Hinter den Kulissen

Wie Technikfachleute der Bundeswehr neue Luftfahrzeuge für die Truppe erproben

Wie Technikfachleute der Bundeswehr neue Luftfahrzeuge für die Truppe erproben

Datum:
Ort:
Manching
Lesedauer:
5 MIN

Transportflugzeuge, Kampfjets, Hubschrauber oder Drohnen der Bundeswehr werden ständig weiterentwickelt oder neu beschafft. Die Wehrtechnische Dienststelle für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät (WTDWehrtechnische Dienststelle 61) im bayerischen Manching überprüft, ob diese sicher und einsatzreif sind. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, was dabei besonders wichtig ist.

Ein graues Propellerflugzeug betankt einen Kampfjet mithilfe eines langen Schlauches in der Luft

Bei langen Flügen wird der Eurofighter direkt in der Luft betankt. Dazu fährt der A400M einen Tankschlauch aus.

Bundeswehr/Siegfried Beck

Die Bundeswehr muss die Sicherheit und Einsatzreife ihrer Transportflugzeuge, Kampfjets, Hubschrauber und unbemannten Systeme auch unabhängig von den Herstellerfirmen beurteilen können. Mit der notwendigen Expertise und Ausstattung testet die WTDWehrtechnische Dienststelle 61 alle von der Industrie im Auftrag der Bundeswehr entwickelten fliegenden Luftfahrzeugsysteme sowie Änderungen an Systemen, die bereits genutzt werden.

Um diesen Auftrag ausführen zu können, verfügt die Dienststelle über die gängigsten Flugzeugmuster, die bei der Bundeswehr geflogen werden. Dazu zählen unter anderem das Transportflugzeug A400M, der Kampfjet Eurofighter oder der Leichte Unterstützungshubschrauber in verschiedenen Ausführungen.

Vor dem Test: Komplexe Planung

Nachdem ein Auftrag bei der WTDWehrtechnische Dienststelle 61 eingegangen ist, beginnt zunächst die Planung: Ein Beispiel dafür ist die Erprobung eines neuen Fallschirmsystems. Grundlage für die Tests sind hier unter anderem die genauen Nutzungsvorgaben der Truppe wie Absprunggewicht, Sprunghöhe und Absetzgeschwindigkeit. Denn das Luftfahrtamt der Bundeswehr benötigt für die Zulassung eines solchen Systems die Nachweise, dass diese Anforderungen erfüllt sind und das System sicher eingesetzt werden kann – bevor der Schirm tatsächlich zum Einsatz kommt.

Um den Nachweis zu erbringen, müssen alle vorgegebenen Konfigurationen ausgiebig getestet werden: zum Beispiel das Verhalten der Fallschirme bei einer simulierten Fehlöffnung der Hauptkappe und die Reaktion des Reserveschirms darauf. Der oder die Auftragsverantwortliche der WTDWehrtechnische Dienststelle 61 überlegt deshalb, welche einzelnen Versuche mit welchen Messmitteln notwendig sind und welche Fachkompetenzen innerhalb des Testteams für das jeweilige Projekt benötigt werden. Im zusammengestellten Team werden dann weitere Details wie eventuelle Umbauten im Transportflugzeug oder die benötigten Puppen (sogenannte Dummies) besprochen und geplant. In dieser frühen Phase werden nämlich zunächst Dummies anstatt Menschen für die Erprobung eingesetzt – sicher ist sicher.

Im nächsten Schritt folgt dann nach einem standardisierten Verfahren die konkrete Flugversuchsplanung inklusive Durchführungsprogramm. Immer im Fokus dabei: die Risikoanalyse und -bewertung. Schritt für Schritt werden alle möglichen Risiken durchgegangen und anhand einer Risikomatrix nach Schweregrad und Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet – und der geplante Versuch gegebenenfalls wieder angepasst. Das Ziel: Risiken identifizieren und minimieren.

„Trockenübung“ am Boden

Nicht alle Versuche starten sofort in der Luft. Einige beginnen mit einem sogenannten Bodenversuch. Bodenversuche für Luftfahrzeuge und -geräte? Das klingt zunächst etwas widersprüchlich, dient aber ebenfalls der Sicherheit des Testteams.

Ein Beispiel dafür ist die Luftbetankung des Kampfjets Eurofighter durch das Transportflugzeug A400M. Gerade bei längeren Flügen wird der Eurofighter direkt in der Luft betankt. Dazu fährt der A400M einen Tankschlauch aus. An dessen Ende befindet sich ein Korb, mit dem sich für die Luftbetankung der sogenannte Luftbetankungsausleger des Eurofighters verbindet.

