Haushälter im Ausland

Der Mann für alle Fälle

Der Mann für alle Fälle

Ort:
Ulaanbaatar
Lesedauer:
9 MIN

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Ulaanbaatar ist für Klaus Lohmanns zu einer zweiten Heimat geworden. Seit nun zwölf Jahren betreut der 51-Jährige die deutschen Ausbildungsverbände im Land der Winde. Als Beauftragter für den Haushalt sorgt er dafür, dass es der Truppe in der Steppe an nichts fehlt.

Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch und unterschreibt ein Dokument, vor ihm zwei Nationalwimpel.

Klaus Lohmanns arbeitet auch in der Mongolei im Hintergrund. Als erfahrener Beamter verwaltet er den Haushalt der Ausbildungsunterstützung.

Bundeswehr/Marco Dorow

Warum bist du hier und was ist dein Auftrag in der Mongolei?

Klaus Lohmanns: Als Beauftragter für den Haushalt ist meine eigentliche Heimat Mittenwald. Dort bin ich verantwortlich für das Gebirgsjägerbataillon 233 und die Winterkampfschule. Hier im 6.500 Kilometer entfernten Ulaanbaatar verantworte ich den Haushalt der Ausbildungsunterstützung Mobile Training Team sowie die Zelle Verwaltung und Organisation. Für diesen Job bin ich im Schnitt fünf bis sechs Monate jährlich in der Mongolei. Warum ich letztlich diese Aufgabe habe, ist einfach erklärt: Damals haben die Gebirgsjäger aus Mittenwald den Auftrag bekommen, als erstes Kontingent die Ausbildung der Mongolen für die Mission Resolute Support in Afghanistan zu gewährleisten. Und ich saß zufälligerweise mit in der Chefbesprechung, als der damalige Kommandeur dies kommunizierte und darauf bestand, dass ein eigener Verwaltungsbeamter dabei sein müsse. Entsprechend war ich bei dem ersten Durchgang gleich mit dabei und danach hatte das Verteidigungsministerium - ganz im Sinne „Never change a running team“ - entschieden, dass das Kernteam nicht verändern werden solle. Und ja, zwölf Jahre später sitze ich immer noch hier. 

Zwölf Jahre sind ja eine sehr lange Zeit. Warum hast du dich entschieden, selbst so lang Teil der Mission zu bleiben?

Zunächst konnte ich tatsächlich nicht viel mit Asien anfangen. Aber schon nach kurzer Zeit habe ich das Land kennen und lieben gelernt. Ich bin ein absoluter Fan der Landschaft, der Weite und der unterschiedlichen geographischen Gegebenheiten. Auch die Mentalität der Menschen ist klasse. Die Mongolen sind herzensgut und sehr offen Fremden gegenüber. Auf der einen Seite hat man hier das einfache Leben, aber anderseits auch die Freiheit des großen Landes. Die Mongolei ist viermal so groß wie Deutschland und hat nur knapp drei Millionen Einwohner. Der Ausspruch „sich frei bewegen“ bekommt hier nochmal eine ganz andere Bedeutung. Das alles ist in den Jahren gewachsen. Heute habe ich gute Verbindungen zur Botschaft sowie zum Militärattaché und ich habe in dem Land sehr viele einheimische, gute Freunde gefunden. Diese Kontakte sind sehr wertvoll für unsere Ausbildungsunterstützung. Es ist einfach das Gesamtpaket, das passt. 

Der mongolische Erfolg als Prädikat für die Gebirgsjäger

Ein deutscher Soldat erklärt mehreren mongolischen Soldaten etwas in der Steppe.

Die Ausbildung der mongolischen Kameraden durch deutsche Soldaten ist hochwertig und einsatznah. Auch deswegen ist bei dem Einsatz Resolute Support in Afghanistan kein mongolischer Teilnehmer ums Leben gekommen.

Bundeswehr/Marco Dorow

Letztes Jahr ist Resolute Support beendet worden. Welche Auswirkungen hatte das für dich und den Auftrag?

