Heeresaufklärer auf dem Gefechtsfeld des 21. Jahrhunderts
Heeresaufklärer auf dem Gefechtsfeld des 21. Jahrhunderts
- Datum:
- Ort:
- Deutschland
- Lesedauer:
- 7 MIN
Ohne Informationen über den Feind tappt die militärische Führung im Dunkeln. Ihre „Scheinwerfer“ sind die Aufklärer. Sie sammeln Informationen hinter feindlichen Linien, um herauszufinden, was der Gegner vorhat. Damit die Späher auf dem modernen Gefechtsfeld erfolgreich sind, passen sie ihre Taktiken an und bekommen neue Ausrüstung.
Wenn sich die Aufklärer am Feldposten abmelden, der letzten eigenen Stellung vor den feindlichen Linien, beginnt ihre Mission. Sie sind das Auge am Feind und müssen ungesehen hinter die gegnerischen Stellungen gelangen, um herauszufinden, was dort tatsächlich vor sich geht. Wird ein Angriff vorbereitet? Wie wehrhaft sind die gegnerischen Kräfte? Wie ist es um deren Versorgungslage bestellt? All das sind Informationen, die für die militärische Führung von höchster Relevanz sind, um die eigenen Kampftruppen effektiv einzusetzen und den Feind am Ende zu schlagen.
Damit hat die Heeresaufklärungstruppe nach Jahrzehnten der Auslandseinsätze wieder einen ähnlichen Auftrag wie zu Zeiten des Kalten Kriegs. Aber die Taktiken aus den 1980er-Jahren sind größtenteils überholt. Und die Verfahren aus den Auslandseinsätzen sind ungeeignet, um in einem konventionellen Krieg zu bestehen. Das heißt, die Heeresaufklärungstruppe muss sich auf den Kampf im 21. Jahrhundert einstellen. Weitreichendere Waffen, engmaschige Überwachung sowie Angriffe durch Drohnen und ein verstärkter Kampf im elektromagnetischen Spektrum sind nur ein paar Beispiele, die das moderne Gefecht stark beeinflussen.
„Auftragstaktik“ ist ein Muss
Laufende Motoren von Fahrzeugen, aber auch Menschen strahlen Wärme ab. Wärmebildkameras machen sie sichtbar. Genauso können die Signale von Funkgeräten abgefangen und ihr Ausgangspunkt ermittelt werden. Beide Techniken sind allgegenwärtig und erschweren die Arbeit der Aufklärer. Der Grund: Die Späher bewegen sich im nur scheinbaren Schutz der Dunkelheit. Und auch die Funkverbindung müssen die Aufklärer mit ihrem Gefechtsstand aufrechterhalten. Denn die gesammelten Informationen sind nur dann relevant, wenn sie rechtzeitig an die eigene Truppe weitergegeben werden.
Trotz dieser widrigen Rahmenbedingungen müssen sich die Aufklärer bis zu 80 Kilometer tief hinter die feindlichen Linien bewegen, um die notwendigen Informationen für die militärische Führung zu sammeln. Daher passen sie ihre Taktiken den neuen Gegebenheiten an. Dies beginnt bereits bei einer Vergrößerung der Abstände untereinander, sei es innerhalb eines Spähtrupps oder der Entfernung zwischen dem Startplatz einer Drohne und dem Ort, von dem aus sie gesteuert wird. Genauso wird nur noch das Notwendigste per Funk durchgegeben – Funkdisziplin ist hier das Stichwort.
Beides mag zunächst einfach klingen, erfordert aber ein hohes Maß an Können aller Soldatinnen und Soldaten und ein großes Vertrauen der militärischen Führer in ihre Untergebenen. Denn auch nach Tagen ohne Kontakt zueinander müssen sich alle darauf verlassen können, dass Befehle befolgt und eingeübte Verfahren umgesetzt werden. Das
Umfassende Modernisierung steht bevor
Neben der Maßnahme, ihr Spähversteck einfach noch etwas tiefer unter die Erde zu verlegen, nutzen die Aufklärer Tarnnetze, beispielsweise vom Typ Barracuda, die die Sichtbarkeit und die Wärmeabstrahlung von Fahrzeugen reduzieren. Doch um auch zukünftig der eigenen Führung die notwendigen Informationen bereitstellen zu können, wird die Heeresaufklärungstruppe umfassend modernisiert.
