Bewegliche Ziele – große Entfernungen – Zeitdruck
Bewegliche Ziele – große Entfernungen – Zeitdruck
- Datum:
- Ort:
- Hohenfels
- Lesedauer:
- 6 MIN
European Best Sniper Competition 2022 Anfang August auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels: An dem Scharfschützenwettkampf, der vom 7th Army Training Command der U.S. Army Europe and Africa ausgerichtet wurde, nahmen 36 Teams aus 18 Nationen teil. Die Bundeswehr war mit fünf Teams am Start, drei vom Heer und zwei von der Luftwaffe.
Langsam erhöht Oberstabsgefreiter Ronald S.* den Druck auf den Abzug. Das Fadenkreuz des Absehens des Zielfernrohres seines Scharfschützengewehrs G22A2 befindet sich mittig auf dem über 400 Meter entfernten Ziel. Dieses liegt deutlich höher. Die Scheibe simuliert den Bediener eines feindlichen Gefechtsfeldüberwachungsradars. Die Anspannung steigt: Wenn er beim ersten Schuss trifft, bekommt sein Team wichtige Punkte. Zuvor war das Team des Oberstabsgefreiten in der ersten Phase der Station Wanted, bei der Annäherung von den Schiedsrichtern erkannt worden. Ergebnis: Punktabzug. Der Scharfschütze weiß, dass sein Schuss diese Scharte teilweise auswetzen kann. Dann würde sein Team im Rennen um die Topplatzierungen bleiben. S. erhöht weiter den Druck am Abzug, dann bricht der Schuss. Die Waffe drückt sich wegen des Rückstoßes in seine Schulter. Der Schalldämpfer macht aus dem lauten Schussknall ein Zischen. Der Scharfschütze vernimmt aus der Entfernung ein „Pling“. Gleichzeitig ruft ihm der schussbeobachtende Schiedsrichter „Hit!“ zu. Getroffen. Mit einem Lächeln sichert S. seine Waffe. Er jubelt nicht, dazu liegt das Teilnehmerfeld zu eng zusammen. Außerdem müssen er und sein Teamkamerad vom Gebirgsjägerbataillon 231 in den nächsten Tagen noch die restlichen der sieben Wettkampfstationen meistern.
Internationales Teilnehmerfeld
Bei dem Scharfschützenwettkampf European Best Sniper Competition kämpfen auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels in der Oberpfalz 36 Scharfschützenteams aus den folgenden 18 Nationen um den Titel „Best Sniper Team in Europe“: Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, die Slowakei, Slowenien, Tschechien, die Türkei, Ungarn, die USA und Zypern. Die Bundeswehr beteiligt sich mit fünf Teams, drei vom Heer und zwei von der Luftwaffe. Die Soldaten stammen vom Fallschirmjägerregiment 26 aus Zweibrücken, dem Panzergrenadierbataillon 401 aus Hagenow und dem Gebirgsjägerbataillon 231 aus Bad Reichenhall. Die zwei Luftwaffenteams werden von der Fliegerhorstgruppe des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 aus Büchel gestellt. Zu jedem Team gehören ein Scharfschütze, genannt Sniper, und ein Beobachter, genannt Spotter.
Seit 2016 gibt es den Wettbewerb, der in diesem Jahr zum sechsten Mal ausgetragen wird. Ausrichter der Wettkampfserie ist das 7th Army Training Command (7th ATCArms Trade Treaty) der U.S. Amy Europe and Africa (USAREUR-AF). Die Schiedsrichter kommen von den Observer Coach Trainer Teams des Joint Multinational Readiness Center (JMRC), dem einzigen Gefechtsübungszentrum der USUnited States Army außerhalb der USA.
Stationen mit historischen Vorbildern
Beim Wettkampf müssen sich die Scharfschützenteams an insgesamt sieben verschiedenen Stationen bewähren. Drei hiervon müssen zweimal absolviert werden, einmal bei Tag und einmal bei Nacht. Die Stationen tragen verheißungsvolle und einschüchternde Namen, wie zum Beispiel Wanted, Mogadischu, Gone in 60 Seconds, 1917 und Where Eagles Dare. Clou dabei: Als Vorlage für die Stationen dienen reale Scharfschützeneinsätze ausgehend vom Ersten Weltkrieg bis heute. Zum Beispiel basiert das Szenario der Station Mogadischu auf dem Einsatz von USUnited States-Truppen in der somalischen Hauptstadt im Oktober 1993, die in dem Kriegsfilm Black Hawk Down verfilmt wurden. Im Detail geht es um den Einsatz von zwei Delta Force Scharfschützen, die versucht hatten, die Besatzung des abgeschossenen Hubschraubers mit der Kennung Super Six Four zu retten und dabei ums Leben kamen.
