Maritime Task Force UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon

Alter Einsatz, neue Herausforderungen

Alter Einsatz, neue Herausforderungen

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in See
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Die Fregatte „Brandenburg“ verließ am 21. März 2024 unter dem Kommando von Fregattenkapitän Andreas Scheiba ihren Heimathafen Wilhelmshaven mit Kurs auf das Seegebiet vor dem Libanon. Dort ist sie seit dem 9. April 2024 Teil der Maritime Task Force von UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon, geführt von Flottillenadmiral Dirk Gärtner und seinem internationalen Stab in Naqoura.

Ein graues Kriegsschiff entfernt in See

Als Teil der Maritime Task Force von UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon ist die Fregatte „Brandenburg“ im Seegebiet vor dem Libanon im Einsatz

Bundeswehr/Luana Hofmann

Seit 2006 ist die Fregatte „Brandenburg“ das erste Mal wieder in den libanesischen Gewässern im Auftrag der Vereinten Nationen unterwegs. In enger Absprache mit den libanesischen Behörden werden Fischer, Segler und vor allem Handelsschiffe angesprochen und überprüft. Das Ergebnis wird an die Behörden weitergeleitet, die ihrerseits weitere Maßnahmen ergreifen können und verdächtige Fahrzeuge genauer überprüfen.

Ein anderer und ebenso wichtiger Auftrag ist die Überwachung des Luftraums, insbesondere im Süden des Landes. Die Zahl gewaltsamer Auseinandersetzungen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet hat in den vergangenen Monaten wieder zugenommen, also auch dort, wo die UNUnited Nations im Einsatz ist.

„Auftrag der Fregatte ‚Brandenburg‘ ist die Überwachung des See- und Luftraums vor der libanesischen Küste sowie die Unterstützung bei der Ausbildung der libanesischen Marine“, erklärt der Kommandant der „Brandenburg“, Fregattenkapitän Andreas Scheiba. „Auch die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit innerhalb der Maritime Task Force liegt im Fokus. Bei diesem Einsatz arbeiten wir eng mit internationalen Partnern, mit denen wir in unseren Heimatgewässern eher selten üben. Das Training mit Nationen wie Bangladesch, Indonesien, der Türkei und Griechenland erfordert es, aus dem gewohnten Handeln und Denken auszubrechen und offen für Neues zu sein“, so Scheiba weiter. „Diese Internationalität und der Austausch zwischen den Kulturen machen jedoch auch den Reiz dieses Einsatzes aus.“

Kein sicheres Umfeld: Die Gefahr ist allgegenwärtig

Die Fregatte „Brandenburg“ dient hierbei als Frühwarnsystem für die Kameradinnen und Kameraden an Land und ist ein unverzichtbarer Sensor bei der Erstellung eines gesamtheitlichen Lagebilds. Mit ihrem Luftraumüberwachungsradar ist sie in der Lage, Aktivitäten im Luftraum zu erkennen, zu analysieren und an die entsprechenden Stellen im Hauptquartier zu melden. Dies ermöglicht eine frühzeitige Einschätzung der Lage und bei Bedarf das Aufsuchen von Schutzräumen, um vor den Einschlägen von Raketen, Bomben und Granaten in der Nähe sicher zu sein.

„Wenn Sie sehen, wie UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon in der Bundeswehr intern lange Zeit angesehen wurde, als Einsatz, der in einem prinzipiell sicheren Umfeld stattfindet, so hat sich dies seit dem 7. Oktober 2023 schlagartig verändert. Daher sind für uns jetzt Fragen in den Vordergrund getreten, die ich so vorher zwar im Hinterkopf hatte, aber die nun deutlich präsenter geworden sind“, so Flottillenadmiral Dirk Gärtner, Kommandeur der Maritime Task Force. Dabei gehe es um Fragen wie diese: Wie viele EPaEinpersonenpackung-Pakete stehen noch zur Verfügung? Wie sieht ein möglicher Rückzugsplan für das Kontingent aus? Wie organisiert man einen längeren Aufenthalt im Shelter? Welche Auswirkungen hat das auf die Führungsorganisation?

