dort gestifteten Gedenkplatte stand unter anderem geschrieben: „Wir haben uns versöhnt. Wir haben uns verständigt. Wir sind Freunde geworden.“ Ein starkes Symbol in der gemeinsamen deutsch-französischen Geschichte, das heute durch die jungen Kameraden des wechselseitigen Offizieraustausches weitergelebt wird. Auch sie sind Freunde geworden und bestätigen das mit dem dreitägigen Alumni-Treffen in Strasbourg und dem weiterwachsenden, gemeinsamen Netzwerk für die Zukunft.
Ein Format ist geboren
Am Ende ist die Veranstaltung genau das, ein Treffen zweier befreundeter Nationen und zwei kooperierender Heere, die gemeinsam auf 15 Jahre erfolgreiche wechselseitige Offizierausbildung blicken. Das sieht auch Hauptmann Julien J. als ehemaliger Absolvent des Programms so. Für ihn ist der Austausch eine Chance: „Das Alumni-Treffen ist eine Initiative mit großem Potenzial. Durch die Absolventen verfügt die Bundeswehr über eine Gruppe von Soldatinnen und Soldaten mit einem seltenen Erfahrungsschatz, insbesondere in Bezug auf die Tiefe der Einblicke in die französischen Streitkräfte.“ Insgesamt ist der Tenor aus Strasbourg positiv: „Das Wichtigste war, dass wir mal endlich alle zusammenkommen konnten“, resümieren die Absolventen gemeinsam am Ende des Treffens. „Wir haben uns teilweise über Jahre nicht mehr gesehen und daher ist es jetzt gut, dass dieses Netzwerk entsteht. Jetzt gilt für uns, es weiter zu fördern und die Verbindung zu halten. Wir wollen vor allem für die jüngeren Alumni in Zukunft stärker kooperieren.“ Auch der französische Leutnant Valentin ist überzeugt von der Idee weiterer Treffen: „Ich bin im Großen und Ganzen sehr zufrieden mit diesem Alumni-Treffen. Beim nächsten Mal würde ich mich gern noch intensiver mit den Teilnehmern austauschen. Dadurch lernt man so viel, so dass es definitiv ein Mehrwert wäre, mehr Zeit dafür zu haben.“
Auch Oberst Engels als Projektverantwortlicher zieht am Ende ein positives Resümee: „Es war schon mal ein großer Erfolg, dass diese Veranstaltung trotz der langen coronabedingten Vorphase, in der wir uns alle nicht direkt austauschen konnten, tatsächlich stattgefunden hat. Ich bin begeistert von dem Engagement, mit dem die Absolventinnen und Absolventen hier vor Ort aufeinander zugegangen sind. Sie alle wollen sich zukünftig in der deutsch-französischen Heereskooperation weiter einbringen. Die wechselseitige Offizierausbildung ist eine erstklassige Investition in die Zukunft beider Heere. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Format des Austausches, wie wir es hier in Strasbourg gesehen haben, auch zukünftig eine Plattform hat.“