Aber zurück zur eigentlichen Übung. In ihrer ersten Phase bekämpfen die Scharfschützenteams sechs Ziele in 300 Meter Entfernung aus einem Mehrzweckhubschrauber UH-72A Lakota, der in einer Höhe von 250 bis 300 Metern schwebt. Einmal am Boden abgesetzt, arbeitet sich das Team zu einem Hubschrauberwrack vor. Ab jetzt läuft ein 20-Minuten-Countdown. Auf dem Weg zum Wrack bekämpfen Sniper und Spotter Ziele mit ihren Dienstpistolen. Zwei Ziele pro Soldat. Geschossen werden muss mit der linken und rechten Hand. Im Laufschritt geht es weiter. Am Wrack angekommen, muss ein feindlicher Angriff abgewehrt werden. Unter Anleitung des Spotters bekämpft der Sniper Ziele auf Entfernungen von bis zu 600 Metern. Die Zeit drängt, aber sechs getroffene Ziele geben die maximale Punktzahl. Jetzt noch die letzte Phase der Station meistern, den Piloten bergen und zu einem Fahrzeug in 350 Meter Entfernung bringen. Nach dem Aufladen auf das Fahrzeug wird die Zeit gestoppt. Beim Überschreiten der Zeit gibt es Punktabzug.
1917, Where Eagles Dare und Gone in 60 Seconds
An der Station 1917 werden die Scharfschützen in ein Grabenkampfszenario aus dem Ersten Weltkrieg versetzt. Die Teams schießen dabei ohne moderne Hilfsmittel, wie Laserentfernungsmesser. Der Einsatz von Tränengas zwingt die Sniper zum Tragen der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutzmaske, während sie mit Sturmgewehren ein Grabensystem freikämpfen. Bei „Where Eagles Dare“ dreht sich alles ums Winkelschießen, also das Schießen auf ein höher oder tiefer gelegenes Ziel. Hierbei gilt der Grundsatz: „Ob rauf oder runter, halt drunter!“ Hintergrund ist die Tatsache, dass sich bei einem Winkelschuss die Strecke verkürzt, auf der die Schwerkraft auf das Projektil einwirkt. Daher muss unter dem Ziel angehalten werden, da es sonst zu Hochschüssen kommt.
An der Station Gone in 60 Seconds steht das Bekämpfen von beweglichen, unterschiedlich schnellen T50 Robot Targets (ein Figurenziel auf Rädern) auf Distanzen von 130 bis 570 Metern im Fokus. Wesentliches Merkmal dieser 3D-Ziele ist, dass sie sich nicht linear bewegen, sondern auf einem vorprogrammierten unregelmäßigen Weg. Dabei verändert sich die Silhouette des Ziels, zum Beispiel zeigt es seine Brust beziehungsweise seinen Rücken bei der Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung oder die Körperseite bei der Querbewegung. Bei der Station Pistol Event dreht sich alles um die Zweitwaffe der Scharfschützen, die Dienstpistole. Die Schützen bekämpfen hierbei mit 40 Schuss verschiedene Ziele in unterschiedlichen Entfernungen. Schwierigkeit: Es muss sowohl mit der linken als auch der rechten Hand geschossen werden.
An den unterschiedlichen Stationen wurden alle Fähigkeiten der Scharfschützenteams auf die Probe gestellt. Sie mussten sich ungesehen an ein Ziel annähern, Ziele aufklären und identifizieren, Entfernungen ermitteln und präzise mit dem Scharfschützengewehr und der Pistole, auch auf bewegliche Ziele und in verschiedenen Anschlägen, schießen.
Dabei sein ist alles
Nach sechs fordernden Wettkampftagen stehen am 11. August die Sieger der European Best Sniper Competition fest. Der erste Platz geht an ein Team aus Griechenland, zweiter wird ein Team aus Lettland, dritter eins aus Italien. Das beste deutsche Team landet auf Platz zehn. Das Team des Oberstabsgefreiten S. hat einen Platz im Mittelfeld belegt, kann trotz vollem Einsatz den Punkterückstand zu den Topteams nicht mehr aufholen. Für ihn kein Problem: „Die Amerikaner haben sich echt große Mühe mit den einzelnen Stationen gemacht. Wir sind gut in den Modus gekommen und die Kameradschaft mit den Teams der anderen Nationen ist top. Der Wettkampf hat echt Spaß gemacht.“ Dass sein Team es nicht in die Top Ten geschafft habe, sei schade. Alle Teams hätten ihr Bestes gegeben und die Konkurrenz sei stark gewesen, so S. „Bei über 1.400 zu erreichenden Punkten waren die Abstände zwischen den Teams mit zum Teil weniger als zehn Punkten sehr knapp. Wichtiger als die Platzierung sind für mich aber die Erfahrungen, die ich hier sammeln konnte. Sie werden mir helfen, in Zukunft meinen Auftrag als Scharfschütze mit noch größerer Präzision ausführen zu können.“
*Name redaktionell geändert