Gärtner ergänzt: „Damit einhergehend ist ein Wandel des Einsatzes der Maritime Task Force: von der reinen Implementierung der Resolution 1701 im Bereich Verhinderung des Waffenschmuggels und Überwachung des Seeraums hin zur zusätzlichen Unterstützung der Landtruppen, indem wir das Luftlagebild über der Area of Operation unseren Partnern an Land zur Verfügung stellen. Dies dient dann im besten Fall als Vorwarnung, falls es wieder von beiden Seiten zum Waffeneinsatz kommt.“

Ein Soldat steht neben einem Pfeiler mit Schildern, auf denen Orte mit Entfernungen stehen

Flottillenadmiral Dirk Gärtner war 2007 als erster Offizier und 2008 als Kommandant und Kontingentführer bereits bei UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon im Einsatz

Bundeswehr/Marc Tessensohn

Auch die Besatzung der Fregatte „Brandenburg“ hat diese Auseinandersetzungen miterlebt. Soldaten des Schiffes waren zu einem Besuch im UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon-Hauptquartier in Naqoura, um die Erfahrungen der letzten Wochen mit den Kameradinnen und Kameraden vor Ort auszutauschen und sich über die Möglichkeiten der operativen Führung zu informieren, als sie aufgrund bevorstehender Gefechtshandlungen in den Schutzräumen untergebracht werden mussten. Eine reine Sicherheitsmaßnahme, da die UNUnited Nations selbst kein Ziel dieser Handlungen ist. Um aber auch in solchen Situationen die Soldatinnen und Soldaten möglichst schnell wieder an Bord nehmen zu können, wartete die Fregatte unter erhöhtem Eigenschutz vor der libanesischen Küste. Die Einschläge waren auch von Bord aus noch gut zu hören und zu sehen.

Diese Situationen erleben die Soldatinnen und Soldaten der Vereinten Nationen in Naqoura fast täglich. Wie präsent die Gefahr ist, wird deutlich, wenn man weiß, dass die dort stationierten Soldatinnen und Soldaten Raketen, lasergelenkte Bomben, Drohnen und unterschiedliche Arten von Artilleriemunition teilweise am Klang erkennen und zuordnen können.

Ausbildung als Teil der Mission

Ein Kernelement dieses Einsatzes ist auch die Ausbildungsunterstützung der libanesischen Streitkräfte, die zukünftig die Gewässer vor der Küste selbstständig überwachen sollen. Doch wie genau sieht eigentlich diese Ausbildung aus und wie läuft die Zusammenarbeit? Flottillenadmiral Gärtner erklärt dies so: „Die Zusammenarbeit ist wirklich sehr gut. Man muss sehen, dass die Ausbildung grundsätzlich auf zwei Säulen beruht. Wir haben einmal die Unterstützung durch die Einheiten in See, durch welche wir Trainings für die libanesischen Streitkräfte auf unseren seegehenden Einheiten bieten können.“

Und der zweite Teil? „Der zweite Teil ist das sogenannte NETCNaval Equipment and Training Center (Naval Equipment and Training Centre), das Element, welches wir in Jounieh haben“, sagt Gärtner. „Dies sind unsere fünf Soldatinnen und Soldaten, die direkt in die Ausbildung der libanesischen Marine eingebunden sind. Die Jounieh Naval School, die wir letztes Jahr einweihen konnten, auch dank der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung, ist dabei natürlich auch ein wichtiger Meilenstein.“ Sie zeige: Die Schullandschaft werde aufgebaut und die Libanesen würden aktiv darin unterstützt, das gesamte Training der libanesischen Marine moderner zu gestalten. Auch sehe man hier deutlich, wie die unterschiedlichen Bereiche in einer zukunftsweisenden Ausbildungsstätte zusammenliefen.