Das stimmt. Von dem plötzlichen Ende waren wir natürlich auch betroffen. Wir mussten hier in der Mongolei von jetzt auf gleich den Schalter umlegen. Vorher war das Mobile Training Team (MTTMobile Training Team) durch die Versorgungsleistung der Mission Resolute Support mit abgedeckt. Das ging nun nicht mehr. Ab diesem Zeitpunkt musste das MTTMobile Training Team sich breitflächig selbst aufstellen und versorgen können. Laut Vorschrift muss das alles über die Wehrverwaltung laufen, also über mich. Entsprechend hatte ich dafür dann auch die Verantwortung. Von der Feldküche über Unterkünfte bis hin zur Verpflegung: Die gesamte Truppenversorgung wurde dann schlagartig neben dem Haushalt zu meiner Aufgabe. Entsprechend ist auch mein Budget aufgestockt worden, sodass ich die notwendigen Ausgaben leisten kann.

Wie erlebst du die Zusammenarbeit mit den Mongolen?

Direkt von Beginn an war die Kooperation mit den Einheimischen tadellos. Das liegt natürlich auch an der Vorbereitung in Deutschland. In Unterrichtseinheiten zur interkulturellen Kompetenz haben wir vorab die Do’s and Don'ts gelernt. Ein Beispiel ist: Trete nie mit dem rechten Fuß auf die Schwelle einer Tür. Im Nomadenglauben stellt die Schwelle der Tür den Hals des Familienoberhauptes dar. Das Erlernte hat unsere Truppe auch eins zu eins umgesetzt. Bis heute gab es in dieser Hinsicht keine schlimmeren Vorfälle. Die Zusammenarbeit war teilweise so gut, dass es heute noch zwischen den Deutschen und den Mongolen Freundschaften gibt, die bis auf die ersten Kontingente vor zwölf Jahren zurückgehen. Wie die gemeinsame Arbeit gewachsen ist, sehen wir ja auch an all den mongolischen Kameraden, die zur Zugführer- und Kompaniechefausbildung nach Deutschland kommen. Und auch diese Soldaten trifft man dann hier wieder. Zum Beispiel haben wir in diesem Kontingent einige Sprachmittler, die vor einigen Jahren in Deutschland ausgebildet wurden. Insgesamt hat die Bundeswehr aufgrund dieser Hochwertausbildung ein sehr gutes Standing in der Mongolei, wie mir erst vor Kurzem der Botschafter berichtete. Dass unsere Ausbildung Früchte trägt, haben wir auch in Afghanistan gesehen. Vor einigen Jahren lobte uns der mongolische Verteidigungsminister damit, dass aufgrund unseres Trainings kein einziger mongolischer Soldat bei Resolute Support auch nur schwer verletzt worden ist. Das blieb auch so bis zum Ende des Einsatzes. Und das ist wirklich ein Prädikat für Deutschland. Darauf dürfen die Soldaten stolz sein.

Ohne Mampf kein Kampf

Ein Mann in grünem T-Shirt steht vor einer viel befahrenen Kreuzung in Ulaanbaatar.

Von der Verpflegung bis zum Ausbildungsmaterial: Klaus Lohmanns versorgt mit seinem Team selbst die Truppe in der Mongolei

Bundeswehr/Marco Dorow

Wie sieht für dich als Haushälter ein klassischer Tag in Ulaanbaatar aus?

