Erprobung

Ausgemusterte Fregatte „Karlsruhe“: Warum ihre Ansprengung wertvolle Daten liefert

Ausgemusterte Fregatte „Karlsruhe“: Warum ihre Ansprengung wertvolle Daten liefert

Datum:
Ort:
Eckernförde
Lesedauer:
1 MIN

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Über 37 Jahren war sie bis 2017 im Dienst: die ausgemusterte „Karlsruhe“ – eine Fregatte der Bremen-Klasse. Nun soll sie angesprengt werden. Minen, viele Sensoren und Crashtest-Dummies werden dabei eingesetzt. Warum dient das dem Schutz von Soldatinnen und Soldaten? Geht das nicht auch im Computer? Und wie wird die Umwelt dabei geschützt?

  • Ein großes graues Schiff liegt in einem Hafen.

    Sicherheit geht vor: Trotz ihrer langen Liegezeit ist die außer Dienst gestellte Fregatte „Karlsruhe“ in einem guten Zustand. Die für die Ansprengungen notwendigen Genehmigungen, unter anderem durch das Bundesamt für Naturschutz, sind erteilt.

    Bundeswehr/Sven Diedrichsen
  • In einem Raum sitzt eine Puppe an einem Tisch. An der Puppe und an dem Tisch kleben Messpunkte.

    Ein Crashtest mit Dummy: An ihm befinden sich spezielle Klebepunkte. Diese haben eine bestimmte Größe: Bei einer Krafteinwirkung auf die Punkte verändert sich deren Größe. Eine Möglichkeit, die Auswirkungen zu messen.

    Bundeswehr/Sven Diedrichsen
  • An einem Gerät mit zwei kleinen Bildschirmen hängen viele lange Kabel.

    Viele Kilometer Kabel wurden innerhalb der Fregatte verlegt, um die Auswirkungen der Tests messen und dokumentieren zu können

    Bundeswehr/Steve Back

Hintergrund der Ansprengungen ist eine Untersuchung der WTDWehrtechnische Dienststelle 71, der Wehrtechnischen Dienststelle der Bundeswehr für Schiffe und Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung, im schleswig-holsteinischen Eckernförde. Diese will Erkenntnisse über die Wirkung von Sprengkörpern wie Seeminen auf ein Schiff insgesamt, vor allem aber auch auf die Besatzung erlangen. 

Seit ihrer Außerdienststellung wird die „Karlsruhe“ darauf umfangreich und kontinuierlich vorbereitet – beispielsweise durch den Einbau zahlloser Sensoren – und auf dem notwendigen Level instand gehalten. Insbesondere werden große Teile der Antriebsanlagen in Betrieb gehalten und regelmäßig Probeläufe durchgeführt.

Doch wofür das alles? Der Direktor der WTDWehrtechnische Dienststelle 71, Frank Menning, steht Rede und Antwort und erklärt, wie wichtig und komplex solche Untersuchungen sind und was die Bundeswehr unternimmt, um die Auswirkungen auf die Umwelt möglichst gering zu halten.

Sechs Fragen an Frank Menning

Die ehemalige „Karlsruhe“ ist schon seit Jahren außer Dienst gestellt. Sind die Ergebnisse der Ansprengungen überhaupt auf voll funktionsfähige Schiffe übertragbar?

Bei der ex „Karlsruhe“ handelt es sich um ein Schiff neuerer Bauart. Damit steht erstmalig ein modernes Schiff für Ansprengungen zur Verfügung, bei dem wesentliche Komponenten der Antriebsanlagen wie Dieselmotoren, Turbinen, Getriebe und Wellenanlage noch in betriebsfähigem Zustand sind. Das ermöglicht es uns einzuschätzen, wann und welche Schäden durch die Ansprengung an diesen Anlagen real verursacht werden. Vergleichbare Ansprengungen wurden in der Vergangenheit nur mit Kampfschiffen älteren Typs durchgeführt, bei denen diese Anlagen nicht mehr betriebsbereit waren. Die Antwort lautet daher ja: Obwohl die Fregatte außer Dienst gestellt ist, erwarten wir Ergebnisse wie von einem voll funktionsfähigen Schiff.

Es können mittlerweile vielzählige Situationen im Computer simuliert werden. Warum werden hier reale Ansprengungen durchgeführt?

Heutzutage kann sehr viel simuliert werden. Jedes Simulationsmodell muss aber auch validiert werden, andernfalls sind die Ergebnisse nicht vertrauenswürdig. Wenn also Komponenten des Simulationsprogramms verändert werden, dann müssen die neuen Fähigkeiten durch einen Vergleich mit Messungen in der Realität, also in dem Fall durch Ansprengungen, validiert werden. Jede Simulation beinhaltet zudem immer eine Vereinfachung der Realität. Denn die Realität ist viel zu komplex, um sie vollständig zu simulieren. Selbst mit modernsten Computern ist die Anzahl der berechenbaren Elemente zur Abbildung der Realität begrenzt. Maschinenanlagen werden zum Beispiel innerhalb des Modells eines Schiffes wie einer Fregatte als „einfache Masse“ dargestellt. Das kann man sich dann als einfachen Kasten ohne Details vorstellen. Hier kann dann die Bewegung gegenüber der Schiffsstruktur berechnet werden.

