Brückenbauer des Glaubens - Rabbiner zu Gast in Pöcking
Brückenbauer des Glaubens - Rabbiner zu Gast in Pöcking
- Datum:
- Ort:
- Pöcking
- Lesedauer:
- 3 MIN
Hoher Besuch in der ITInformationstechnik-Schule der Bundeswehr. Zsolt Balla, der erste Militärrabbiner im deutschen Militär seit mehr als 100 Jahren, stellte sich in Pöcking den Fragen der Soldatinnen und Soldaten.
Der große Vortragssaal war voll besetzt, als General Rainer Simon den Militärbundesrabbiner, so sein offizieller Titel, vorstellte. Zsold Balla hatte in Budapest ein Studium als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen als Grundlage für die Rabbinerausbildung. Das Ziel, Menschen zu helfen, hatte er schon damals fest im Blick. Die Hilfestellung für Menschen mit Sorgen und Problemen, Ängsten und Schwierigkeiten, sieht er als seine grundlegende Aufgabe – über die Grenzen der Konfession hinweg. Der dreifache Familienvater ist denn auch als Rabbiner der Jüdischen Gemeinde in Leipzig auch außerhalb der Bundeswehr seelsorgerisch tätig.
Jüdischer Ansprechpartner für alle Soldaten
Erste militärische Erfahrungen hat Balla im Zentrum Innere Führung in Koblenz gemacht. 2014 als jüdischer Ansprechpartner der „Zentralen Ansprechstelle für Soldaten anderer Glaubensrichtungen“. Sein erstes dienstliches Gespräch überhaupt führte er hier mit einem muslimischen Soldaten – für ihn unvergesslich.
Jüdische Seelsorge für Soldatinnen und Soldaten unterscheide sich nur in Nuancen von der christlichen Praxis, so Balla: „Wir sind Teil des Systems Bundeswehr. Wir bauen ein Netzwerk, um gegenseitig helfen und unterstützen zu können.“ Künftig sollen zehn Rabbiner ihren Dienst in ganz Deutschland, den weltweiten Einsätzen und in den einsatzgleichen Verpflichtungen verrichten. Stationiert werden sie in fünf Städten: Hamburg, Potsdam, Köln, München und Leipzig. Das Militärrabbinat will dafür sorgen, dass möglichst jeweils ein orthodoxer und ein nicht-orthodoxer Rabbiner oder eine Rabbinerin an einem Standort dienen.
Du sollst nicht morden!
Das Judentum hält der Militärbundesrabbiner für praxisorientiert, Gewaltanwendung zur Verteidigung sei nicht nur zulässig, sondern sogar gefordert. Die Bibel stehe hier nicht entgegen, im Gegenteil. Denn, so Balla, das Gebot heiße eben nicht: „Du sollst nicht töten“ sondern „Du sollst nicht morden“. Und hier liege ein fundamentaler Unterschied begraben. Denn in extremen Fällen erlaube der Talmud sogar die Anwendung von Gewalt auch außerhalb militärischer Konflikte. „Der jüdische Glaube ist voll kompatibel mit Landes- und Bündnisverteidigung. Das entspricht unserem Verständnis von Verteidigung und Kampf für die Freiheit.“
In der Praxis sei es für ihn äußerst interessant zu beobachten und zu analysieren, wie die israelischen Militärrabbiner im ständigen Spannungsfeld zwischen Religion und Politik arbeiten. Es zeige sich immer wieder, wie wichtig es sei, dass die Streitkräfte ein integraler Teil der Gesellschaft blieben, um Entwicklungen in die falsche Richtung im Ansatz zu unterbinden.
Heimat - zu Hause
Dabei versteht sich der gebürtige Ungar Balla keinesfalls als Repräsentant Israels, auch wenn er durch seine Familie und seine Ausbildung sehr enge Bindungen an das Land hat. Ungarn sei seine Heimat, zu Hause fühle er sich aber bei seiner Familie in Leipzig. Hier genießt er die Freiheiten des Lebens in Deutschland und die Ruhe Leipzigs – nach acht Jahren im stürmischen Berlin. Für ihn steht fest: „Natürlich bin ich jüdisch! Ich vertrete als Rabbiner die Werte meiner Religion, nicht die einer Nationalität.“ Und das macht er in vier Sprachen: Deutsch, Ungarisch, Englisch und Hebräisch.
„Brückenbauer des Glaubens und der Menschlichkeit“ – und kein Antisemitismusbeauftragter, das ist das Selbstverständnis von Zsolt Balla. „Wir sind für jeden Bundeswehrsoldaten da, egal welchen Glaubens! Wir wollen dazu beitragen, ethische und moralische Standards zu halten„. Nach fast 600 Tagen im Amt des Militärbundesrabbiners stößt sich Balla in seiner Arbeit immer wieder an der Unbeweglichkeit des Verwaltungsapparats. Er würde sich freuen, wenn es mehr Bereitschaft dazu geben würde, so manche eingefahrenen Abläufe und Verfahren zu modernisieren – auch wenn es schon seit 50 Jahren und mehr so gemacht werde. Da wir nicht Teil der militärischen Strukturen sind, sind wir auch nicht weisungsgebunden gegenüber dem BMVgBundesministerium der Verteidigung oder irgendeiner militärischen Dienststelle. Wir dienen den Soldatinnen und Soldaten.“