Cyber- und Informationsraum

„Wir benötigen die spezialisierten Erfahrungen“ - Der Inspekteur CIRCyber- und Informationsraum im Interview

„Wir benötigen die spezialisierten Erfahrungen“ - Der Inspekteur CIRCyber- und Informationsraum im Interview

Datum:
Ort:
Bonn
Lesedauer:
6 MIN

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ITInformationstechnik-Spezialisten und Fachkräfte sind von enormer Bedeutung, wenn es darum geht, die heutigen und künftigen Aufgaben im Cyber und Informationsraum zu meistern. Gerade diese sind aber stark gefragt – die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage steigt. Auch der Organisationsbereich CIRCyber- und Informationsraum ist vom Fachkräftemangel gerade im Bereich Cyber/ITInformationstechnik betroffen. Im zweiten Teil eines Interviews spricht der Inspekteur CIRCyber- und Informationsraum über die Planungen, noch in diesem Jahr eine Fachkarriere zu etablieren, um so über neue Wege die dringend benötigten Fachkräfte für zu sich gewinnen.

Ein Soldat in einer Interviewsituation

"Wir sind genauso Soldatin und Soldat wie in anderen Organisationsbereichen", sagt der Inspekteur CIRCyber- und Informationsraum.

Bundeswehr/Martina Pump

Herr General, wie wollen Sie im „War for Talents“ gerade im Bereich Cyber/ITInformationstechnik künftig bestehen?

Fehlende ITInformationstechnik-Spezialisten werden zunehmend zum Problem für den Arbeitsmarkt: Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ist hier in den letzten vier Jahren deutlich gestiegen. Und dass dieser Fachkräftemangel auch die Bundeswehr treffen wird, steht außer Frage. Vor allem wird dies die hochspezialisierten Bereiche wie den Cyber/ITInformationstechnik-Dienst betreffen.

In meinem Organisationsbereich wird beispielsweise gerade für die Zentren Cyber-Operationen, Cyber-Sicherheit und Softwarekompetenz jeweils hochspezialisiertes Personal benötigt. Dieses Personal muss in mehreren zeit- und kostenintensiven Lehrgängen auch außerhalb der Bundeswehr qualifiziert werden. Doch Lehrgänge sind nur eine Seite der Medaille: Nur mit langer Stehzeit auf dem Dienstposten, ich spreche hier beispielsweise auch bei Offizieren von wenigstens fünf Jahren, ist in diesem hochvolatilen Bereich der erforderliche Erfahrungsaufbau, ein Mindestmaß an Vernetzung möglich. Und Vernetzung ist kein Selbstzweck: wir müssen uns vernetzen, um einerseits die disruptiven Innovationszyklen als Vorreiter zu nutzen und andererseits ein Frühwarnsystem im Cyberraum aufzubauen, dass unsere Verteidigung stärkt und uns erlaubt angemessen auf Angriffe zu reagieren.

Bis heute gehen wir in der Bundeswehr aber meistens davon aus, dass der Offizier vor allem militärischer Führer ist. Diesem Verständnis folgend werden Offiziere grundsätzlich in relativ kurzer Abfolge über die unterschiedlichen Führungsebenen der Bundeswehr geführt, um den jeweiligen Erfahrungsschatz in der Breite zu erweitern. Damit werden sie den Ansprüchen gerecht, die wir an unseren militärischen Führer stellen: Sie erlangen Verständnis für die Bedürfnisse der unterschiedlichen Hierarchieebenen und lernen, Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen. Unser hochspezialisiertes Personal der Cyberverteidigung benötigt aber einen grundlegend anderen Verwendungsaufbau. Wer die Cyberverteidigung Deutschlands ernstnehmen möchte, muss verstehen, dass Fachkräfte ihre Cyber/ITInformationstechnik-Fähigkeiten nur durch die tägliche Beschäftigung mit der Materie weiterentwickeln und vertiefen können. Wir können es uns schlichtweg nicht mehr leisten, mühsam geworbene Fachkräfte in kosten- und zeitintensiven Lehrgängen auszubilden und diese dann fachfremd einzusetzen. Wir benötigen die spezialisierte Erfahrung und die Fertigkeiten von ITInformationstechnik-Experten in den jeweiligen Fachzentren meines Organisationsbereichs. Häufig streben diese Fachkräfte auch gar keine an Führungsaufgaben orientierten Karrieren an: Sie wollen tief in ihrer Fachlichkeit arbeiten. Damit wäre es falsch, die für die große Mehrzahl der Offiziere gültige Ausrichtung auf militärische Führung meinen ITInformationstechnik-Experten „überzustülpen“.

