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29 MIN

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Hier ist Bravo, kommen. This is Tengo, over. Funkkreis. Podcast der Bundeswehr. 

BGBrigadegeneral 
Herzlich willkommen zum Funkkreis, hier ist Barbara Gantenbein aus der Redaktion der Bundeswehr in Berlin, und wir haben heute eine ganz besondere Folge: Es geht um das Thema Depression. Wir haben hier zwei betroffene Soldaten und wir haben einen Experten, und wir haben den Entertainer und Schauspieler Harald Schmidt, der diese Folge moderieren wird. Warum tut er das? Tja, Sie engagieren sich schon seit Jahren bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Was ist denn Ihre Motivation dafür gewesen? 

HS
Ich habe sofort zugesagt, als mich vor – ich glaube das ist über zwölf Jahre her – Herr Professor Hegerl einfach brieflich angefragt hat. Wir haben uns kurz in Köln getroffen und da habe ich gesagt, ja, mach ich sehr sehr gerne. Ich finde das Thema sehr sehr interessant, wir haben auch in den zwölf Jahren festgestellt, dass es einen großen Bedarf in der Öffentlichkeit gibt, darüber informiert zu werden, und das ist ja auch noch der B-Teil meiner Standardantworten in diesem Fall. Natürlich dachte ich, wenn es mich selber erwischt, ist es ja immer besser, ich habe gleich die Telefonnummer vom Professor, als dass ich erst bei der Auskunft in der Warteschlange hänge. Also so ein Gewisser…

BGBrigadegeneral
So eine Win Win-Situation sozusagen.

HS
Richtig. Hoffe ich mal. Und wir machen ja öffentliche Veranstaltungen dieses Jahr in Frankfurt. Bisher haben wir die ja immer in Leipzig gemacht, alle zwei Jahre, mit großen Zulauf, und die Resonanz, die wir da haben, ist muss man sagen, sehr überwältigend.

BGBrigadegeneral
Ja, das glaube ich. Es ist ja auch wirklich eine Volkskrankheit. Deswegen haben ja auch die Bundeswehr und die Stiftung Deutsche Depressionshilfe 2021 eine gemeinsame Aktion ins Leben gerufen, Psychische Gesundheit in der Bundeswehr, und deswegen reden wir eben auch mit zwei Soldaten. Ich übergebe jetzt an Sie, Herr Schmidt, und ja, das Thema ist wirklich, glaube ich, für alle wichtig. 

HS
Vielen Dank, und ich freue mich sehr, ich hab das sehr, sehr gerne zugesagt heute, diese sozusagen Spezialveranstaltung hier in Berlin. Wir haben zwei Gäste aus der Bundeswehr. Wir haben uns geeinigt, dass wir bei dem Vornamen bleiben, damit das Ganze auch bisschen diskret bleibt. Das ist zum einem Oberstleutnant Sebastian, er arbeitet in der Redaktion der Bundeswehr, und zum anderen Hendrik, Oberstabsgefreiter in einem Panzerbataillon in Nord-Rhein Westfalen. Hendrik, meine erste Frage an Sie, vielleicht schildern Sie, wie war das bei Ihnen, als Sie gemerkt haben, es geht mir nicht so gut. Wie haben sich bei Ihnen erste Anzeichen der Depression gezeigt? 

OSG H
Das war 2003, nachdem ich aus meinem ersten Auslandseinsatz in Afghanistan zurückkam. Das machte sich eigentlich relativ schnell bemerkbar mit Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Selbstvorwürfen. Ich habe mich dann auch sozial zurückgezogen. Habe Probleme gehabt zu schlafen, stundenlanges Grübeln. So fing das halt an. 

HS
Haben Sie das selber mit Ihrem Aufenthalt in Afghanistan in Verbindung gebracht?

OSG H
Am Anfang nicht. Nein, das kam erst mit der Zeit. 

HS
Sebastian, wie war das bei Ihnen? 

OTL S
Bei mir würde ich sagen, war es tatsächlich ein schleichender Prozess. Über viele, viele Monate, vielleicht sogar Jahre, die dazu geführt haben, dass die Seele irgendwann den Notausschalter gedrückt hat und von heute auf morgen nichts mehr ging. Da spielten sicherlich Dinge eine Rolle, wie ja das Streben nach der Karriere, viele Überstunden, Auslandseinsätze, ja, so die alltäglichen Struggles, und irgendwann war das dann zu viel. 

HS
Haben Sie sich gleich an einen Arzt gewendet? 

OTL S
Na, das war ja, als ich erkannt habe, dass ich tatsächlich Hilfe bräuchte, das hat schon sehr, sehr lange gedauert. So vom Habitus habe ich immer gedacht: Gut, Du hast dich immer aus allem selber rausziehen können. Du brauchst da keine Hilfe von außen, und dann relativ schnell das Kippen in den Gedanken, naja, mir kann sowieso keiner helfen. Mir geht es so schlecht, das macht sowieso alles keinen Sinn. Und bei mir war es tatsächlich so, dass ich an einem Morgen nicht mehr aufstehen konnte. Ich war nicht in der Lage, das Bett zu verlassen, und da lag ich dann einige Zeit. Gut eine Woche war ich nicht in der Lage das Bett zu verlassen. Bis ich dann gemerkt habe, jetzt gibt es noch zwei Möglichkeiten, und habe mich dann für die erste Möglichkeit entschieden. Habe mich dann aufgerafft und habe mich, wenn Sie so wollen, selber eingewiesen. Ich bin in die Notaufnahme ins Bundeswehrkrankenhaus nach Berlin gefahren und habe gesagt: Guten Tag, Sebastian mein Name, und ich brauche Hilfe, und ab da änderte es sich. 