Als Beauftragter für den Haushalt habe ich ein gewisses Budget und in diesem Budget muss ich mich bewegen. Daran sind also meine Ausgaben geknüpft. Wir haben hier täglich mannigfaltige Dinge zu erledigen. Das beginnt zunächst mit der Verpflegung, wir kennen es alle: Ohne Mampf kein Kampf. Wir gehen Lebensmittel einkaufen und ersetzen defekte Küchenutensilien. Aber auch Ausbildungsmaterialien wie Holzwände als Zielbauten für die Schießausbildung müssen beschafft werden. Ich verhandele für Großtransporte selbst mit den Lieferanten die Verträge aus und stelle sicher, dass die Lieferungen zeitlich eingehalten werden. Zur Unterstützung habe ich ein Team mit vor Ort. Allein würde ich das hier gar nicht schaffen. Das ist also alles Teamarbeit. Die Kameraden stellen mit meinen Mitteln sicher, dass es der Truppe hier vor Ort, ob in der Ausbildung oder privat, an nichts fehlt. Neben alltäglichen Besorgungen haben wir aber auch große Projekte, wie beispielsweise den Bau einer Kletterhalle in Sagsai im Westen der Mongolei. Dort sind die mongolischen Kameraden stationiert, die hier von uns ausgebildet werden. Das ist ein nicht unerheblicher Teil an Mitteln, der von der Bundesregierung bewilligt wurde. Fachlich verantwortlich ist dafür unser Kontingentführer, Oberstleutnant Johannes Schwegler. Mit seiner Expertise hat er den Bau angeleitet. Ich selbst prüfe und verwalte die korrekte Nutzung der verwendeten Gelder. Gleichzeitig bin ich auch das Bindeglied zwischen der Truppe und der Botschaft sowie dem Stab des Militärattachés. Das ist vor allem wichtig, wenn wir hohen Besuch erwarten, wie jetzt demnächst den Generalinspekteur der Bundeswehr. Das muss natürlich zwischen Deutschland und der Mongolei koordiniert werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir hier im Hintergrund täglich dafür sorgen, dass der Bedarf der Truppe gedeckt ist und die Ausbildung stattfinden kann.

Gibt es Projekte, auf die du besonders stolz bist?

Es gibt einige tolle Beispiele, aber eines hebt sich von den anderen ab. Wir haben am Peace Support Operation Training Center (PSOTC) eine nagelneue Instandsetzungshalle gebaut. Warum? Die alte mongolische Halle, die wir bis dato für die Instandsetzung nutzten, wurde aufgrund der maroden Decke so langsam zu einem Sicherheitsrisiko. Das bestätigte uns auch der Militärattaché bei einem Besuch im Jahr 2018. Dadurch konnten wir selbst handeln. Kurz: Wir entschlossen uns, eine neue Halle zu bauen. Das fand alles noch unter dem Dach von Resolute Support statt. Bei diesem Vorgang treten besonders die Unterschiede zwischen deutschen und mongolischen Behörden hervor. In Deutschland habe ich ein Finanzbauamt und Objektmanager, dann muss ich die Planungen erstmal an den Infrastrukturstab geben und dann dauert das einige Jahre, bis der tatsächliche Bau startet. Hier in der Mongolei haben wir das ganze Projekt innerhalb von einem Monat angestoßen. Wir haben einfach die Instandsetzungstruppe und den Schirrmeister gefragt, was sie in der Halle an Ausstattung brauchen, von der Hebebühne bis zur Lampe, und haben anschließend den Grundriss selbst gezeichnet. Damit sind wir dann zu mehreren Baufirmen gegangen, diese haben ein Auswahlverfahren durchlaufen und danach bekam ein Anbieter den Zuschlag. Ich habe den Bau selbst überwacht. Das war sicherlich nicht einfach, denn ich musste dafür viele Male zurück in die Mongolei reisen, aber letztlich war die Halle, wie gefordert, Ende 2019 fertiggestellt. In dieser kurzen Zeit so eine moderne Halle zu bauen, das war schon erste Klasse. Und die Truppe ist zu hundert Prozent zufrieden mit dem Ergebnis. Die Soldaten können jetzt unter Einhaltung der deutschen Sicherheitsbestimmungen ihrer Arbeit nachgehen. Und am Ende zeigt es uns auch wieder, was wir alles bewegen können, wenn der Wille da ist.

Alleinstellungsmerkmal Mongolei

In einem staubigen Camp steht eine moderne Instandsetzungshalle.

Im Peace Support Operation Trainings Center hat Klaus Lohmanns für die Truppe eine hochmoderne Instandsetzungshalle bauen lassen

Bundeswehr/Marco Dorow

Wie würdest du die bürokratischen Vorgänge in der Mongolei mit denen in Deutschland vergleichen?