So wird der bisherige Spähwagen Fennek durch den Korsak ersetzt. Er basiert auf einem dreiachsigen Radpanzer und wird modernste Aufklärungsoptiken sowie eine 25-Millimeter-Maschinenkanone bekommen. Verglichen mit dem nur leicht bewaffneten Fennek werden die Spähtrupps damit deutlich kampfkräftiger, sollte sie der Feind entdecken. Erste Fahrzeuge sollen Ende 2026 in die Bundeswehr kommen.
Auch bei den Radaraufklärern ist eine umfassende Modernisierung geplant. Bisher nutzen sie das PARAPanzeraufklärungsradar und das BOR-ABodenüberwachungsradar. Beide werden durch das BARÜBodengebundenes Aufklärungs- und Raum-Überwachungssystem ersetzt, das nicht nur leistungsstärker ist, sondern auch schwerer durch feindliche Kräfte geortet werden kann.
Die meisten Neuerungen gibt es allerdings im Bereich der Drohnen. So wird das System KZOKleinfluggerät für Zielortung durch den
Fünf Fragen an Oberst Ralph Malzahn
Wie hat sich die Schwerpunktverlagerung weg von den Auslandseinsätzen hin zur Landes- und Bündnisverteidigung auf die Heeresaufklärungstruppe ausgewirkt?
Die jahrzehntelangen Einsätze im Internationalen Krisenmanagement haben eine ganze Generation von Soldaten geprägt. Die Ausrichtung auf Landes- und Bündnisverteidigung betrifft im Schwerpunkt das Führungsverständnis, wenngleich auch die materielle Ausstattung angepasst werden muss. Die Bedrohungslage in einem solchen Einsatz ist ungleich höher und das Bedrohungsspektrum breiter. Zudem wird die mögliche Einsatzdauer der Aufklärungskräfte – in der Regel auf sich allein gestellt – in einer Operation länger und die Bedeutung von verzugslosen Meldungen über große Entfernungen steigt. Hinzu kommt die gestiegene Bedeutung der Fähigkeit zum Lenken von Feuer, sei es von der Artillerie oder der Luftwaffe. Bei der Ausbildung stehen Grundfertigkeiten wie Tarnen, Fliegerabwehr und Maßnahmen gegen elektronische Aufklärung wieder stärker im Vordergrund.
Welchen Auftrag hat die Heeresaufklärungstruppe im Szenario der Bündnisverteidigung an der Ostflanke der NATONorth Atlantic Treaty Organization?
Der Kernauftrag ist, als heereseigener Hauptsensor, die Bereitstellung eines möglichst vollständigen und aktuellen Lagebilds für den jeweiligen Truppenführer. Dies gilt auch an der Ostflanke. Dabei kommen die einzelnen Fähigkeiten der Aufklärer nach Bedarf abgestuft zum Einsatz. So tragen Feldnachrichtenkräfte mit ihrer Gesprächsaufklärung beispielsweise bereits in Frieden und Krise stärker zu einem Lagebild bei als unsere anderen Sensoren. Darüber hinaus leisten wir seit Jahren im Rahmen der Battlegroups und künftig auch in der Brigade Litauen einen verlässlichen Beitrag zur Demonstration von Einsatz- und Verteidigungsbereitschaft an der Ostflanke.
Drohnen sind durch den Krieg in der Ukraine allgegenwärtig geworden. Wie sehr beeinflusst diese Technologie ihr Handwerk?