HS
Wie wurde da reagiert, als sie da aufgeschlagen sind?

OTL S
Ja, natürlich hat es Überwindung gekostet. Psychiatrien kannte ich bis dato nur aus schlechten Filmen. Mein erster Eindruck war, als ich in das Zimmer gekommen bin, oh mein Gott, da sind ja gar keine Schlaufen, wo ich hier festgebunden werde. Ich war da fürchterlich überrascht tatsächlich. Die Aufnahme war sehr herzlich, sehr freundlich und hat mir vom ersten Moment an das Gefühl gegeben: Ok, jetzt wird dir geholfen. Jetzt ist egal, was hier ist, es kann nur noch besser werden und deshalb habe ich da nur gute Erfahrungen in diesem ersten Moment. 

HS
Hendrik wie war das bei Ihnen? Haben Sie sich auch gleich an einen Arzt gewendet oder haben Sie erst versucht, es vor Ihrem Umfeld zu verheimlichen, wie es Ihnen geht? 

OSG H
Verheimlichen eher nicht, es ist dem Umstand geschuldet, als ich aus dem Einsatz wiederkam, durch den sozialen Rückzug, dass ich wenig Kontakt zu anderen Personen hatte. Das heißt, es ist erst Mal gar nicht aufgefallen großartig. Ein dreiviertel Jahr später war ich nochmal im KFORKosovo Force-Einsatz, und im KFORKosovo Force-Einsatz ist dann einem speziell ausgebildeten Soldaten, die so Frühwarnsymptome erkennen, dem ist aufgefallen, dass mit mir irgendwas nicht stimmt, und ich bin dann noch vor Ort zu einem Militärpsychiater gekommen, der die Diagnose äußerte, es könnte eine PTBSPosttraumatische Belastungsstörung oder eine Depression sein. Und als ich dann in Deutschland war, bin ich auch nach Hamburg ins Bundeswehrkrankenhaus gekommen, und wie ich jetzt im Nachhinein weiß, stellt sich so eine Diagnose nicht so einfach dar, weil sich manchmal die Symptome auch ähneln, und es war nicht genau klar, ob es jetzt eine Depression ist, eine Anpassungsstörung, also da war ich noch so ein bisschen ahnungslos ehrlich gesagt. 

HS
Wie lange ist es jetzt her, dass sie mit der Depression zu haben? 

OSG H
Das erste Mal klinisch diagnostiziert wurde die Depression 2008. 

HS
Also da reden wir jetzt auch schon über einen Zeitraum von 14 Jahren, ja? 

OSG H
Ja. 

HS 
Das verläuft dann in Wellen? Haben Sie auch Phasen, wo es Ihnen richtig gut geht? 

OSG H
Ich habe eine sogenannte rezidivierende Depression, also die kommt immer wieder. Die ist mal stärker, mal nicht so stark, aber eigentlich habe ich mit den Symptomen immer in irgendeiner Art und Weise zu kämpfen. 

HS
Wie lang ist es bei Ihnen jetzt her Sebastian? 

OTL S
Also bei mir war es Weihnachten vor zwei Jahren. Und ich würde sagen, es hat gute 20 Monate gedauert, bis ich sagen konnte, mir geht es jetzt wieder gut, es ist bisher nicht wieder zurückkehrt. Toi, Toi, Toi. Bin auch ganz guter Dinge und optimistisch. Aber so insgesamt, dass ich jetzt auch wieder Vollzeit arbeite und das tue, was ich tue, sind es jetzt knapp 6 Monate. 

HS 
Müssen sie denn Medikamente nehmen? 
 
OTL S
Nein, die sind abgesetzt. Also das Ausschleichen des Medikaments ist jetzt gerade beendet. 

HS
Und war da auch am Anfang so großes Bedenken, weil ich mal so alle möglichen Klischees im Kopf hatte, was einem da zugeführt wird mit Psychopharmaka. War das bei ihnen auch so? 

OTL S
Das war bei mir genauso. Ich wollte das auch nicht, ich habe es abgelehnt. Auch in der ersten klinischen akuten Phase habe ich das abgelehnt, nicht gewollt. Habe dann aber irgendwann gemerkt, dass der Weg der Besserung sehr zäh war. Also dann kam natürlich auch eine gewisse Ungeduld dazu. Wo ich gedacht habe, ok, ich war jetzt ein halbes Jahr stationär. War in zwei Bundeswehrhäusern in der ambulanten Psychotherapie, so, jetzt muss das Ding doch auch erledigt sein und es muss weitergehen. Dem war natürlich nicht so. Die Ärztin war sehr einfühlsam, hat mich sehr intensiv auch über mehrere Wochen und Monate beraten, und dann habe ich gesagt, dann lass uns das ausprobieren. Sicherlich ist da ein bisschen das Problem, bei einer anderen Erkrankung würde man Medikamente nehmen. Bei Kopfschmerzen nehme ich ein Ibuprofen, das ist vollkommen normal. Man versteht auch irgendwie, wie das wirkt. Aber das Klinische, das irgendwelche Serotonine gehemmt werden oder nicht, und dass man da jetzt irgendwas nimmt, was irgendwelche Brücken bildet oder nicht, das habe ich nicht verstanden – und ich bin Akademiker. Ich habe das nicht verstanden. Das war mir suspekt und deswegen habe ich gesagt, ich nehme das nicht. Wer weiß, was das da wirklich anrichtet. Musste dann aber ja feststellen, dass es mir geholfen hat, schlussendlich ja. 