Die Mongolei ist bei Verwaltungsvorgängen im Vergleich zur deutschen Bürokratie viel entspannter. Hier können wir viel freier arbeiten. In Ulaanbaatar kann ich viel autarker agieren. Nehmen wir das Beispiel der Beschaffung: Wir haben den Auftrag, für 30 Soldaten zu kochen. Da fährt man schnell zum Supermarkt, kauft selbst ein oder spricht persönlich mit den Lieferanten. Dazu haben wir in Deutschland gar keine Berechtigung. Da hast du zuerst dein Verpflegungsamt und andere Behörden, die solche Vorgänge erstmal verlangsamen. Das hast du hier in der Mongolei nicht. Ich kann solche Aufträge viel einfacher umsetzen. Und diese eigene Freiheit des Handelns, selbstverständlich im Rahmen der Vorschriften, macht es unbeschreiblich spannend und die Arbeit macht dann auch Spaß. Was uns immer mal wieder vor Herausforderungen stellt, ist die Sprache. Wir bewegen uns hier zwischen Englisch, Mongolisch, Russisch und Deutsch. Bei vielen Dingen ist man hier oft einfach Lost in Translation. Was heißt das? Viele Informationen gehen beim Gang der Übersetzung verloren. Deswegen muss immer sichergestellt werden, dass der Gegenüber auch wirklich 100 Prozent der eigenen Botschaft verstanden hat. Das dreimalige Nachfragen gehört hier zur Tagesordnung und kommt uns als Deutsche natürlich erstmal unhöflich vor. Aber das gehört einfach dazu. Das gilt auch für Verträge. Diese werden uns zunächst auf mongolischer Sprache vorgelegt und wir müssen diesen erst einmal übersetzen lassen. Und das dauert ewig. Da schätze ich natürlich die deutsche Pünktlich- und Genauigkeit. 

Was erzählen dir die deutschen Kameraden, wenn ihr über die Mongolei redet?

Hier habe ich nur positive Rückmeldungen erhalten. Für viele ist es eine einmalige Möglichkeit, in dieses Land zu reisen. Die Ausbildung in der Mongolei ist für die Soldaten ein Alleinstellungsmerkmal. Denn sind wir mal ehrlich, nicht viele Menschen in Deutschland können von sich behaupten, schon mal in der Mongolei gewesen zu sein. Das Großartige an dieser Mission ist, dass die Kameraden an den Wochenenden die facettenreichen Möglichkeiten in dem Land erforschen können. Vom Theaterbesuch über die Reise zu den vielen Sehenswürdigkeiten bis hin zu Offroad-Touren in der Steppe, ob Kultur, Natur oder Sport, all das machen wir möglich. Und das wird auch angenommen. Nach Abschluss des Aufenthaltes brauchen viele Soldaten erstmal eine gewisse Zeit in Deutschland, um dann zu merken, wie viele großartige Erfahrungen sie in der Mongolei gemacht und welch klasse Menschen sie kennengelernt haben. Ich sprach ja vorhin schon von den Freundschaften, die auch noch nach zwölf Jahren präsent sind. Insgesamt ist das mongolische Volk sehr freundlich und das nehmen die Gebirgsjäger natürlich auch wahr und schätzen das auch an den Menschen. 

Was denkst du, können die Gebirgsjäger von den Mongolen mitnehmen?

Ganz klar: Aus wenig viel machen! Wir tendieren in Deutschland immer dazu, mehr zu fordern als wir tatsächlich brauchen. Und das sehe ich auch häufig in der Truppe so. Ich muss ganz ehrlich sagen, die Mongolen bauen hier von 0 auf 100 eine Gebirgsjägertruppe auf und zwar mit den einfachsten Mitteln. Hier gibt es keine Kataloge, die man aufblättern kann, um zu sagen, ich brauche dies und das. Und wenn ich diese Mittel nicht habe, kann ich keine Ausbildung betreiben. Die Mongolen gehen hin und sagen, sie haben es nicht und machen die Ausbildung trotzdem. Und das können wir Deutsche von den Mongolen lernen: Kreativ sein und aus wenigen Mitteln das Beste herausholen.

Mehrere Menschen stehen vor hohen Gebäuden und einer Statue auf einem Platz in Ulaanbaatar.

Kultur oder Natur: Die Mongolei bietet den deutschen Soldatinnen und Soldaten mehr als nur trockene Steppe

Bundeswehr/Marco Dorow


von Maximilian Kohl

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