Gärtner fügt hinzu: „Darüber hinaus stimmen wir uns jetzt natürlich auch mit weiteren internationalen Gebernationen ab, wie zum Beispiel den Amerikanern. Sie haben nun seegehende Einheiten den Libanesen übergeben, welche jetzt in die Ausbildungslandschaft mit eingegliedert werden. Und dann geht es natürlich auch darum, genau diese Einheiten in das operative Geschäft der Überwachung der Hoheitsgewässer mit einzubinden.“

Die Ausbildungsunterstützung findet demnach nicht nur an Land statt, sondern auch auf See und in der Luft. Dazu gehören auch gemeinsame Manöver mit der Air Force der Lebanese Armed Forces, die mit ihren Hubschraubern – auch zum Fähigkeitserhalt der Piloten – den gemeinsamen Flugbetrieb auf der Fregatte „Brandenburg“ trainiert. Unter anderem werden Search-and-Rescue-Missionen (SARSearch and Rescue), also Such- und Rettungseinsätze im Verbund der Kräfte auf See unter Einbeziehung der Air Force der Libanesen, oder auch das Verbringen von Personen an oder von Bord mittels einer am Hubschrauber installierten Winde, der sogenannten Winch-Ex, geübt. Dies ermöglicht es dem Hubschrauber, verletzte Personen von Bord zu bringen, selbst wenn eine Landung auf dem Schiff nicht möglich ist.

Wie wird dieser Einsatz weitergehen?

Militär kann immer nur ein Mittel unter vielen sein, um einen Waffenstillstand zu stabilisieren. Dies sieht auch Flottillenadmiral Gärtner so: „Ich glaube, das Entscheidende ist, wenn wir uns den Einsatz UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon anschauen, dass das Militär nur ein Mittel sein kann. Wir können sicherlich einen Waffenstillstand stabilisieren. Und bei allen kritischen Punkten, die man gegen UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon haben kann, muss man anerkennen, dass von 2006 bis 2023 eine Phase eines geringen Kampfhandlungsaufkommens zu verzeichnen gewesen ist. Denn am Ende des Tages können Konflikte nur politisch gelöst werden, was für mich das eigentlich Wichtige ist.“

Blick dreier Soldaten aus einem Helikopter auf ein Schiff auf dem Meer

Militär ist wichtig – doch es gibt weitere Mittel, um einen Waffenstillstand zu stabilisieren

Lebanese Armed Forces/PAO UNIFIL


Laut Gärtner bleibe nun aber die Frage, wie man jetzt nach der aktuell wieder laufenden Konfliktphase agieren wolle und wie eine politische Lösung aussähe. Dies seien seiner Meinung nach die Kernfragen, auf die sich die Aktivitäten der internationalen Staatengemeinschaft momentan konzentrieren würden. Hier müsse dann eingehend geprüft werden, welche Auswirkungen das auf das Mandat habe. Gärtner formuliert es so: „Die Frage ist, wie die Resolution 1701 in der aktuellen Lage verändert werden muss. Auch andere Faktoren spielen bei dieser Frage eine Rolle, nicht nur der Blick auf die libanesisch-israelische Grenze.“

Am Ende des Tages nehme er in jedem Fall mit, dass der Verlierer auf beiden Seiten momentan die Zivilbevölkerung sei, betrachte man die bisherigen Schäden. Hierbei sei es der wichtigste Schritt für beide Seiten, zum Status quo vor dem 7. Oktober 2023 zurückzukehren und die Kampfhandlungen zu beenden. Das Fazit des Admirals: „Im weiteren Verlauf muss durch die internationale Staatengemeinschaft mit allen Akteuren eine langfristige Konfliktlösung erarbeitet werden. Danach kann betrachtet werden, inwieweit eine militärische Beteiligung weiter stattfindet und welche Rolle der deutschen Marine dabei zuteilwird.“ 

von Florian Westphal

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