HS 
Hendrik, nehmen Sie noch Medikamente und wie kommen sie damit zurecht? 

OSG H
Ja, ich nehme noch Medikamente. Es werden über die Jahre immer weniger, zum Glück, ich bin aber immer noch auf Antidepressiva angewiesen, und ja, ich hatte auch am Anfang schon Vertrauen in die Medizin. Aber ich dachte, ok, es betrifft jetzt die Psyche. Wie wirkt das? Der Kopf ist eh schon durcheinander, was erwartet mich da? Ich hatte schon am Anfang Bedenken, habe aber darauf vertraut, dass es der Besserung hilft.

HS
Eine Frage an sie beide, es war vielleicht so ein Klischee da oder so ein Bedenken, dass man sich als Soldat viel eher sagt, das kann eigentlich nicht sein, dass ich eine Depression habe? Dass man sagt, ich bin doch in einem Beruf, der auch eine gewisse Härte und Durchhaltevermögen fordert und dass man sich das weniger schnell eingesteht, als wenn ich in einem zivilen Beruf wäre? 

OTL S
Also ich kann da für mich sagen, dass ich das am Anfang gar nicht so für mich wahrgenommen habe. Also man hat ja objektiv nichts auszustehen. Man hat einen guten Beruf, sicheres Einkommen, ich hatte sonst keine Probleme. Keine Schulden, keine Süchte, kein irgendwas. Hatte ein stabiles Umfeld, einen guten Freundeskreis. Das passiert doch jedem, aber mir doch nicht, wie soll das sein? Ich bin vielleicht gerade ein bisschen überarbeitet oder ein bisschen gestresst, oder man hat das ein oder andere Problemchen, wo man sich anpassen muss. Ob das jetzt eine ausgewiesene Anpassungsstörung ist oder nicht, das war mir alles suspekt, und das habe ich auch so für mich gar nicht wahrgenommen. Erst als es dann soweit war, dass ich gemerkt habe, es funktioniert wirklich hier gar nichts mehr, da wusste ich, ich habe irgendwas im Magen liegen. Und dann fiel mir das auch leicht, es zu akzeptieren. Plötzlich hatte das Kind auch einen Namen, das war ganz wertvoll. Gleichwohl, es ist natürlich stigmatisierend in der Gesellschaft, in so einer Bundeswehrgesellschaft. Gerade noch in einem Offizierskorps, wo es ja wirklich darum geht zu führen, stark zu sein, stark für andere zu sein. Da selber plötzlich festzustellen, man ist schwach, das war tatsächlich schwierig und aber auch die Sorge, wie reagiert das Umfeld. Wie reagiert der Vorgesetzte, das hat ja auch was von „Outing“. Das war sicherlich am Anfang ein Thema, nachher nicht mehr, denn es half ja alles nichts, es musste ja raus. Und ich habe nur positive, aufbauende und unterstützende Resonanz wahrgenommen. Da weiß ich, das ist nicht bei allen so, ich bin da sehr dankbar für. Weiß das aber auch tatsächlich sehr zu schätzen. 

HS
Und in Ihrem Umfeld gab es aber keine Witzeleien oder Getuschel, aber Sie haben das schon mitgekriegt, dass sowas passiert, ja? 

OTL S
Ja, das habe ich schon mitbekommen. Also man ist ja auch im Gespräch mit den anderen, die man in den Einrichtungen und Krankenhäusern kennengelernt hat, da weiß man, es geht nicht bei allen so. Sicherlich wird hinter dem Rücken auch bisschen geredet worden sein, gar keine Frage. Aber nichts, was mich nachhaltig belastet. 

HS
Wie war das bei Ihnen, Hendrik? 

OSG H
Ich bin ja seit 2017 wieder eingestellt bei der Bundeswehr. Ich war 2005 bis Anfang 2017 Zivilist und bin dann auf Grund des Einsatzweiterverwendungsgesetztes auf Grund einer Einsatzbeschädigung mit Depressionen wiedereingestellt worden und hab natürlich erstmal viel Zeit in Krankenhäusern verbracht, in Therapien, und bin dann schrittweise wieder in den Dienst zurückgegangen. Ich muss auch sagen, ich hatte mit der Einheit, in die ich ja gesteckt wurde, sehr viel Glück. Sehr tolerante Kameraden und ein gutes Umfeld. Ich denke eher, dass es bei mir an meinen eigenen Ansprüchen lag. Also an der Ausbildung, die ich genossen habe bei der Bundeswehr. Immer 150 Prozent geben – und man kommt einfach nicht ran. Ich glaube, das war dieser Knackpunkt, sich selber Vorwürfe zu machen: Ich packe das nicht, ich komme morgens nicht aus dem Bett. Man entschuldigt sich, dass man verschlafen hat. Ja, und einfach das Gefühl haben, man hat nicht die Stärke, die es braucht, um die Dienstzeit zu verrichten. Witzeleien weniger. Klar kamen dann mal so, ja ich wünsche Dir jetzt schönen Dienstschluss, mit so einem Lächeln im Gesicht. Es ist 11 Uhr und die Sonne scheint heute Nachmittag. 

