Hinter den Kulissen

Wie die Fahrzeuge der Bundeswehr auch virtuell an ihre Grenzen gebracht werden

Wie die Fahrzeuge der Bundeswehr auch virtuell an ihre Grenzen gebracht werden

Datum:
Ort:
Trier
Lesedauer:
4 MIN

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Einsatz bedeutet oft: keine Straßen, sandige oder schlammige Untergründe, unwegsames Gelände. Da müssen auch die Fahrzeuge einiges aushalten. Deshalb werden bei der Beschaffung besondere Anforderungen an die fahrbaren Untersätze gestellt. Wie das bei der Bundeswehr getestet wird, wissen die Fachleute einer speziellen Dienststelle.

Ein Ausschnitt von den Rädern und der Kette eines Panzers überdeckt von einem Tarnnetz.

Unzählige Einzelteile müssten bei einem solchen Panzer einzeln simuliert werden – ein großer Aufwand

Bundeswehr/Sebastian Moldt

Die Wehrtechnische Dienststelle für landgebundene Fahrzeugsysteme, Pionier- und Truppentechnik in Rheinland-Pfalz (WTDWehrtechnische Dienststelle 41) ist genau auf diese Art der Erprobungen ausgerichtet. Hier sind entsprechende Einrichtungen sowie das technische Know-how vorhanden: vom sogenannten Multiaxialen Prüfstand über Erprobungsbahnen bis hin zu Innovationen wie einem Labor für die virtuelle Erprobung. Deshalb ist die WTDWehrtechnische Dienststelle 41 auch bei zivilen Unternehmen sehr gefragt.

Die Erprobung durch die Dienststellen und Institute des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, hat einen guten Grund: Die Geräte sollen bis an ihre Grenzen gebracht werden – und darüber hinaus, damit sich die Soldatinnen und Soldaten im Verteidigungsfall auf ihre Ausrüstung verlassen können.

Ein Gerät auf Herz und Nieren zu testen, bedeutet aber auch, dass das Erprobungspersonal physisch besonders gefordert wird. Zum Beispiel werden auf den Erprobungsbahnen die Fahrzeuginsassen hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt. Dabei werden Muskeln und Gelenke stark beansprucht. Eine mögliche Folge sind oftmals Rückenprobleme.

Spagat zwischen Erprobung und Schutz der Testpersonen?

Jede Erprobung bedeutet, sich der Belastungsgrenze von Fahrzeugen anzunähern oder diese zu erreichen. Gleichzeitig werden aber auch die Insassen an ihre körperliche Grenze gebracht. Wichtig: Der Schutz der Fachleute vor Ort steht zu jeder Zeit an erster Stelle. Deshalb gibt es bei der WTDWehrtechnische Dienststelle 41 verschiedene Erprobungsmöglichkeiten, die die Gesundheit schützen und dennoch die Geräte maximal fordern. Eine davon sind die digitalen Prototypen.

Erprobung goes digital

Diese Form der Erprobung findet am Computer statt. Wichtigstes Instrument: Software. Diese ermöglicht es, das zu erprobende Gerät „auf den Bildschirm“ zu bringen. Dazu werden die Fahrzeuge mit ihren jeweiligen Eigenschaften in speziellen Programmen abgebildet.

Durch die digitalen Prototypen wird der Prozess einer Erprobung beschleunigt: Die Simulation auf dem PC ermöglicht, vor oder anstelle einer physischen Erprobung zu überprüfen, ob ein Fahrzeug, ein Bauteil oder Zubehör wie Ladungssicherungselemente den Belastungen standhalten würde. Das geschieht am Bildschirm und ohne dass dafür ein Fahrzeug mit Insassen auf die Erprobungsbahn muss. Die Software berechnet zum Beispiel die Belastungen, die auf ein Bauteil wirken.

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Ein animierter Panzer: Die Expertinnen und Experten gewinnen viele Erkenntnisse schon am Bildschirm. Die digitale Erprobung macht es möglich.

Berücksichtigung unterschiedlicher Faktoren

Die Technik kann beispielsweise Graben- oder Hindernisüberschreitungen im Vorfeld simulieren. Am Bildschirm wird sichtbar, wann ein Fahrzeug den Graben oder das Hindernis nicht mehr überwinden könnte.