Die Aufklärer nutzen seit langem verschiedene Drohnensysteme. Erfahrung in Ausbildung, Übung und Einsatz ist bei uns Normalität, insbesondere zum Gewinnen eines aktuellen Lagebilds. Allerdings: Die rasanten technologischen Entwicklungen, die sich auch auf Einsatzgrundsätze und Ausbildung auswirken, müssen künftig viel schneller Eingang in die Truppe finden und zur Wirkung gelangen. Es gilt aber auch: Eine Drohne ausschließlich zur Aufklärung zu verwenden, ist zu kurz gedacht. Wo notwendig und taktisch zweckmäßig müssen Aufklärungskräfte auch wirken können. Dabei reicht das Spektrum von den Bordwaffen der Trupps über kampffähige Drohnen bis zu Loitering Munition. Zudem sehen wir einen Bedarf zur Ausstattung unserer Truppengattung nicht nur mit luftgestützten Systemen, sondern auch über einen Mix an bodengestützten unbemannten Systemen sowohl als Sensorträger als auch als Transportplattform.
Passen Sie jetzt Ihre Datenschutzeinstellungen an, um dieses Video zu sehen
- Urheberrecht:
- © Bundeswehr (Produktionsnummer: 25E14601)
Und welche Gefährdung geht für die Aufklärer von der massiven Verbreitung von Drohnen aus?
Die erforderlichen Gegenmaßnahmen sind ebenso wichtig wie die eigene Nutzung. Durch das massive Aufkommen an Drohnen entsteht zusätzliches Gefährdungspotenzial für unsere Kräfte in ganz neuer Qualität und Quantität. Neben zu entwickelnden technischen Gegenmaßnahmen kann der Gefahr auch heute schon durch Führungsverhalten, Festlegung verschiedener Schutzmaßnahmen und eine Intensivierung der entsprechenden Ausbildung begegnet werden. Gleichwohl zeigen eigene wie auch die Erfahrungen in laufenden Konflikten, dass unbemannte Systeme zeitnah nicht das Allheilmittel darstellen. Technische Einschränkungen, wie die Abhängigkeit von robusten und resilienten Kommunikationsmöglichkeiten, physikalische Einschränkungen, wie die zum Betrieb notwendigen Wetterbedingungen, bis hin zu der Frage der Versorgbarkeit in einem länger andauernden Konflikt sind hier noch zu überwinden.
Damit ist zu erwarten, dass bei aller angestrebten Integration von unbemannten Systemen – nicht nur im Luftraum, sondern auch am Boden und zu Wasser – auch weiterhin Spähtrupps in der Tiefe des gegnerischen Geländes operieren müssen, dann aber auch selbst unbemannte Systeme einsetzend.
Wie sieht die Zukunft der Heeresaufklärer auf einem immer transparenter werdenden Gefechtsfeld aus?
Das Gefechtsfeld der Zukunft wird ganz erheblich von automatisierten Systemen und KIkünstliche Intelligenz-unterstützter Datenverarbeitung und Prozesssteuerung geprägt sein. Die Folge: Ein nahezu lückenloses Lagebild, die deutliche Verkürzung von Entscheidungszyklen und weitreichende Wirkung in der Tiefe des Raums sind nur einige Stichworte. Die Auswirkungen auf die Aufklärer sind erheblich. Dennoch sehe ich die Aufklärer kurz- und mittelfristig leistungsfähig und zweckmäßig aufgestellt. Dies bedeutet natürlich nicht, dass wir die fortlaufende kritische Überprüfung unserer Einsatzgrundsätze und die Fortentwicklung sowie materielle Modernisierung auch nur einen Tag vernachlässigen dürfen. Ganz im Gegenteil, auch hier gilt: Schneller und mehr ist dringend notwendig!
Eine ganz wesentliche Rolle spielt dabei aber auch zukünftig der Mensch – egal, ob weit vorn am Feind wie unsere Spähkräfte oder im rückwärtigen Raum eingesetzt wie die Feldnachrichten- oder Drohnenkräfte. Deren professionelles Können und vor allem die Einsatzbereitschaft bleiben entscheidend.