HS
Ja gut, das hält sich dann aber noch im Rahmen. Das kann man dann mit ein, zwei Sätzen wieder klarstellen. Was sie beide schildern ist, dass Sie von Anfang an eine sehr gute und professionelle Betreuung durch die medizinische Abteilung der Bundeswehr bekommen haben. Verstehe ich das richtig, ja? 


OTL S
Ja, also wie eingangs sagte, ich hatte sowieso das Gefühl, mir kann keiner mehr helfen. Also so krank, wie ich bin, ist kein anderer. Mir kann kein sowieso keiner helfen. Ich habe aber Mal vor deutlich längerer Zeit eine Reportage gemacht über den Oberstarzt Dr. Zimmermann, das ist der Klinikdirektor der Psychiatrie im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin und einer der führenden PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Forscher. 

HS 
Das ist die berühmte Posttraumatische Belastungsstörung, ja? 

OTL S
Ja ganz genau, und an den habe ich mich erinnert und habe mir gedacht, wenn mir einer helfen kann, dann ist es Herr Professor Dr. Zimmermann, und bin deshalb mit meinem Köfferchen zum Bundeswehrkrankenhaus Berlin gefahren. Also ich hätte ja auch zu einem anderen Arzt gehen können, der bei mir am Wohnort gewesen wäre, aber so bin ich da auf die Idee gekommen ins BwK Berlin zu fahren. Tatsächlich kann ich für mich sagen, um mich ist sich hervorragend gekümmert worden. Ich habe mich bei aller Schwierigkeit, die so ein Krankenhausaufenthalt, auch so ein Psychiatrieaufenthalt mental mit sich bringt, bei allem, wo auch dann gearbeitet wurde an einem – das sind ja dann auch die schweren Themen, die da auf den Tisch kommen –, habe ich mich sehr, sehr behütet gefühlt im Bundeswehrkrankenhaus, und da bin ich sehr dankbar für, ja. 

HS
Das schildern Sie eigentlich genauso Hendrik, oder? Die haben Sie nicht allein gelassen? 

OSG H
Genau, also ich habe ja auch den direkten Vergleich zwischen der militärischen Gesundheitsversorgung und der zivilen. Und ich muss sagen, im Zivilen ist es weitaus schwieriger, an Termine zu kommen, ob es Neurologen sind, Psychiater, Psychologen. Therapiegespräche hat man manchmal einen Vorlauf von einem halben, dreiviertel Jahr. Da erstmal einen Therapeuten zu finden, da bin ich schon froh, dass die Bundeswehr sehr gut aufgestellt ist, was das angeht. Ich habe mich auch nie alleingelassen gefühlt. Mir wurde auch immer alles erklärt, also mir wurden die Medikamente nicht hingestellt und gesagt: nimm die. Man hat gesagt, das und das musst du nehmen und dann passiert das und das. So sieht die Krankheit aus, und also man hat jederzeit eine Erklärung für das bekommen, was man gefragt hat. 

HS
Mal eine sachliche Frage: Kann man auch als Zivilist in die Bundeswehrkrankenhäuser oder sind die nur für militärische Angehörige? 

OSG H
Nein, die Bundeswehrkrankenhäuser sind auch ganz normal in die Gesundheitsversorgung der Region der Stadt und so weiter eingegliedert, und da kann man auch als Zivilist hin, ja. 

HS 
Ich war nämlich schon immer als Jugendlicher fasziniert, weil man immer hörte, Helmut Schmidt wird im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz behandelt. Meistens ja wegen der Schilddrüse und später, ich glaube dann auch Herzschrittmacher. Und das war immer so, ich hatte fast den Wunsch, da mal eingeliefert zu werden. Ich finde, die militärischen Hospitäler, auch zum Beispiel unserer amerikanischen Freunde, die sind immer im Wolter Reed Hospital in Washington. Kenne sie das? 

OTL S
Washington, das kenne ich, da war ich auch schon. 

HS
Besuchsweise? 

OTL S
Nicht als Patient, sondern besuchsweise. 

HS
Wie kommt man denn auf einen Besuchstermin im Wolter Reed Hospital? 

OTL S
Ach, das ist relativ einfach, wenn man auf Dienstreise in Washington ist für einen längeren Zeitraum, da ist die Bundeswehr ja auch verpflichtet, eine Unterkunft zu organisieren, und dann greift man natürlich auf gerne auf Liegenschaften von befreundeten Staaten zurück, die natürlich deutlich günstiger sind, als wenn man in ein Hotel geht für drei Monate. Ich bin nicht auf Station eingezogen, sondern in ein Wohnhaus auf dem Gelände.

