Jüdische Militärseelsorge

Erster liberaler Militärrabbiner in Hamburg eingeführt

Erster liberaler Militärrabbiner in Hamburg eingeführt

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In der Jüdischen Militärseelsorge sind wie in der jüdischen Gesellschaft die unterschiedlichen Strömungen des Judentums vertreten. Mit Militärrabbiner Nils Ederberg wurde nun in der Hamburger Clausewitz-Kaserne der erste liberale Militärrabbiner für die Bundeswehr-Angehörigen der fünf nördlichen Bundesländer in den Dienst eingeführt.

Eine Rabbinerin legt einem Militärrabbiner einen Gebetsmantel mit Flecktarnmuster über die Schulter.

Feierlicher Höhepunkt war die Übergabe des Tallits, des jüdischen Gebetsmantels, durch Rabbinerin Elisa Klapheck an Rabbiner Ederberg. Den Gebetsmantel in Flecktarn hatte Ederbergs Tochter, Leutnant und Sanitätsoffizieranwärterin, genäht.

Bundeswehr/Aljosa Berjan

Mit der Amtseinführung von Militärrabbiner Ederberg ist jetzt erstmalig die Außenstelle Nord des Militärrabbinats offiziell auch mit einem liberalen Rabbiner besetzt. Er ist bereits seit Mai 2023 als Militärrabbiner für die fünf Küstenländer Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zuständig. Während der Feierstunde im Beck-Saal in der Clausewitz-Kaserne in Hamburg wurde er am 11. März 2025 offiziell in sein Amt eingeführt. Entsprechend den beiden Rabbinerkonferenzen beim Zentralrat der Juden in Deutschland sind für jede der fünf Außenstellen des Militärrabbinats sowohl ein Rabbiner bzw. eine Rabbinerin des liberalen wie auch ein Rabbiner des orthodoxen Judentums vorgesehen. Damit soll der Pluralismus innerhalb der jüdischen Gemeinden auch in der Seelsorge durch das Militärrabbinat abgebildet werden.

Erstmals Rabbiner des liberalen Judentums

Nils Ederberg ist innerhalb des liberalen Spektrums Angehöriger der Masorti-Strömung, die in Nordamerika als Conservative Judaism bezeichnet wird und 1.700 Rabbinerinnen und Rabbinern weltweit hat. Mit ihm ist erstmals ein Vertreter dieser Richtung aktiv im Militärrabbinat. „Als Masorti leben wir einerseits die jüdische Tradition in allen Aspekten des Alltags. Das betrifft etwa Speiseregeln, das Einhalten von Schabbat und Feiertagen wie auch alle ethischen und moralischen Aspekte des menschlichen Zusammenlebens. Andererseits sind wir uns bewusst, dass die jüdische Tradition sich entwickelt hat und auch heute weiterentwickelt. Deshalb gibt es verschiedene Auffassungen, wie wir diese Traditionen praktizieren. Besonders wichtig ist uns die Gleichberechtigung von Frau und Mann und die Legitimität unterschiedlicher sexueller Orientierungen. In meiner Familie – meine Frau ist Gemeinderabbinerin in Berlin, unsere Tochter studiert als Sanitätsoffizieranwärterin Medizin an der Charité – haben Frauen und Männer die gleichen Rechte und Pflichten“, erzählt Ederberg. Jede Generation halte das Judentum am Leben, indem sie für sich eine Balance zwischen Tradition und Veränderung findet. Ederberg: „Nur so sind wir imstande, das Judentum unter den sich stets verändernden Umständen der Zeiten zu erhalten.“

Ein Militärrabbiner im Gespräch mit jüdischen Soldatinnen

Nils Ederberg ist nun als liberaler Militärrabbiner zusammen mit seinem orthodoxen Amtskollegen Shmuel Havlin für die nördlichen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein zuständig

Bundeswehr/Aljosa Berjan

Jüdische Religion auch im Dienst leben

Sich auch im Grunddienst und Einsatz entsprechend der jüdischen Speiseregeln ernähren zu können und an den jüdischen Feiertagen, die oft reguläre Diensttage sind, die Befolgung jüdischer Traditionen zu ermöglichen, sind nur zwei der Herausforderungen für jüdische Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Aufgabe der Jüdischen Militärseelsorge bzw. des Militärrabbinats ist es auch, die jüdischen Kameradinnen und Kameraden dabei zu unterstützen, ihrer Religion auch im Dienst so weit wie möglich nachzugehen – ohne die Auftragserfüllung zu gefährden.

