Südsudan: Schnelle Hilfe durch UNMISSUnited Nations Mission in South Sudan
Südsudan: Schnelle Hilfe durch UNMISSUnited Nations Mission in South Sudan
- Datum:
- Ort:
- Südsudan
- Lesedauer:
- 6 MIN
Der Bürgerkrieg im Südsudan findet trotz internationaler Vermittlungsversuche kein Ende. Der Krieg trifft vor allem die Zivilbevölkerung. Schnelle Hilfe nach Auseinandersetzungen kommt meist nur durch die UNUnited Nations-Friedensmission UNMISSUnited Nations Mission in South Sudan, zu der auch Soldaten der Bundeswehr gehören. Die Lebensbedingungen der notleidenden Bevölkerung vor Ort zu verbessern, ist einer der Aufträge der UNUnited Nations-Friedensmission UNMISSUnited Nations Mission in South Sudan im Südsudan. Im Field Office der Friedensmission in Yambio werden zu diesem Zweck Hilfskonvois vorbereitet. Hauptmann Alexander B. berichtet von einem seiner Einsätze.
Die Herausforderung
Es ist acht Uhr morgens, als der Konvoi von unserer vorgeschobenen Basis Yambio losrollt. Über die vor uns liegende Straße wissen wir wenig. Die letzte UNUnited Nations-Patrouille auf dieser Strecke liegt mehr als drei Jahre zurück. Unser Ziel ist die umkämpfte Kleinstadt Nagero. Sie liegt mehr als 100 Kilometer von uns entfernt. Kartenmaterial gibt es nicht, einzig die Aussagen der lokalen Bevölkerung dienen uns als Hinweise. Angst, uns zu verfahren, müssen wir trotzdem nicht haben: Es gibt nur eine halbwegs befahrbare Straße, falsches Abbiegen ist somit ausgeschlossen. Um überhaupt die Fahrt antreten zu können, haben wir viel Zeit und Arbeit investiert. Auch stand die südsudanesische Armee unserem Vorhaben zunächst kritisch gegenüber und hatte einige Vorbehalte angemeldet, die wir erst in mehrtägigen Gesprächen ausräumen konnten.
Auf dem Weg
Doch schon auf den ersten Metern der Fahrt sind die Mühen der vergangenen Tage vergessen. Meine Beifahrerin, eine Frau Oberstleutnant aus Ghana, und ich haben vielmehr eine angeregte Diskussion über die Gestaltung der vor uns liegenden Reise. Sie pocht darauf, ihren MP3-Player mit Musik laufen zu lassen und dabei das Funkgerät abzuschalten, die überflüssigen Durchsagen würden den ungetrübten Hörgenuss beeinträchtigt. Ich störe mich eher an ihrem Musikgeschmack, einer wilden Mischung aus Hip-Hop und entspanntem Reggae. Wir einigen uns auf einen Kompromiss: Das Funkgerät bleibt an, der MP3-Player wird bei relevanten Funksprüchen leise gestellt.
Ein schwieriger Auftrag
Während wir auf der ungewohnten Route langsam die ersten Kilometer bewältigen, kommen uns unentwegt Flüchtlinge entgegen, die Schutz in der Provinzhauptstadt suchen. In dem dort neu entstehenden Flüchtlingslager haben wir in den vergangenen Tagen Interviews mit den vielen bereits zuvor angekommenen Menschen geführt. Sie alle erzählen von Plünderungen, vom systematischen Abbrennen ganzer Orte und von Erschießungen von Zivilisten.
Diese Berichte sind der Grund für unsere Patrouille. Ziel ist es festzustellen, was wirklich vor Ort passiert ist, welche Hilfe benötigt wird und ob Kriegsverbrechen verübt wurden. Zu unserer Kolonne gehört daher eine Vielzahl von Mitarbeitern internationaler und nationaler Hilfsorganisationen, sowie eine Gruppe internationaler Juristen, die die Verbrechen möglichst detailliert für eine spätere Aufarbeitung der Geschehnisse dokumentieren soll. Wir UNUnited Nations-Militärbeobachter helfen hierbei, wo immer nötig, aus. Unser Hauptauftrag ist jedoch, Absprachen mit den Konfliktparteien zu treffen. So soll verhindert werden, dass der Konvoi selbst Ziel eines Angriffes wird.
Im Niemandsland
Nach einigen Kilometern sehen wir schlagartig keine Menschen mehr. Das ist für uns eine Premiere im Südsudan. Selbst in den entlegensten Winkeln des Landes haben wir zuvor immer Leute getroffen. Häufig kommen Kinder, durch unseren Motorenlärm angelockt, an die Straße gelaufen und Kleinhändler hoffen auf ein gutes Geschäft. Dieses völlig ungewohnte Gefühl der Leere wird sich auf den nächsten 100 Kilometern nicht ändern. Wir durchfahren ein Niemandsland, erschaffen durch den Bürgerkrieg und seine schnell wechselnden Fronten.