HS
Das ist doch toll. Ich wusste nicht, wer Wolter Reed war, ich habe ihn gegoogelt. Sie wissen aber wer Wolter Reed war? 

OTL S
Nein, das Wolter Reed Medical Center kennt glaube ich jeder, ja. 

HS
Ja, der hat, glaube ich, das zentrale Medikament gegen Gelbfieber entdeckt und war, verknappt gesagt, ohne Wolter Reed kein Panama-Kanal, weil das natürlich so das große Thema war. So, das aber nur so ganz am Rande. Was würden sie denn sagen, so Kameradinnen und Kameraden, wo man merkt, die haben vielleicht Probleme. Die sind vielleicht auch depressiv. Wie sollte ich mich als Bundeswehrsoldat verhalten, wenn ich das Gefühl habe, ich habe vielleicht mit einer Depression zu tun? 

OTL S
Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, zentral wichtig ist, dass man sich Hilfe sucht. Es wird nicht besser von alleine. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, ich habe über drei Jahre experimentiert, und es wird von alleine, nachhaltig zumindest, nicht besser. Die Bundeswehrärzte sind da zentraler erste Ansprechpartner, und wenn man sich überwunden hat, sich einzugestehen, dass hier was nicht stimmt, dann ist es aus meiner Sicht ein völlig unkomplizierter Weg, auch in dieses Hilfesystem zu kommen. Man muss sich keine Sorgen machen. 

HS
Hendrik, Sie sehen das ähnlich? 

OSG H
Ja, also es gibt ja nicht nur die Fachärzte und Truppenärzte, es gibt ja noch ganz viele andere Anlaufstellen, wie die Militärseelsorge zum Beispiel, dass man sich zuerst einem Pfarrer anvertraut. Es gibt wie gesagt die „Peers“ in den Einheiten: Die Lotsen, die Ansprechstelle sind zum Beispiel, wenn man das Gefühl hat, man kommt mit sich selber gerade nicht ins Reine. Also ich denke, da gibt es jede Menge Anlaufstellen, wo man sich auch erstmal Rat holen kann. Wie sieht es aus? Was habe ich für Möglichkeiten? Und es sei jedem gesagt, wie Sebastian auch schon gesagt hat, es geht relativ schnell. Also draußen wartet man ewig, und bei der Bundeswehr, wenn das dann erkannt wurde, wird man schnell nach oben weitergereicht, wo man dann auch eine gute Behandlung erfährt. 

HS
Sind Sie jetzt auch mit Ihrem Zustand zufrieden? 

OSG H
Ja. Also es hat, wie gesagt, gedauert. Irgendwann ist so ein Knackpunkt erreicht, wo, ich sage mal die guten Erfahrungen in der Therapie überwiegen. Und da habe ich gemerkt, jetzt gerade im letzten Jahr, letzten eineinhalb Jahren, habe ich einen riesigen Schritt nach vorne gemacht. Mittlerweile bin ich wieder in Vollzeit, nehme an fast allem teil, was der Dienst so abverlangt, ja.

HS
Und Sebastian, Se auch? 

OTL S
Ja, ich auch. Es hat sich geändert, sicherlich auch der eigene Anspruch an einen selbst. 

HS
Sagen sie nochmal kurz, wie sich das geändert hat. 

OTL S
Ja, so Dinge wie Work-Life-Balance zum Beispiel, das musste ich auch lernen, aber hat für mich jetzt eine deutlich höhere Priorität als vorher. Da war es weniger Life und viel Work und also da den Weg zu finden. Das auszutarieren und das Frühwarnanzeichen zu erkennen. Nicht mehr bei allem hier zu schreien, wie man das vielleicht vorher noch gemacht hat, und auch mal zu sagen: Sorry, kann auch jemand anderes das machen? Das sind so…achtsam mit sich selber zu sein, und das ist so der Weg, und der macht mich zufrieden. So wie ich jetzt bin, arbeite wieder Vollzeit, es macht Spaß, habe ein tolles Team um mich herum. Ja, zufrieden.

HS 

Das ist doch ein sehr, sehr positiver Zwischenschluss. Ich sag mal bis hierher danke an Sie beide, Hendrik und Sebastian, auch für die Offenheit, und ich denke, dass es für Ihre Kameradinnen und Kameraden bei der Bundeswehr doch vielleicht hilfreich war, da mal reinzuhören. Aber auch natürlich für alle, die uns von wo auch immer zuhören. Jetzt kommt Professor Ulrich Hegerl, der Fachmann. Professor Hegerl ist der Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, hat eine langjährige Erfahrung in der Behandlung psychisch kranker Menschen und ist Inhaber der Senkenberg- Professur an der Goethe Universität in Frankfurt am Main. Herzlich willkommen Herr Hegerl. 

Prof H
Guten Tag Herr Schmidt, ich denke, wir duzen uns heute? Harald?

HS
Ach so, Sie und Vorname. Ulrich, Sie. Dr. Ulrich, Sie. Das klingt doch schon wie so ein Ratgeber. Das war aber doch jetzt sehr positiv, was wir hier jetzt von den beiden Herren gehört haben. Ich meine, bei aller Schwere der Krankheit, aber es geht aufwärts. 