Extra aus Berlin zur Amtseinführung angereist war die jüdische Soldatin Oberfeldarzt Tamara Pace Ross, Kommandeurin im Sanitätsregiment 1, Führungsbereich Berlin. „Für mich ist es ein starkes Zeichen, dass es im Militärrabbinat sowohl orthodoxe als auch liberale Militärrabbiner gibt. Denn jüdisch zu sein, eint uns alle – doch wie wir unseren Glauben im Dienst und im Privaten leben, kann sehr unterschiedlich sein. Diese Vielfalt macht das Judentum aus und spiegelt sich auch im Militärrabbinat wider. Was ich besonders schätze, ist, dass alle Militärrabbiner – unter der Leitung unseres Militärbundesrabbiners – stets kompetente Ansprechpartner für alle jüdischen Soldatinnen und Soldaten sind, unabhängig von deren persönlicher Ausprägung des Glaubens“, so Pace Ross.

Innerhalb des Zentralrats der Juden in Deutschland sind liberale Jüdinnen und Juden wie Rabbiner Ederberg in der Allgemeinen Rabbinerkonferenz organisiert. So sprach Rabbinerin Elisa Klapheck, die Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, bei der Amtseinführung ein Gebet und begleitete damit die Amtseinführung. Feierlicher Höhepunkt der religiösen Zeremonie war die Übergabe eines Tallits, des jüdischen Gebetsmantels. Den besonderen Gebetsmantel in Flecktarn hatte Rabbiner Ederbergs Tochter Judith eigenhändig genäht, mit einem Zitat aus der Tora und den Schaufäden versehen. Die religiöse Einführung ins Amt des Militärrabbiners vollzog stellvertretend für Militärbundesrabbiner Zsolt Balla dieses Mal der Berliner Militärrabbiner Alexander Nachama und überreichte Rabbiner Ederberg die Urkunde.

Militärseelsorge und Lebenskundlicher Unterricht

Zu Rabbiner Ederbergs Aufgaben gehören die Militärseelsorge für jüdische und nicht-jüdische Soldatinnen und Soldaten und der Lebenskundliche Unterricht, eine berufsethische Qualifizierung für die Kameradinnen und Kameraden. Dafür sind die Rabbiner in den Dienststellen der Bundeswehr unterwegs. „Die Zusammenarbeit mit der Jüdischen Militärseelsorge ist für uns an der Führungsakademie der Bundeswehr eine Bereicherung. Gemeinschaft gelingt durch ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren, die Vertrauen, Kommunikation und gemeinsame Werte fördern. Vielen Soldatinnen und Soldaten sind das jüdische Leben und der jüdische Glaube unbekannt. In Seminaren der Militärrabbiner haben die Bundeswehrangehörigen die Gelegenheit, mehr über das Judentum zu erfahren. Mich freut es besonders, dass sich die Rabbiner auch bei militärischen Übungsvorhaben einbringen, an Veranstaltungen unserer Akademie teilnehmen und stets als Ansprechpartner an unserer Seite stehen. Sie sind ein Teil des Ganzen“, erzählt Konteradmiral Ralf Kuchler, der Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.

Ederberg wurde 1967 in Hannover geboren und hat in Deutschland und Israel studiert. 2014 wurde er am Abraham Geiger Kolleg in Potsdam ordiniert. Bis 2018 war er anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter für Jüdische Theologie an der Universität Potsdam und bis 2023 Dozent an den Rabbinerseminaren Abraham Geiger Kolleg und dem Zacharias Frankel College an der Universität Potsdam. Er ist zweiter stellvertretender Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz beim Zentralrat der Juden in Deutschland und Kuratoriumsmitglied der Nathan-Peter-Levinson-Stiftung für die Rabbinatsausbildung in Potsdam.