Als Bundeswehr müssen wir also den ITInformationstechnik-Experten einen Karrierepfad bieten, der ihnen einen Aufstieg innerhalb ihrer Fachlichkeit, einhergehend mit der Übernahme von Leitungsaufgaben, ermöglicht.

Nicht zuletzt ist dieses das Instrument, um die hart umkämpfte personelle Ressource langfristig an uns zu binden. Deshalb planen wir einen zweiten Karrierepfad mit Elementen einer Fachkarriere aus.

Das heißt: Der Offizier im Cyber/ITInformationstechnik-Dienst passt nicht mehr in das Berufsbild vom Offizier als militärischen Führer. Er nimmt eine Sonderrolle ein?

Diese Aussage kann ich so nicht unterschreiben. Im Gegenteil: Die große Mehrheit der Offiziere im Cyber/ITInformationstechnik-Dienst sind militärische Führer mit fachlichem Bezug zum Cyber/ITInformationstechnik-Dienst. Sie führen in den Verbänden Züge und Kompanien. Hierfür bilden wir die Offiziere aus. So prägen wir sie. Deswegen kann ich die Versuche, die Soldatinnen und Soldaten meines Organisationsbereichs nur als „Nerds“ abzutun, nicht nachvollziehen. Um es deutlich zu sagen: Die mit diesem Begriff einhergehende negative Pauschalisierung weise ich entschieden zurück. Wir sind genauso Soldatin und Soldat wie in anderen Organisationsbereichen. Wir leisten genauso unseren Beitrag, wie es alle anderen tun – aus unserer Fachlichkeit heraus. Für einen kleinen Teil des Cyber/ITInformationstechnik-Dienstes in meinem Organisationsbereich müssen wir unser klassisches Verständnis vom Berufsbild des Offiziers als militärischen Führer jedoch anpassen. Neben der traditionellen Führungskarriere werden wir deswegen noch in diesem Jahr eine Fachkarriere im Werdegang Cyber/ITInformationstechnik-Dienst etablieren, welche in der Bereichsvorschrift zum „Verwendungsaufbau Offiziere Truppendienst im Cyber/ITInformationstechnik-Dienst“ hinterlegt ist. In dieser Fachkarriere vollzieht sich der Aufstieg rein über fachliche Qualifikationen und Tätigkeiten.

Eine Sodatengruppe steht auf dem Truppenübungsplatz

Die Soldatinnen und Soldaten des Organisationsbereichs CIRCyber- und Informationsraum trainieren ihre militärischen Grundfertigkeiten wie alle anderen.

Bundeswehr/Dieter Obermayer

Und wie wollen Sie das notwendige Fachpersonal erreichen und für Ihren neuen Werdegang in der Bundeswehr gewinnen?

Das Recruiting der Bundeswehr setzt für die Personalgewinnung heute auf einen Mix aus den verschiedensten Diagnoseverfahren. Dadurch wird eine Vielzahl an Bewerberinnen und Bewerbern an den Karrierecentern und am Assessmentcenter für Führungskräfte in Assessmentverfahren auf ihre Eignung geprüft und im optimalen Fall in die Bundeswehr eingestellt. Diese Verfahren sind etabliert und führen potentiellen Nachwuchs in großer Zahl in den Bewerbungsprozess.