Prof H 
Man sieht ja auch, dass Menschen mit Depressionen gar nicht dazu neigen, die Schuld bei den anderen zu suchen. Die sagen nicht, die Umgebung ist schlecht, da ist etwas schiefgelaufen, darum bin ich depressiv geworden. Sondern die neigen durch die Krankheit dazu, sich selber die Schuld zu geben. Das drückt sich auch dahingehend aus, dass jetzt hier nicht Kritik nach außen getragen wird, sondern dass man eigentlich mit dem Umfeld ganz zufrieden ist und dass man eher bei sich selber ansetzt. 

HS
Woran erkenne ich eine Depression? Was sind doch ganz klare Anzeichen? 
 
Prof H
Man ist permanent erschöpft, alles fällt schwer. Nichts macht mehr Freude. Man hat keine Lust mehr an seinen Hobbies. Schlafstörungen sind fast immer vorhanden. Man ist zwar erschöpft, aber man ist nicht gleich schläfrig. Also man schläft nicht direkt ein. Der Appetit ist im Keller, viele verlieren Gewicht. Neigen zu Schuldgefühlen, man hat einen ganz immensen Leidensdruck, weil man das Gefühl hat, man kommt da nicht mehr raus. Das führt dann auch oft zu finsteren Gedanken, bis hin zu Suizidgedanken. 

HS 
Jetzt könnte man ja vom Klischee als Küchenpsychologen sagen: Bundeswehr, klar das ist eine Parlamentsarmee. Aber letzten Endes, wir jetzt erleben es gerade in diesen Wochen, es ist ein knallharter Job und da geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod. Ist man in so einem Beruf anfälliger für Depressionen?  

Prof H
Das denke ich nicht. Die Gefahr bei der Depression ist ja, dass man vorschnell Ursachen annimmt, die in Wirklichkeit gar nicht die Ursachen sind. Man muss sich vorstellen, wenn man da reinrutscht in die Depression, dass alles, was es gerade Negatives zufällig gibt, wird, durch die Depression vergrößert wird, und zu einem ganz großen Thema wird, und ins Zentrum gerückt wird. Und dann hat man oft den Eindruck, dass das die Ursache gewesen ist. Zum Beispiel, ob jetzt beim Hendrik, ob jetzt tatsächlich der Militäreinsatz die Ursache gewesen ist, da würde ich jetzt zunächst mal sagen: unklar, und möglicherweise würde ich da ein Fragezeichen dahinter machen, denn entscheidend ist eigentlich die Veranlagung. Wenn man das Pech hat und man hat die Veranlagung mitbekommen, dann rutschen die Menschen immer wieder da rein, selbst wenn es von außen betrachtet eigentlich sehr, sehr gut geht. Ein Aspekt einer Depression, der am allerschwersten zu verstehen ist, weil wir ja alle permanent nach Gründen suchen, und dann findet man bei jedem was. Irgendwo gibt es immer irgendwas, was nicht perfekt ist, und das kann dann, wenn man das übergewichtet, zu falschen Lebensentscheidungen führen. Zum Beispiel könnte man dann sagen, dann wechsle ich den Beruf, weil man glaubt, der Beruf sei schuld gewesen. Dann lernen die Menschen ganz oft einen Beruf, vielleicht jetzt nicht so interessant, und dann rutschen sie wieder rein in diese Depression. Dann haben sie nichts gewonnen und haben die falsche Lebensentscheidung getroffen. Das Gleiche haben wir mit Partnerschaft. Man denkt, das ist der Konflikt in der Partnerschaft, das gibt es ja oft. Aber das war dann vielleicht doch nicht der wirkliche Grund. Zu verstehen, dass das eine eigenständige Erkrankung ist und man das Pech hat, diese Veranlagung zu dieser dummen Erkrankung zu haben, das ist eigentlich eine ganz wichtige Lernerfahrung. Da braucht man oft Zeit, bis man das so versteht. Und dann versteht man eigentlich auch erst das mit den Medikamenten. Denn wenn man denkt, die Ursache seien jetzt die Lebensumstände, dann würde jeder denken, ja dann ändern wir die Lebensumstände. Aber wenn man versteht, das ist eine richtige Gehirnerkrankung – und das ist es –, dann wird es verständlicher, dass alle Antidepressiva neben der Psychotherapie der wichtigste Behandlungsbaustein sind. 

HS
Lässt sich das ungefähr prozentual sagen, wie groß der genetische Anteil ist? Also wie groß ist der genetische Anteil für die Disposition dafür, dass es mich vielleicht trifft? 

Prof H
Kann man so genau nicht sagen, aber wenn man jetzt Verwandte ersten Grades hat, dann ist es so, dass das das Risiko, dass man selber erkrankt, um das Zwei- bis Dreifache erhöht ist. Aber es ist nicht nur die Vererbung. Die Veranlagung kann auch erworben sein. Zum Beispiel durch Traumatisierungen und Missbräuchen in der Kindheit wird eine Empfindlichkeit gelegt, die dafür sorgt, dass die Menschen im Erwachsenenalter häufiger an einer Depression erkranken und manchmal auch andere psychische Erkranken häufig kriegen wie Suchterkrankungen. 

HS 
Wann ist der Punkt, jetzt muss ich mir Hilfe holen? 

