„Es sollten sich möglichst viele typisieren lassen“
„Es sollten sich möglichst viele typisieren lassen“
- Ort:
- Koblenz
- Lesedauer:
- 4 MIN
Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 13.700 Menschen neu an Leukämie, darunter auch Soldatinnen und Soldaten. Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und Befehlshaber des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr, unterstützt die Aufrufe der Hilfsorganisationen zur Knochenmarkspende.
Mehr Kameradinnen und Kameraden sollen sich typisieren lassen und so anderen Menschen helfen. „Das tut nicht weh, geht ganz schnell und es kann Leben retten“, sagt Generaloberstabsarzt Dr. Baumgärtner. Wir sprechen mit ihm über die Kooperation der Bundeswehr mit den Hilfsorganisationen und die medizinische Versorgung und Betreuung von erkrankten Bundeswehrangehörigen.
Herr Generaloberstabsarzt, der Sanitätsdienst der Bundeswehr ist fachlich für die Gesundheitsversorgung der gesamten Bundeswehr verantwortlich. Ob Zivilist oder Soldat: Krankheiten machen vor der Uniform nicht halt. Welche Berührungspunkte hatten Sie bisher mit der besonderen Krankheit Leukämie?
Generaloberstabsarzt Dr. Baumgärtner: Berührungspunkte mit Leukämie hatte ich in der Familie und im Freundeskreis, aber ebenso auch in der Zeit meiner Tätigkeit als Behandler. Sie haben absolut recht. Die Leukämie macht vor keinem Personenkreis halt. Es können Junge wie Alte, Frauen wie Männer davon betroffen sein. Auch Soldaten erkranken immer wieder an der Leukämie, die umgangssprachlich häufig auch als Blutkrebs bezeichnet wird. Die Allgemeinheit erfährt von solchen Erkrankungen meist nur durch Aufrufe zur Typisierung und Knochenmarkspende in den Medien, ausgelöst von besonders tragischen Erkrankungsfällen, auch in der Bundeswehr oder bei Bundeswehrfamilien. Gerade im vergangenen Jahr warb ein Stabsfeldwebel über den Deutschen Bundeswehrverband massiv um Spendenwillige, konnte er doch aus eigener Erfahrung über das Thema und die Ängste und Leiden der Betroffenen berichten.
Die Diagnose Blutkrebs verändert sicherlich alles im Leben. Für Soldatinnen und Soldaten bringt sie private und natürlich auch dienstliche Veränderungen mit sich. Welche Möglichkeiten der Hilfe gibt es für Betroffene in Uniform?
Mit der Diagnose Blutkrebs konfrontiert zu werden, ist für die Betroffenen eine direkte lebensbedrohende Situation, die eine große emotionale Belastung mit sich bringt, mit der jeder Mensch unterschiedlich umgeht. Daher versuchen wir auf die an Leukämie Erkrankten individuell einzugehen. Da ist zum einen die spezifische Diagnostik und Therapie im Rahmen der Heilfürsorge für unsere Soldatinnen und Soldaten, die insbesondere in den Bundeswehrkrankenhäusern durch die Bündelung vieler fachärztlicher Kompetenzen eine sehr gute Qualität hat. Hierbei ist es selbstverständlich, dass sowohl die rein körperliche, medikamentöse Therapie, aber eben auch die psychische Unterstützung und Stabilisierung durch unsere Psychiater und Psychologen in den Blick genommen werden. Eine wichtige Rolle spielt die emotionale Abfederung durch das Psychosoziale Netzwerk an jedem einzelnen Standort. Diese Netzwerke setzen sich aus Truppenärzten, Sozialarbeitern, Militärseelsorgern und Truppenpsychologen vor Ort zusammen, die die Betroffenen begleiten und unterstützen, ihren Leiden und Ängsten offen gegenüberstehen, bei Problemen des Alltags nach Lösungsmöglichkeiten suchen und ganz allgemein als emotionale Stütze dienen.
Die DKMS und andere Organisationen haben sich das Besiegen des Blutkrebses auf die Fahnen geschrieben. Auch Soldatinnen und Soldaten lassen sich als Stammzellenspender registrieren und unterstützen somit den weltweiten Kampf gegen den Blutkrebs. Wie wichtig schätzen Sie diese Hilfsbereitschaft der Soldatinnen und Soldaten ein?
Die Bundeswehr ist stets gern bereit, bei der Suche von Spendenwilligen zu helfen, unabhängig davon, ob die Spendenempfangenden der Bundeswehr angehören oder nicht. Hier appellieren wir schlicht an unser aller Verantwortungsbewusstsein und -gefühl gegenüber unseren Mitmenschen.
Ich weiß, dass viele Angehörige des Sanitätsdienstes typisiert sind und damit zur Verfügung stehen, wenn sie für eine Stammzellenspende infrage kommen. Das gehört zu unserem Selbstverständnis. Wir klären aber auch immer wieder über die Typisierung auf und wollen, dass möglichst viele Soldatinnen und Soldaten sich typisieren lassen. Das tut nicht weh, geht ganz schnell und es kann Leben retten.
Ich bin seit Jahren immer wieder angetan von der Bereitschaft der Soldaten für eine Typisierung. Wir bieten diese freiwillige Möglichkeit zur Typisierung seit vielen Jahren bei Blutspenden oder Blutgruppenbestimmungsaktionen an. Dazu haben wir erfolgreiche Kooperationen mit entsprechenden Hilfsorganisationen, die mit der europäischen Knochenmarkspenderkartei zusammenarbeiten. Hierzu gehören zum Beispiel die Stefan-Morsch-Stiftung, die DKMS Stiftung Leben Spenden oder die Aktion Knochenmarkspende Sachsen-Anhalt, die zum Beispiel im Herbst 2020 in der Clausewitz-Kaserne in Burg viele Soldaten typisieren konnte. Die Vereinssprecherin beschrieb danach die Soldaten als „sehr engagiert“ und war ebenso sehr angetan von der Hilfsbereitschaft. Diese Hilfsbereitschaft kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Herr Generaloberstabsarzt, abschließend noch eine Frage. Wenn Sie sich im Kampf gegen den Blutkrebs etwas wünschen könnten, was wäre das?
Wünschen würde ich mir natürlich eine Therapie mit hundertprozentiger Erfolgschance, sodass die Bedrohung durch Leukämie überwunden wäre. Auch wenn es für manche Leukämieform inzwischen gute Therapieoptionen gibt, wird die Erfüllung dieses Wunsches jedoch noch in weiter Ferne liegen.
Ich wünsche mir deshalb in der Zwischenzeit mehr Bewusstsein darüber, dass zumindest im Einzelfall eine Knochenmarkspende Leben retten kann und es dazu die Solidarität Vieler braucht. Denn Voraussetzung für das Finden eines passenden Knochenmarkspenders ist die Typisierung möglichst vieler möglicher Spender.
Ich wünsche mir mehr Verständnis für die Betroffenen und ihren Angehörigen, insbesondere in ihrem unmittelbaren Umfeld und Geduld und Kraft für die Betroffenen, denn Leukämie ist eine schwere, lebensbedrohende und langwierige Krankheit.