Ein Tag an der irakischen Pionierschule
Ein Tag an der irakischen Pionierschule
- Datum:
- Ort:
- Bagdad
- Lesedauer:
- 4 MIN
Die bei der NATONorth Atlantic Treaty Organization Mission Iraq (NMI NATO Mission Iraq) eingesetzten Soldatinnen und Soldaten beraten unter anderem verschiedene Ausbildungseinrichtungen der irakischen Streitkräfte. Einen Tag lang begleite ich Advisor Philip S. an seinem Arbeitsplatz in Taji – und erhalte spannende Einblicke in seinen Arbeitsalltag und die Ausbildung im irakischen Pionierwesen.
Die Abteilung Training Development Division (TDDTraining Development Division) der NATONorth Atlantic Treaty Organization Mission Iraq ist zuständig für die Beratung der irakischen Truppenschulen in der sogenannten Greater Bagdad Area. Der Auftrag der hier eingesetzten Advisor? Die jeweilige Schulführung mit Ratschlag und Fachexpertise zu unterstützen, sodass Ausbildungsprozesse optimiert und Lehrgangsplanungen sowie Lehrgangsinhalte bestmöglich gestaltet werden können.
Einer der Berater der Training Development Division ist Hauptmann Philip S. Als Advisor fährt er mehrmals wöchentlich an die Military Engineering School nach Taji. Nach 147 Tagen im Einsatz zeigt er mir heute seinen Arbeitsplatz und lässt mich an seinen gesammelten Eindrücken und Erfahrungen teilhaben.
Der Tag beginnt
08.20 Uhr – mit Schutzausstattung, Notfallrucksack und Kamera ausgestattet, begebe ich mich zum abgesprochenen Ort. Da die Fahrt nach Taji in der Verantwortung der Force Protection liegt, treffen wir uns zum vereinbarten Zeitpunkt, der „Showtime“, heute mit unseren lettischen Sicherheitskräften an den Fahrzeugen. Das Team ist sehr professionell und die Verfahren vor der Abfahrt sind eingespielt, sodass die Befehlsausgabe nur wenige Minuten dauert und wir unseren Weg nach Taji bereits nach kurzer Zeit antreten können.
Das Camp Taji, ein riesiger militärischer Bereich, liegt etwa 40 Kilometer nordwestlich von Bagdad. Auf der etwa 60-minütigen Fahrt prasseln die Eindrücke nur so auf mich ein: Die Hochhäuser der aufstrebenden Großstadt weichen mit einem Mal einer immer tristeren und ländlicheren Gegend. Verkehrschaos und Straßenverkäufer prägen das Verkehrsbild außerhalb der Metropole.
Der Weg durchs blaue Tor
„Ich bin der erste Advisor der NATONorth Atlantic Treaty Organization Mission Iraq an der irakischen Pionierschule“, erzählt mir Philip S. während der Fahrt, „in meiner Zeit hier habe ich viele Einblicke in das irakische Militär erhalten. Im Unterschied zur deutschen Pioniertruppe sind die irakischen ‚Engineers‘ im Rahmen von Operationen nicht der Kampftruppe unterstellt. Hier sind sie grundsätzlich auf sich selbst gestellt und müssen zum Beispiel auch für ihre eigene Sicherheit sorgen.“ Ich bin zunehmend gespannter auf das, was mich heute erwartet.
Die Military Engineering School liegt relativ zentral im Camp Taji. Ein blaues Tor markiert den Eingang zum Schulgelände. Zu zweit betreten wir das Büro des Schulkommandeurs: Oberst Juma empfängt uns überaus herzlich. Man spürt die Freude und die Herzlichkeit, die der kampferfahrene irakische Offizier für meinen deutschen Kameraden aufbringt: „Wir freuen uns über die Zusammenarbeit mit der NATONorth Atlantic Treaty Organization, mit den Beratern der NMI NATO Mission Iraq und mit Philip im Speziellen. Mit seiner Art und seinen kreativen Einfällen bietet er uns regelmäßig neue Ideen, unsere Ausbildung besser zu gestalten. Das bereichert die Schule immer wieder aufs Neue.“
Riesige Wasserbecken inmitten der irakischen Wüste
Die Besprechung im Büro des Schulkommandeurs dauert etwa 30 Minuten. Thematiken wie NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kurse, die Lehrgangsplanung des kommenden Quartals, Weiterbildung im Bereich Methodik und Didaktik und das Ergebnis der letzten Dienstaufsicht werden besprochen. Es ist imposant, wie Philip S. von einem Themenbereich zum nächsten springt, ohne dabei den Redefluss zu unterbrechen oder gar den roten Faden zu verlieren.
In einem beiläufigen Nebensatz schlägt Oberst Juma während eines Rundgangs über das Schulgelände vor, auch die praktische Ausbildung zu besuchen. Stolz, uns seine Schule präsentieren zu dürfen, führt er uns an mehreren künstlich angelegten Wasserbecken vorbei. „Besonders die Ausbildung zum Brückenschlag ist ein Schwerpunkt der irakischen Pionierschule. Im Kampf gegen den Islamischen Staat 2013 mussten die irakischen Pioniere dauerhaft die Bewegungsfreiheit ihrer eigenen Truppen sicherstellen. Das Schaffen von Gewässerübergängen war dabei unerlässlich“, erläutert Philip S., während wir unseren Weg fortsetzen.
Ausbildung am Husky
Die praktische Ausbildung, die wir im Anschluss besuchen, behandelt das Detektorfahrzeug Husky. Die irakische Armee sowie einige Mitgliedsstaaten der NATONorth Atlantic Treaty Organization sind mit einem ähnlichen Modell ausgestattet. Vor dem 2,64 Meter hohen Fahrzeug wirken die irakischen Soldaten und ihre Ausbilder mit einem Mal ganz klein. „Der heutige Unterricht fokussiert sich auf die Ausbildung der Kraftfahrer sowie auf eine erste Geräteeinweisung“, erklärt uns Oberleutnant Ahmed, der Leiter der Ausbildungseinheit, in fließendem Englisch.
Bis heute stellen improvisierte Sprengsätze die bei weitem größte Gefahr für den Irak dar. Dank des Huskys können die irakischen Streitkräfte diese frühzeitig lokalisieren. „Durch den ordnungsgemäßen Einsatz des Fahrzeugs und den richtigen Umgang mit dem Gerät erhöhen wir den Schutz für die Soldaten“, so Oberleutnant Ahmed.
„Eine wertvolle Erfahrung“
„Im Kern sind die Anforderungen, die in Deutschland und im Irak an die Pioniertruppe gestellt werden, die gleichen“, erklärt mir Philip S., „wir sorgen dafür, dass unsere Wege frei sind, dass unsere Soldaten bestmöglich geschützt werden, dass zeitgleich der Gegner weitestgehend in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird und wir uns so Zeit verschaffen können.“
Die Einsatzrealität im Irak, die geringe Truppenstärke der irakischen Pioniertruppe und die Breite des Aufgabenspektrums stellen die irakischen „Engineers“ jedoch vor Herausforderungen. „Was ich hier dennoch beobachten durfte, waren durchweg engagierte, motivierte und vor allem leistungsbereite Soldaten, die voller Überzeugung für ihr Land einstehen und jederzeit willig sind, sich selbst zu verbessern und ihren Auftrag mit dem ihnen gegebenen Material zu erfüllen. Mein Einsatz hier ist für mich eine wertvolle Erfahrung, sowohl in der Zusammenarbeit mit dem irakischen Militär als auch auf interkultureller Ebene.“