Die formale Qualität für die Einstellung in eine Laufbahn ist aber nur eine Seite der Medaille: Die andere Seite ist die Frage nach den vorhandenen fachlichen Qualitäten der Bewerberinnen und Bewerber – allgemein für die Laufbahn, aber eben auch in fachlichen Aspekten. Konkret müssen wir uns die Frage stellen, wie diese Qualitäten zielgerichtet identifiziert und für die Bundeswehr an der richtigen Stelle nutzbar gemacht werden können. Die Recruiter der Bundeswehr sind für die Gesamtorganisation Bundeswehr und damit für alle Organisationsbereiche der Bundeswehr zuständig. Sie stellen von Soldaten für die Kampftruppe über Versorgungsoffiziere bis hin zu hochspezialisierten Technikern Personal für die unterschiedlichsten Aufgaben der Bundeswehr ein. Sie sind Spezialisten für Recruiting und Personalmanagement. In der Frage der fachlichen Einsetzbarkeit sehe ich demgegenüber die Bereiche in der Pflicht, in denen die Menschen später im Schwerpunkt arbeiten sollen. Für den Cyber/ITInformationstechnik-Dienst ist es eben mein Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum. Hier kennen wir die gestellten Anforderungen am besten und können zweckmäßig bewerten, welche Qualitäten in welchem Maße erfüllt sein müssen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie mit bundeswehreigenem, fachlich qualifiziertem Personal umgegangen werden soll. Hier sehe ich die Organisationsbereiche stärker als bisher in der Pflicht, diesem fachlich qualifizierten Bestandspersonal die Möglichkeit zu geben, eben auch fachlich eingesetzt zu werden. Dieses Potenzial dürfen wir zukünftig ebenso wenig ungenutzt lassen wie externes Potenzial.

Das heißt, um das richtige Personal für den Cyber/ITInformationstechnik-Dienst auszuwählen, müssen die Personalgewinnung und die fachliche Seite stärker als bisher zusammenarbeiten?

Genau, Wir müssen die in der Bundeswehr vorhanden Fähigkeiten richtig miteinander kombinieren. Denn nur durch eine enge Kooperation des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr) und des Organisationsbereichs CIRCyber- und Informationsraum kann das richtige Cyber/ITInformationstechnik-Personal aus dem Pool der Bewerber und dem Bestandspersonal der Bundeswehr identifiziert werden.

Die konkrete Idee zur Umsetzung trägt den Titel Cyber/ITInformationstechnik Evaluation Center (CITECCyber/IT Evaluation Center).

Ein Gruppenbild der Teilnehmer

Die ersten Soldatinnen und Soldaten haben sich dem Test gestellt. Generalmajor Setzer informierte sich persönlich vor Ort an der Schule

Bundeswehr/Monika Monden

CITECCyber/IT Evaluation Center – was ist das?

Wir haben in der Woche vom 25. November das erste Testmodul des CITECCyber/IT Evaluation Center durchgeführt. Rund 20 Offiziere nahmen an der ITInformationstechnik-Schule der Bundeswehr an einem vier stündigen ITInformationstechnik-Test teil. Wir konnten die Kandidatinnen und Kandidaten auf Herz und Nieren prüfen und die vorhandenen ITInformationstechnik-Fähigkeiten erkennen. Gemeinsam mit Vertretern des BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr konnte ihnen ein konkreter Verwendungsaufbau im neugeschaffenen Werdegang Cyber/ITInformationstechnik-Dienst aufgezeigt werden. Weitere 25 Offiziere stehen bereits heute in den Startlöchern und werden in einem nächsten Durchgang im Jahr 2020 geprüft. Im Endausbau wird das CITECCyber/IT Evaluation Center mögliche Werdegangswechsler, Seiteneinsteiger sowie Neubewerber auf ihre tatsächlich vorhandenen ITInformationstechnik-Fähigkeiten in den unterschiedlichen ITInformationstechnik-Disziplinen hin überprüfen. Nach der Devise „Spezialisten prüfen und beraten Spezialisten“ erfolgt dabei ein Dialog auf Augenhöhe. Ziel des Dialogs ist immer, gemeinsam mit dem BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr eine mögliche, zielgerichtete Verwendungsplanung für den Cyber/ITInformationstechnik-Dienst aufzuzeigen.

Dieses ITInformationstechnik-Screening werden wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen, denn für die Testung der unterschiedlichen Zielgruppen ergeben sich andere Testmodule und umfangreichere Überprüfungen. Die Module werden zurzeit bei uns in einer Expertengruppe unter Führung des Kommando CIRCyber- und Informationsraum erdacht und umgesetzt. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

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