Die Wirkung der Sprengung innerhalb der Maschinenanlagen ist aufgrund der Vereinfachung in einer geschlossenen Simulation nicht möglich. Vergleichbar wäre das Vorgehen mit den Methoden bei der Entwicklung von neuen Autos. Nach unzähligen Computersimulationen werden fertige Autos mit "Crashtest-Dummies#en" an Bord real getestet, um die Ergebnisse der Simulation zu bestätigen oder eben nicht.

In welchem Zeitraum sind die Untersuchungen vorgesehen und wie viele Ansprengungen werden durchgeführt?

In der Zeit vom 21. Oktober 2024 bis spätestens zum 4. November 2024 sind mit der ex „Karlsruhe“ zwei Ansprengungen – je eine mit 50 Kilogramm und mit 175 Kilogramm Sprengstoff, in den folgenden Jahren jeweils eine Sprengung mit steigender Sprengstoffmenge bis 2028 geplant. Diese finden circa viereinhalb Kilometer von der Küste entfernt in der Ostsee statt. Nach jeder Messkampagne wird validiert, ob die Simulation und die Messungen hinreichend übereinstimmen.

Worum geht es bei der Untersuchung genau?

In dem eingesetzten Fregattentyp sind viele Komponenten enthalten, die auch heute noch in gleicher oder vergleichbarer Form verwendet werden. Damit sind die Ergebnisse gut übertragbar auf den modernen Schiffsbau: Die aus der Untersuchung gewonnenen Daten dienen also der Validierung der Simulationswerkzeuge und sind damit eine wichtige Basis für zukünftige Schiffsentwürfe. Für die Messungen werden in großem Umfang Sensorik und Aufzeichnungsgeräte im Schiff eingerüstet: Mehrere hundert Sensoren und viele Kilometer Kabel. Außerdem wird das Schiff mit speziellen Methoden vermessen, um Verformungen zu erkennen und zu bestimmen. Diese Vorbereitungsarbeiten werden im Vorfeld der einzelnen Messkampagnen durchgeführt und dauern jeweils mehrere Wochen bis Monate.

Wie wird die Wirkung der Sprengkraft auf den Menschen untersucht?

Neben den Messstellen direkt an der Schiffsstruktur und den Maschinen kommen auch „Crashtest-Dummies“ der Wehrtechnischen Dienststelle für Waffen und Munition (WTDWehrtechnische Dienststelle 91) im niedersächsischen Meppen mit eigener umfangreicher Sensorik zu Einsatz. Diese Daten sind im Bereich des Sanitätsdienstes, speziell dem Einfluss von Schocks auf Menschen, von besonderer Bedeutung, da es bislang nur Daten aus dem Zweiten Weltkrieg oder aus Unfällen und Schadensereignissen anderer Nationen gibt. Hieraus lassen sich unmittelbar Konsequenzen für unsere in Dienst stehenden Schiffe ableiten – es geht also um „Leib und Leben“ unserer Soldatinnen und Soldaten.

Welche Einflüsse hat eine solche Sprengung auf die Umwelt?

Eine Sprengung hat immer Auswirkungen auf die Umwelt, die meisten davon sind aber extrem kurzfristig: Die von der Sprengung ausgelöste Druckwelle ist von extrem kurzer Dauer und breitet sich aufgrund ihrer Stärke normalerweise sehr weit aus. Zum Schutz der Umwelt wurde ein umfassendes Konzept erstellt. Dies erfordert neben einem doppelten Luftblasenschleier auch ein umfangreiches akustisches und optisches Monitoring sowie die Vergrämung der Schweinswale für die Dauer der Untersuchungen. Allein dafür werden zusätzlich mehrere Schiffe im Einsatz sein. Die Vergrämung findet von vier Positionen rund um den Blasenschleier statt. Die Geräte werden so betrieben und positioniert, dass die Tiere aus dem Gebiet um die Sprengstelle herum vertrieben werden. Zusätzlich findet von diesen Schiffen aus die optische Überwachung des Gebietes statt. Die Komplexität des Vorhabens steigt dadurch erheblich an.

Der doppelte Blasenschleier hat die Funktion, die Druckwelle der Sprengung zu dämpfen und so die Reichweite der Druckwelle deutlich zu reduzieren. Zusätzlich wurde der Versuchszeitraum so gewählt, dass er außerhalb der sensiblen Zeit für den Schweinswal stattfindet. Der größte Teil der schädlichen Druckwirkung liegt innerhalb des vom Blasenschleier umschlossenen Bereiches, beeinträchtig also nur einen sehr kleinen abgegrenzten Teil der Meeresumwelt und ist von extrem kurzer Dauer.

Während der Sprengung entstehen sogenannte „Sprengstofftypische Verbindungen“, die unvermeidlich in die Umwelt gelangen. Gemessen an den umgebenden Wasser- und Luftmassen sind die Mengen aber sehr gering und „verdünnen“ sich schnell. Verglichen mit der Umgebung sind das sehr geringe Mengen. Durch die Druckwelle entsteht ein Krater am Meeresboden. Aufgrund der geringen Strömungsgeschwindigkeiten in diesem Gebiet kann dieser Krater über eine längere Zeit erhalten bleiben. Durch diese Veränderung der Form des Meeresbodens ist aber kein schädlicher Einfluss bekannt.

von Heike Westhöfer und Jörg Norrmann

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