Ein weiterer großer Vorteil dabei ist die Reproduzierbarkeit der Daten. Hier spielen äußere Einflüsse keinerlei Rolle, da die Faktoren der Simulation durch den Menschen vorgegeben werden können. Zum Beispiel wird der Software mitgeteilt, unter welchen Randbedingungen die Erprobung stattfinden soll. Es werden also Faktoren wie das Klima oder Materialeigenschaften festgelegt.

Außerdem können so auch die Auswirkungen auf einen Insassen oder eine Insassin simuliert werden: Während der Simulation werden Daten dazu gesammelt, wie ein unebener Untergrund die Muskeln und Gelenke des menschlichen Körpers beeinflussen würde. Sind diese Einwirkungen zu groß, wissen die Fachleute das bereits, bevor überhaupt eine Person in das Fahrzeug eingestiegen ist.

Effektiv, aber aufwendig

Einen Haken hat diese Form der Erprobung: Fahrzeuge können nur sehr aufwendig simuliert werden. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Fahrzeuge quasi in ihren Einzelteilen simuliert werden müssen. Bei Kettenfahrzeugen muss zum Beispiel jedes einzelne Kettenglied separat dargestellt werden. Je mehr Kettenglieder vorhanden sind, desto länger ist die Berechnungszeit der Simulation. Dieser Schritt ist bei einem Fahrzeug mit Rädern deutlich weniger komplex, dafür führt die Simulation der Reifen zu ganz neuen Herausforderungen.

Dies ist ein Grund von vielen, warum die klassische Realerprobung ein wichtiger Baustein der Arbeit an den Wehrtechnischen Dienststellen bleiben wird.

LVIS – Erprobung vor der Erprobung

Auch an den Stellschrauben der Entwicklung wird bei der WTDWehrtechnische Dienststelle 41 gedreht: Künftig sollen Fahrzeugkonzepte bereits vor dem Bau eines Prototyps ersten Untersuchungen unterzogen werden. Dazu ist an der Dienstelle ein spezielles Labor im Aufbau. In diesem Labor für virtuelle Erprobung, Integration von Bedienkonzepten und Simulation von Mobilitätsaspekten, kurz LVIS, sollen Fahrzeugmodelle noch im Konstruktionsstadium in einem realistischen Umfeld in enger Zusammenarbeit mit den Fahrzeugherstellern betrachtet werden.

LVIS vereint die Möglichkeiten einer virtuellen Erprobung mittels Modellbildung und einsatznahen Szenaren, einer sogenannten Bewegungsplattform, Geländedatenbanken, ergonomischen Untersuchungen im virtuellen Raum und in der „Multifunktionalen Ergonomie Simulationsanlage“. Auf der Bewegungsplattform sollen Fahrzeugbewegungen und Fahrten in verschiedenen Geländeprofilen realitätsnah simuliert werden. Diese Profile werden aus der Geländedatenbasis abgerufen.

Auf einem v-förmigen Gestell mit Kästen und roten Kabeln ist eine große Gitterbox befestigt.

Die Bewegungsplattform von LVIS: eine Art Käfig auf hydraulischen Stelzen, die Bewegungen in verschiedene Richtungen ermöglichen

Bundeswehr

Interaktion zwischen Mensch und Maschine

Mittels eines Cockpits können hier bald künftige Innenräume ergonomisch vorbetrachtet werden. Dank einer Nutzlast von bis zu 750 Kilogramm sind durch eine spezielle Technologie Kombinationen aus realen und virtuellen Arbeitsplätzen möglich.
    
Unter anderem ermöglicht die Simulationsanlage die Prüfung und Weiterentwicklung von Innenraumkonzepten. Hierbei steht die Interaktion zwischen Mensch und Maschine im Fokus. Ziel ist es, die im Fahrzeug befindlichen Arbeitsplätze derart zu gestalten, dass Soldatinnen und Soldaten in einer Gefechtssituation mit möglichst intuitiven Bewegungsabläufen agieren können.

Der so optimierte Entwicklungsprozess soll maßgeblich zur Fehlerbehebung im Vorfeld der Fertigung erster Prototypen beitragen und dadurch teuren Nachbesserungen und Anpassungen in der Nutzung entgegenwirken. Dadurch wird die einfache, möglichst intuitive Handhabung hochkomplexer Fahrzeug- und Waffensysteme von Soldatinnen und Soldaten sichergestellt. Der Entwicklungsprozess künftiger Fahrzeuge soll auf diese Weise so unterstützt werden, dass die Truppe bereits mit dem ersten Serienfahrzeug das bestmögliche Material erhält.

von Heike Westhöfer und WTD 41 

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