Aus der Verzögerung zum Gegenangriff
Aus der Verzögerung zum Gegenangriff
- Datum:
- Ort:
- Bergen
- Lesedauer:
- 4 MIN
Der Schock sitzt noch tief, doch es gibt Gewissheit: Wislanische Streitkräfte greifen das Staatsgebiet von Altraverdo an. Mechanisierte Kampfverbände schieben sich unaufhörlich voran und verletzen die territoriale Integrität Altraverdos – alle Abschreckung ist bislang erfolglos geblieben. Die Staatengemeinschaft und somit auch die Bundeswehr greifen ein. Das Gefecht bricht los.
Die Station Gefechtsschießen ist zweifelsohne der Schwerpunkt der Ausbildungs- und Lehrübung (ALÜAusbildungslehrübung) 2022. Alle Stationen, an denen die angehenden Offizierinnen und Offiziere und das Führungspersonal in Weiterbildung zuvor waren – Versorgung, Sanität oder auch Führung – fließen in diese Station ein. Das hochintensive Gefecht unterschiedlicher Truppengattungen ist die hohe Schule militärischer Führung. Die Besucher erleben hautnah mit und erfahren, was es bedeutet, ein hochintensives Gefecht zu führen. Oberstleutnant Marek Krüger ist der Kommandeur des Panzerbataillons 104 aus Pfreimd, er leitet das Gefechtsschießen – das Highlight der ALÜAusbildungslehrübung 22.
Ein bildgewaltiges Szenario beginnt – der Einsatz eines verstärkten Panzertruppenbataillons in der defensiven Gefechtshandlung Verzögerung.
90 Minuten anschauliches Gefecht
„Ich möchte erreichen, dass sie erkennen, wie die Kampfweise einer Kompanie zur Umsetzung eines taktischen Auftrages beiträgt“, formuliert Kommandeur Krüger. Er erläutert das Ziel dieser Ausbildung sowie den Verlauf der folgenden fast 90 Minuten. Der Hammberg, auf dem auch die Tribüne der Zuschauer steht, liegt zentral im Gefechtsstreifen.
Das Panzerbataillon wird im Kern durch das Panzergrenadierbataillon 122 Oberviechtach verstärkt. Ein Lagediktat, das den Besuchern die Lage erklärt, bringt sie direkt in das Verzögerungsgefecht: Zwischen mehreren Anhöhen konzentriert sich das Gefecht entlang eines Gewässerlaufes. Mehrere feindliche mechanisierte Bataillone bewegen sich auf den quer verlaufenden Hohebach zu. Aufklärungskräfte halten bereits Fühlung zum Feind und gewährleisten, dass die Führung ein klares Lagebild erhält. Feldposten stehen in der Sicherungslinie, sie werden die Ersten sein, die Kontakt mit den generischen Kräften haben.
Gewässer und deren Übergänge sind immer neuralgische Punkte beim Führen von Gefechten. Die Truppe ist in ihrer Bewegungsachse konzentriert und dazu in der Geschwindigkeit gebremst.
Verzögern – Raum gegen Zeit
„Panzerbataillon 104 verzögert ab sofort für vier Stunden. Mit dem Ziel, den Gegner am Hohebach zu zerschlagen und zum frühzeitigen Einsatz seiner Folgekräfte zu zwingen“, formuliert der Kommandeur kurz und knapp seine Absicht.
Vom Grundsatz her tauschen die verzögernden Einheiten Raum gegen Zeit. Eigene Truppen geben nach und nach von ihrem Gelände preis und weichen mit möglichst wenig eigenen Verlusten aus. Wichtig dabei ist, niemals die Fühlung zum Gegner zu verlieren, um immer wieder die taktischen Lagemeldungen zu aktualisieren. Auch bindet die Kampftruppe so die Gefahr von unvorhergesehenen Kräftekonzentrationen des Gegners. Mit kleineren Gefechten während der Verzögerung werden dem Feind weitere Verluste zugefügt. Zusätzlich wird beim Verzögern der Gegner durch geschickte Ausnutzung des Geländes von Pionieren oder der Artillerie in eine bestimmte Richtung gelenkt oder auch gezogen. Mit all diesen Maßnahmen wird der gegnerische Angriff verlangsamt und abgenutzt, der Feind in ein für eigene Kräfte günstiges Gelände gezogen und das Wichtigste; Zeit gewonnen, um den Gegenangriff vorzubereiten.
In vier Phasen zum Erfolg
Die Ausbildungs- und Lehrübung zeigt nicht einfach nur Bilder, sie erklärt auch Hintergründe und beschreibt, warum etwas passiert und zeigt Schlussfolgerungen auf. In vier Gefechtsphasen hat der Leitende das Gefecht eingeteilt.
Die Phase 1 beschreibt die Aufnahme der eigenen Soldaten im laufenden Gefecht. Aufklärer, aber auch Feldposten, sind weit vorn eingesetzt und müssen durch die eigene Kampftruppe aufgenommen werden, obwohl sie augenscheinlich aus der Feindrichtung kommen. Das bedeutet viel Koordination und Kommunikation.
In Phase 2 laufen die Feindkräfte auf die Sicherungslinie auf. Dabei muss der Gegner bei einem überraschenden Gefecht größtmögliche Verluste erlangen. Mit diesem Gefecht geben die eigenen Kräfte ihre vordersten Stellungen preis, das Gefecht beginnt.
Die Phase 3, die Verzögerung, beschreibt den Kern, den Kampf mit der Sperre. An Sperren soll sich der Gegner abarbeiten. Unvorhergesehen kommt der feindliche Angriffsschwung zum Erliegen und zwingt ihn, seine Taktik zu ändern. Das verschafft Zeit, um mit Artillerie oder auch Flachfeuer beim Gegner enorme Ausfälle zu provozieren.
Die Phase 4 ist schließlich der Gegenangriff. Er ist die einzig aktive Gefechtshandlung, die eine Entscheidung sucht. Nur im Angriff sucht der militärische Führer die Entscheidung zwischen Sieg oder Niederlage. Entschlossenheit, Feuerkraft und Präzision machen den Erfolg eines Angriffes aus.
Der Plan geht auf. Die geschickte Vorbereitung der Sperren rund um den Hohebach zeigt Wirkung, dazu die Investition an Zeit und Material, das Ausnutzen des Geländes für den eigenen Vorteil zahlen sich aus. Je dynamischer das Verzögerungsgefecht ist, desto schwerer hat es der Gegner zu reagieren. Oberstleutnant Krüger fasst zusammen: Das Panzerbataillon wirkt durch Stoßkraft, Feuerkraft wie auch Bewegung. Die Kampfunterstützer also wie etwa Pioniere, Artillerie oder auch die Soldaten des Cyber- und Informationsraums, also ITInformationstechnik-Experten, müssen synchronisiert Teil des Gefechtes sein. Grundlegend wichtig sei auch, dass der militärische Führer ganz klar einen Schwerpunkt festlege und von diesem ausgehend auch führe.
Mit dem Gegenangriff Panther kommt der gegnerische Angriff schließlich zum Erliegen.