Heer
Interview

Bei eFPenhanced Forward Presence in geschichtsträchtigen Zeiten – eine Bilanz

Bei eFPenhanced Forward Presence in geschichtsträchtigen Zeiten – eine Bilanz

Datum:
Ort:
Viereck-Stallberg
Lesedauer:
4 MIN

Mehr als sechs Monate war Oberstleutnant Daniel Andrä als Kommandeur der NATO-Mission enhanced Forward Presence (eFPenhanced Forward Presence) in Litauen stationiert. Er führte dort einen multinationalen Gefechtsverband mit mehr als 1.600 Soldatinnen und Soldaten. Inzwischen ist er ins Panzergrenadierbataillon 411 nach Viereck zurückgekehrt und zieht im Interview Bilanz über eine besondere Zeit.

Ein Soldat blickt in die Ferne. Vor ihm stehen Journalisten mit Mikrofonen und Kameras.

Oberstleutnant Daniel Andrä steht als Kommandeur der Battlegroup in Litauen auch medial im Fokus

Bundeswehr/Lisa Engler

Herr Oberstleutnant Andrä, Sie waren in einer geschichtsträchtigen Zeit von Ende Januar bis Anfang August 2022 in Litauen der Kommandeur des multinationalen Gefechtsverbandes. Wie haben Sie diese Zeitenwende erlebt?

Oberstleutnant Daniel Andrä: Als wir am 9. Februar dieses Jahres die Verantwortung in Litauen übernommen haben, waren die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine schon weit fortgeschritten. Mehr als 100.000 russische Soldaten standen an der ukrainischen Grenze zum Angriff bereit. Schon zu diesem Zeitpunkt wurden die Verstärkungskräfte erstmals außerhalb von planmäßigen Übungen in Marsch gesetzt und die Battle Group wuchs in kürzester Zeit und permanent um circa 550 Soldatinnen und Soldaten aus nahezu allen truppenstellenden Nationen mit einer Vielzahl an zusätzlichem Gerät und Fähigkeiten.

Als dann am 24. Februar der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine begann, ging das nicht spürlos an den Frauen und Männern vorbei und dieser Tag markierte auch eine Zeitenwende für die Battlegroup. Litauen hat historisch begründet eine andere Bedrohungswahrnehmung, als wir sie vielleicht haben. In Litauen hört man häufig, wird Russland nicht in der Ukraine gestoppt, sind wir die Nächsten.

Auch wenn der Auftrag unverändert blieb, waren wir spätestens jetzt mit einer noch höheren Erwartungshaltung der Litauer konfrontiert, in deren Verteidigungsplänen wir als scharfes Schwert eine entscheidende Rolle spielen. Wir haben mit erhöhter Ausbildungs- und Übungstätigkeit sowie Präsenz im Land reagiert, um insbesondere auch der Bevölkerung zu zeigen, dass wir da und vor allem auch einsatzbereit sind. Neben der verstärkten Ausbildungs- und Übungstätigkeit standen wir natürlich auch in einem deutlich gestiegenen medialen und öffentlichen Interesse, was uns zusätzlich gefordert hat. Abschließend kann man sagen, dass die 11. Rotation in Gänze eine besondere und einzigartige Rotation bleiben wird, auch weil sie die letzte in der alten Gliederung und Führungsstruktur war.

Wie lautet Ihr Fazit zum Einsatz Ihres Bataillons bei eFPenhanced Forward Presence?

Erstmal möchte ich sagen, dass alle Angehörigen der 11. Rotation ihren Auftrag motiviert und professionell erfüllt haben. Wir können gemeinsam stolz auf das Erreichte sein. In dieser besonderen Zeit vor Ort gewesen zu sein, wird für alle unvergesslich bleiben und hat zumindest mich persönlich geprägt. Darüber hinaus bin ich dankbar, dass wir von größeren Zwischenfällen und Unfällen verschont geblieben sind und alle gesund an Leib und Leben nach Hause zurückkehren konnten, was mein wesentliches Ziel war.

Für das Panzergrenadierbataillon 411 war es als Leitverband von Anbeginn ein herausfordernder Auftrag, was sich bis zum Abschluss der Nachbereitung auch noch fortsetzen wird. Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, in einem Szenarium der Landes- und Bündnisverteidigung zu bestehen und konnten unsere Fähigkeiten im Kerngeschäft weiter verbessern. Ich möchte aber auch hervorheben, dass der größere Teil des Bataillons nicht mit nach Litauen verlegt hat und am Heimatstandort parallel sowie mit knappen Ressourcen eine Vielzahl an Aufträgen zu erfüllen hatte. Somit bleibt als wesentliches Fazit die Feststellung, dass das Bataillon in Breite und Tiefe verlässlich seine Aufträge erfüllt, ganz gleich an welchem Ort, was ein wesentlicher Verdienst aller Soldatinnen und Soldaten des Bataillons ist. Von daher bin ich auch zuversichtlich, dass wir nach der Trennung nun auch rasch wieder zusammenwachsen werden.

Ein Soldat mit grüner Tarnfarbe im Gesicht und einem Panzerhelm mit Sprechsatz

Oberstleutnant Daniel Andrä, hier während einer Übung, rechnet damit, dass einige Soldaten seines Bataillons in absehbarer Zeit wieder nach Litauen verlegt werden

Bundeswehr/Lisa Engler

Wie geht es für das Panzergrenadierbataillon 411, Ihre Männer und Frauen, jetzt weiter? Wie sieht der Ausblick aus? Litauen wird Sie alle nicht mehr so richtig loslassen oder?

Wir blicken unverändert in gut gefüllte Auftragsbücher. Wir werden bereits im März kommenden Jahres erneut als Verband im Gefechtsübungszentrum Heer trainieren. Dazu werden wir vorbereitend verschiedene Aus- und Weiterbildungen sowie einen zweiwöchigen SIRA-Durchgang, also eine computergestützte Ausbildung, des Bataillonsstabes und der Kompanieführungen auf die Beine stellen. Wesentliches Ziel ist, die gesammelten Erfahrungen aus Litauen auf den gesamten Verband zu übertragen. Litauen wird uns also tatsächlich nicht ganz loslassen. Zusätzlich stellt die Panzergrenadierbrigade 41, zu der wir gehören, zunächst bis August 2023 Kräfte für die enhanced Vigilance Activity in Form eines vorgeschobenen Gefechtsstandes, eines Forward Command Elements, in Litauen, vor allem als Ergebnis der Übernahme von zusätzlicher Verantwortung Deutschlands. In diesem Zusammenhang sind zahlreiche Ausbildungs- und Übungsvorhaben geplant und auch das Panzergrenadierbataillon 411 spielt in diesen Planungen eine Rolle. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass sich Teile des Bataillons in absehbarer Zukunft in Rukla oder Pabrade wiederfinden. Mittelfristig ist nach dem Einsatz vor dem Einsatz. Nach drei Jahren Landes- und Bündnisverteidigung und Kerngeschäft werden wir Mitte kommenden Jahres dann den Fokus in Richtung Stabilisierungsoperation verlagern. Das Bataillon ist derzeit für 2024 als Leitverband für die UNUnited Nations-Friedensmission MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali im westafrikanischen Mali geplant. Die Vorbereitung darauf wird dann unser Schwerpunkt sein.

von Panzergrenadierbrigade 41 

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