Betankung in der Luft

Nahaufnahme eines Piloten im Eurofighter

Ein Pilot tankt seinen Kampfjet Eurofighter in der Luft

Bundeswehr/Francis Hildemann

Für diesen Vorgang gibt es zwei Hauptkriterien, die in einem Bodenversuch vor dem eigentlichen Flugversuch überprüft werden können: Zum einen müssen die beiden Vorrichtungen sich so gut miteinander verbinden, dass alles dicht ist und kein Treibstoff austritt. Zum anderen darf die Verbindung aber auch nur so fest sein, dass sie sich bei zu starken Luftverwirbelungen löst. Denn die Übertragungen starker Schwingungen über den Tankschlauch könnten andernfalls den Eurofighter und damit auch die Pilotin oder den Piloten gefährden.

Um das zu vermeiden, wird die Verbindung zunächst in einem Bodenversuch nachgestellt. Dafür wird der Schlauch mit dem Korb ausgelegt und mit dem Ausleger verbunden. Erfüllt die Verbindung am Boden alle Voraussetzungen, kann es in die Luft gehen.

Flugversuch – warum in Manching?

Während andere Wehrtechnische Dienststellen über besondere Erprobungsbahnen oder -gelände verfügen, finden an der WTDWehrtechnische Dienststelle 61 Tests oft in der Luft statt. Aus diesem Grund wartet die Dienststelle in Manching mit einem Flugplatz mit zwei Start- und Landebahnen, speziell installierter Messtechnik, einem Hubschrauberschwebebereich sowie einem speziellen Erprobungsgelände beispielsweise für Absetzversuche auf. 

Und die WTDWehrtechnische Dienststelle 61 hat eine weitere Besonderheit: Um eine ungestörte Erprobung zu ermöglichen, verfügt die WTDWehrtechnische Dienststelle 61 über bestimmte Bereiche im Luftraum, die zur Durchführung von Versuchen ganz oder teilweise für andere Luftfahrzeuge gesperrt werden können.

Bei jedem Flugversuch müssen aber auch viele valide und reproduzierbare Daten gesammelt werden, weil sie die Grundlage für die sogenannte Nachweisführung bilden. Diese ist wiederum wichtig für die Zulassung eines Systems durch das Luftfahrtamt der Bundeswehr. Vor dem Abflug werden daher alle notwendigen Messeinbauten installiert und durch einen ausgebildeten und zertifizierten Prüfer der WTDWehrtechnische Dienststelle 61 abgenommen.

Für die Aufzeichnung der Versuchsdaten stehen in Manching unterschiedlichste Messinstrumente und -technik zur Verfügung: Ein solches Messinstrument ist beispielsweise der Kinetheodolit. Damit lassen sich Flugbahnen von beweglichen Flugzielen vermessen. Dazu werden die Flugziele mittels optischer Kamera verfolgt – beispielsweise, wenn aus einem Flugzeug Lasten abgesetzt werden. Während des Fluges werden dabei Lasten mit einem Fallschirm zu Boden gelassen. 

Bei der anschließenden Auswertung lässt sich dann eine Vielzahl von Parametern auswerten: So kann nachvollzogen werden, bei welcher Höhe und Geschwindigkeit und zu welcher Zeit eine Last das Luftfahrzeug verlassen hat. Darüber hinaus werden weitere Umgebungsparameter berücksichtigt. Ein Kinetheodolit kann diese Daten für mehrere Objekte gleichzeitig bei einer sehr hohen Messgenauigkeit erfassen.

Ein weißer Anhänger steht neben einem technischen Gerät auf einem Feld

Die WTDWehrtechnische Dienststelle 61 verfügt sowohl über stationäre als auch mobile Kinetheodoliten. Dadurch können die Geräte an unterschiedlichen Orten eingesetzt werden.

Bundeswehr/Andreas Knocher

Auswertung der gesammelten Ergebnisse

Nach den Versuchen werden die erfassten Daten ausgewertet und es folgen Nachbesprechungen. Dabei wird analysiert, ob alles funktioniert hat oder ob möglicherweise etwas schiefgegangen ist. Je nach Verlauf resultieren daraus neue Versuche mit geänderten Voraussetzungen. Ein Bestandteil dieser Auswertungen ist auch die Beurteilung, inwieweit sich die Risikoabschätzung als zutreffend und vollständig erwiesen hat. 

Sind die Versuche erfolgreich abgeschlossen, werden die Ergebnisse in einem Bericht an das Luftfahrtamt der Bundeswehr gesendet. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird das System dort schließlich zugelassen und freigegeben.

von Heike Westhöfer 

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