Prof H 
Ja, man merkt, man verändert sich völlig. Man kennt sich selber nicht mehr wieder. Wenn finstere Gedanken sich einstellen. Wenn das Leben zur Qual wird. Manche sagen mir, dann ist der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Wenn man merkt, da stimmt irgendwas nicht, dann muss man sich Hilfe holen. Ich denke, ich will bei jeder schweren Erkrankung, wie einer Blinddarmentzündung oder bei schwerer Diabetes, ich würde zum Arzt gehen. Und der muss die Diagnose stellen, dazu gehören auch Laboruntersuchungen. Man muss auch die Schilddüse anschauen, dann muss man schauen, ob einen Fatigue-Syndrom vielleicht nur vorlegt. Wie bei Long-COVID von mir aus, wo jemand permanent nur müde und erschöpft ist. Das muss man abgrenzen. Dass man sagt, es ist wirklich eine Depression, und dann muss es konsequent behandelt werden, wie jede andere Erkrankung auch. 

HS
Jetzt haben wir schon gehört, erst mal die Vorstellung so, meine Generation noch geprägt durch den Film „Einer flog übers Kuckucksnest“, ja, als erstes reißt ein, früher hat man gesagt Indianer, heute sagt man Native American, das Waschbecken raus. Eine der berühmten Szenen des Films. Man hat die Vorstellung, da sind Laschen am Bett, man wir erst mal festgeschnallt und dann kommt einer und haut eine Spritze in den Hals. Wie sind denn jetzt so die gängigsten Behandlungsmöglichkeiten, und vor allem diese große Angst, die die meisten ja haben vor Psychopharmaka, Stichwort Abhängigkeit. Also, was sind so Therapiemöglichkeiten, die mich in der Anfangszeit so erwarten, wenn ich mich zu einem Arzt begebe? 

Prof H 
In der Klinik ist es ein bisschen anders als ambulant. Die meisten Menschen werden ambulant behandelt, müssen nicht unbedingt stationär behandelt werden. Die stationäre Behandlung macht Sinn, wenn die Depression sehr schwer ist oder nicht besser wird oder Suizidgedanken sehr drängend werden, dann ist die stationiere Behandlung nötig. Die beiden Hauptbehandlungssäulen bei der ambulanten Behandlung sind Antidepressiva und Psychotherapie. Bei der Psychotherapie ist es so, dass es verschiedene Verfahren gibt, und das Verfahren, was mit Abstand, die besten Wirkungsbelege hat, ist die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie. Da geht’s darum, wie ist der Tag strukturiert. Wie Sebastian eben schön geschildert hat, dass man auch mal lernt, nein zu sagen und nicht immer für andere da ist. Dass man auch mal lernt, sich abzugrenzen. Klingt für manche lächerlich, manchen fällt es gar nicht schwer. Aber wenn man das ganze Leben gewohnt ist, für andere da zu sein und ein sehr lebenswürdiger und verantwortungsbewusster und auch hilfsbereiter Mensch ist, dann fällt es einem oft ziemlich schwer, und dann ist es oft hilfreich, wenn man einen hat, der einem das ein bisschen beibringt. In dem man zum Beispiel ganz konkrete Situationen vorstellt, wie man jetzt elegant nein sagt. Und andere Dinge gehören dazu, dass man sich nicht überfordert in der Tagesstrukturierung. Dass man auch Erholsames einbaut, dass man negative Automatismen ändert. Das sind so die Inhalte dieser kognitiven Verhaltenstherapie. Bei den Medikamenten muss man sagen, die sind besser als ihr Ruf. Der schlechte Ruf, das habe ich bereits gesagt, kommt ebene daher, dass die Leute glauben, Depression ist eine Folge von Lebensumständen, und dann leuchtet es einem nicht ein, warum man da Psychopharmaka einwerfen soll. Aber die sind besser als ihr Ruf. Die sind auch wirksam. Was man oft lesen kann, da hört man immer, die sind nicht besser als ein Placebo. Aber da muss man ein bisschen mehr verstehen von diesen Studien. Dass man sieht, dass im Versorgungsalltag, dass das auch recht wirksame Medikamente sind, die in der Regel auch recht gut vertragen werden. Werden sie nicht gut vertragen, dann kann man umsetzten auf ein anderes Medikament. Die machen auch nicht abhängig im Sinne von süchtig. Es gibt keine Neigung zur Dosissteigerung, es gibt auch keinen Schwarzmarkt, wo die verkauft werden. Das sind auch keine Pillen, die ein Gesunder nimmt, der davon high wird. Das sind keine „Happy Pillen“. Das sind Medikamente, die man unterscheiden muss von Schlaf- und Beruhigungsmittel, die machen abhängig. Aber Antidepressiva sind ganz andere Medikamente. Die ändern auch nicht die Persönlichkeit – auch eine ganz große Sorge, die die Menschen haben, dass ich nicht mehr ich selber bin. Die Menschen sagen eigentlich immer, dass wenn die Depression weggeht und der Behandlung mit den Medikamenten, dann bin ich wieder so wie ich mich kenne. 

HS
Wenn ich jetzt, sei es in der Bundeswehr oder in einem anderen Berufsalltag, das Gefühl habe, da ist jemand in meiner Nähe, der könnte Depressionen haben. Welche Möglichkeiten habe ich denn, den anzusprechen, ohne dem da vielleicht zu nah zu treten oder auch übergriffig zu werden? 