Ein Militärrabbiner im Gespräch mit zwei jüdischen Soldatinnen und einem Rabbiner

Oberfeldarzt Tamara Pace Ross (2.v.r.), Kommandeurin des Sanitätsregiments 1, FüB Berlin, und Leutnant Judith Ederberg waren als jüdische Soldatinnen bei der Veranstaltung vor Ort. Hier im Gespräch mit den Rabbinern Nils Ederberg und Shmuel Havlin.

Bundeswehr/Aljosa Berjan

Militärrabbinat hat fünf Dependancen

Rabbiner Nils Ederberg betreut nun als Militärrabbiner zusammen mit seinem orthodoxen Amtskollegen Shmuel Havlin Kameradinnen und Kameraden der Bundeswehr. Die Hamburger Außenstelle des Militärrabbinats ist eine von fünf Dependancen des seit 2021 bestehenden Militärrabbinats deutschlandweit.

„Dass nun mit Ihnen, Rabbiner Ederberg, ein liberaler Rabbiner Ansprechpartner für die Soldatinnen und Soldaten ist, erfüllt mich mit besonderer Freude. Denn es zeigt auch, dass die Jüdische Militärseelsorge und das Militärrabbinat Vielfalt in besonderem Maße leben: Die verschiedenen Strömungen des Judentums auch intern abzubilden und damit unseren Soldatinnen und Soldaten entsprechend ihrer Denomination einen Rabbiner oder vielleicht in Zukunft eine Rabbinerin anbieten zu können, ist eines unserer erklärten Ziele und besondere Verpflichtung zugleich“, sagte Monika Heimburger, die amtierende Leiterin des Militärrabbinats auf der Veranstaltung.

Rabbiner Ederberg: „Ein besonderes Privileg“

In den vergangenen Wochen und Monaten hat Rabbiner Ederberg schon zahlreiche Kontakte geknüpft und sich intensiv mit den Kameradinnen und Kameraden ausgetauscht. „Für mich ist es ein besonderes Privileg, als Militärrabbiner nun die Bundeswehr mit all ihren Facetten und vor allem den 40.000 Soldatinnen und Soldaten, die an 53 Standorten dienen, kennenlernen zu dürfen. Dies bedeutet, viel unterwegs zu sein zwischen Wilhelmshaven und Rostock, zwischen Kiel und Hannover. Jetzt will ich meine ganze Kraft in die Seelsorgegespräche und in den Lebenskundlichen Unterricht stecken“, so Rabbiner Ederberg.

Jeder Rabbiner stellt sich individuell auf sein Gegenüber ein, kennt die verschiedenen Strömungen und berücksichtigt diese – vom koscheren Essen bis zu jüdischen Ritualen, insbesondere an Feiertagen, die mit Dienstreisen, Übungen oder im Einsatz kollidieren. „Gerade diese Offenheit und Sensibilität macht unsere jüdische Soldatengemeinschaft besonders. Niemand bewertet, welche Strömung „richtiger“ ist – denn was uns vereint, ist, jüdische Soldatinnen und Soldaten zu sein. Und dennoch ist es ein wertvoller Aspekt, bei speziellen Fragestellungen die Möglichkeit zu haben, den Ansprechpartner zu wählen, der der eigenen Strömung am nächsten steht. Denn während das Jüdischsein uns verbindet, kann der persönliche Glaube variieren – und auch das ist Teil unserer gelebten Vielfalt“, so Oberfeldarzt Pace Ross.

2021 war Militärbundesrabbiner Zsolt Balla in Leipzig in sein Amt eingeführt worden. Grundlage für den Aufbau der Jüdischen Militärseelsorge ist ein 2019 geschlossener Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland.

von Cornelia Riedel

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