Prof H
Der beste Einstieg ist eigentlich, wenn man von den eigenen Beobachtungen und Gefühlen ausgeht. Wenn man sagt, ich kenne dich doch schon lange, du bist so verändert. Was ist denn los? So kann man einsteigen. Und dann, wenn ich dich so höre, habe ich das Gefühl, du brauchst wirklich Hilfe. Vielleicht ist es auch eine Erkrankung, die man wirklich behandeln kann. Und dann ist wichtig, dass man weiß, was man empfehlen kann. Das sind im Grunde drei Anlaufstellen in Deutschland. Bei der Bundeswehr denke ich, der Truppenarzt. Aber generell sind es die Fachärzte, das sind die Psychiater. Dann haben wir die Gruppe der Psychologischen Psychotherapeuten, das sind nicht die Psychologen. Das sind Psychologen mit einer Spezialausbildung, die haben auch mal in einer Psychiatrie gearbeitet und die können wie die Ärzte mit der Kasse abrechnen und Psychotherapie anbieten. Und dann die Hausärzte. Sehr viele Menschen werden ambulant von Hausärzten behandelt. Das heißt, man kann dann diesem Kameraden sagen: Geh‘ doch mal zu deinem Hausarzt und erzähl dem mal, dass du auch so viele finstere Gedanken hast und so verzweifelt bist. Permanent grübelst. Erzähl dem das doch mal. Oder gleich zum Facharzt. Wir können in Deutschland ja auch direkt zum Facharzt gehen. Auch ohne spezielle Überweisung, das heißt man kann gucken, wo gibt es einen Psychiater in Wohnortnähe, und zu dem dann gehen. 

HS
Das Stichwort ist hier gerade schon gefallen: finstere Gedanken. Wenn jetzt der extreme Fall eintritt, dass mir gegenüber jemand Suizidgedanken äußert, was mache ich da? 

Prof H
Für alle immer eine extrem belastende Situation. Man hat dann immer diese Verantwortung auf den Schultern, aber das muss man ein Stück weit einfach auch ertragen, da sollte man sich nicht wegducken oder nichts mehr davon hören wollen. Sondern einfach nochmal nachfragen, was ist denn los, und einfach versuchen einzuschätzen, wie gefährlich ist denn die Situation? Und je nachdem wie gefährlich die Situation ist, hängt es dann davon ab, was man tut. Wenn man das Gefühl hat, der Mensch ist tatsächlich in akuter Lebensgefahr, dann wird man den nicht alleine lassen. Dann wird man sofort versuchen, Hilfe zu organisieren, zum Beispiel einen Notarzt anrufen oder dafür sorgen, dass der Mensch in einer Klinik vorgestellt wird, um zu schauen, ob er ganz akut einer Behandlung bedarf. Wenn es nicht ganz so schlimm ist, dann kann man ihn motivieren, dass er zum Arzt geht und das abklären lässt. Und ihm vielleicht dabei helfen, einen Termin auszumachen und da anzurufen und ihn vielleicht auch hinzubegleiten. Das sind so Dinge, womit man helfen kann. Also man muss professionelle Hilfe organisieren, und man ist nicht selber bei einer Depression verantwortlich für die Heilung und die Behandlung, genauso wenig wie bei einer schweren Diabetes. 

HS
Dann ist mein spontaner Eindruck, dass wir es für heute doch hätten. Außer Sebastian, Hendrik, haben Sie noch Fragen an Dr. Ulrich? Professor Hegerl? 

OSG H
Im Moment nicht, dass ich wüsste. Nein. 

OTL S
Wir kennen uns ja auch schon länger und werden uns auch noch häufiger sehen. Wenn mir noch was einfällt, weiß ich, an wen ich mich wenden kann. 

HS
Gut, ich darf mich ganz, ganz herzlich bedanken für die Einladung bei der Redaktion der Bundeswehr. Das habe ich sehr, sehr gerne gemacht. Vielleicht ist es ja überhaupt eine Idee, dass wir uns an spezielle Berufsgruppen auch mal wenden oder auch Verbände. Es gibt ja sicher viele Bereiche, wo das Thema Depression nicht so einfach ist, am Arbeitsplatz ich sage mal geäußert zu werden. Ich sage nochmal ganz herzlichen Dank Sebastian, Hendrik für die Offenheit, die Mitwirkung. 

BGBrigadegeneral
Und ich bedanke mich bei allen Beteiligten für die offenen Aussagen und nehme da auch bisschen was draus mit. Holen Sie sich Hilfe. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer holen Sie sich wirklich Hilfe, wenn sie betroffen sind oder Sie jemanden kennen, der betroffen ist. Es gibt auch Informationen auf bundeswehr.de, also „Bundeswehr Punkt de Slash Depression“, da finden Sie auch einen Selbsttest, den könne sie machen, und sie finden dort alle Telefonnummern von alle Ansprechpartner, die sofort für Sie zur Verfügung stehen. Also holen Sie sich Hilfe. Ansonsten kommen Sie gut durch die Woche. Ich melde mich ab aus dem Funkkreis. Machen Sie es gut, Tschüss. 


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