Nach rund der Hälfte der Strecke sehe ich erstmals in diesem Land freilebende Affen. Es sind Paviane. Sie haben nichts mit den uns bekannten Tieren aus dem Zoo oder den Touristenparadiesen gemeinsam. Die hiesigen Exemplare sind extrem scheu und flüchten schon in großer Entfernung. Freilebende Tiere sind abgesehen von streunenden Hunden und wilden Ratten, welche hier jedoch problemlos Katzengröße erreichen, im Südsudan nahezu ausgerottet. Die ständige Nahrungsknappheit infolge der Verwüstungen des Bürgerkrieges und die völlig unkontrollierte Verbreitung von Waffen waren schon vor längerer Zeit das Todesurteil für die meisten heimischen Säugetiere.
Zeichen des Krieges
Langsam nähern wir uns durch ein verlassenes Land dem Ziel. Etwa 20 Kilometer vor Nagero bemerken wir die ersten abgebrannten Tukuls. Tukuls, diese für das Land so typischen kleinen Lehmhäuser, bleiben auch in der heißesten Mittagshitze angenehm kühl, das Strohdach hält auch dem stärksten Tropenschauer stand. Bei den ersten zerstörten Häusern entlang der Straße halten wir an und machen Fotos zur Dokumentation. Nach drei Stopps haben wir genug Material gesammelt, die Bilder fangen an sich zu gleichen. In den Fahrzeugen des Konvois herrscht nun gedrückte Stimmung. Wir alle haben noch die Berichte der Flüchtlinge in den Ohren und nun auch die dazu passenden Bilder vor Augen.
Bilder der Zerstörung
Als wir am frühen Nachmittag in Nagero ankommen, ist die Stadt, wie auch alle Orte zuvor, völlig verwaist. Insbesondere der Zustand des Krankenhauses, des größten im Umkreis von 100 Kilometern, ist erschreckend. Erst einige Monate zuvor wurde es komplett fertiggestellt. Nun blicken wir auf ein zum Teil geplündertes und zum Teil willkürlich zerstörtes Gebäude. Einige Mitarbeiter der uns begleitenden Hilfsorganisationen, die dieses Krankenhaus mit aufgebaut und betrieben haben, sehen das Ergebnis ihrer Arbeit der letzten Jahre in Trümmern. Wir vermuten, dass die Zerstörung durch eine der Konfliktparteien erfolgte, um der anderen den Zugriff auf medizinische Hilfe zu verwehren.
Empfang durch den Kommandeur
In der Kaserne der Stadt werden wir durch den örtlichen Befehlshaber der Regierungsarmee empfangen. Die Begrüßung ist freundlich, doch seine Meinung zu den Geschehnissen ist eindeutig: Die Schuld an den Zerstörungen tragen die Rebellen unter Mithilfe der Zivilbevölkerung. Die Verhandlungen sind für uns UNUnited Nations-Militärbeobachter immer ein Drahtseilakt: Neben der Klärung der drängenden Fragen zum Ablauf des Geschehenen ist uns auch die Etablierung eines dauerhaften Gesprächskanals wichtig. Wir versuchen Vertrauen aufzubauen, sodass wir bei zukünftigen Konflikten schneller vermitteln können. Gute Beziehungen helfen uns auch dabei, in Zukunft schneller Zutritt zu den umkämpften Gebieten zu erhalten.
Probleme auf der Rückfahrt
Nach dem intensiven Gespräch drängen wir unsere zivilen Partner zum Rückmarsch. Eine Fahrt bei Dunkelheit wollen wir unbedingt vermeiden, ein früher Aufbruch verschafft uns eine Stunde Reserve. Unser Drängen soll sich auf der Rückfahrt bezahlt machen: Neben einigen technischen Problemen mit verschiedenen Fahrzeugen steuere ich unseren Geländewagen in ein großes Wasserloch. Es geht nichts mehr. Nach einer Stunde und mit vereinten Kräften gelingt uns die Bergung. Glücklicherweise sind außer einem äußerst unangenehmen Innengeruch durch das zuvor im Fußraum stehende Wasser keine Schäden am Fahrzeug entstanden. Den Spott aller Konvoibeteiligten habe ich dennoch für den Rest der Fahrt sicher, schließlich galten die Deutschen hier zuvor als hervorragende Fahrer und wir waren bisher die einzigen ohne Bergebedarf.
Auftrag ausgeführt
Rückblickend war die Patrouille trotz der Umstände ein Erfolg. Wer genau die Schuld an den zahlreichen Verbrechen trägt, können wir nicht feststellen. Es scheint eindeutig, dass keine der beiden Seiten unschuldig ist. Als UNUnited Nations-Militärbeobachter endet unsere Arbeit hier. Wir schreiben unsere Berichte, dokumentieren, was wir gesehen und gehört haben, und versuchen mäßigend auf die Konfliktparteien einzuwirken. Die weitergehenden, eventuell auch einmal strafrechtlich relevanten Untersuchungsberichte werden die Juristen, die uns begleiteten, noch die nächsten Wochen, Monate und vielleicht sogar Jahre beschäftigen. Wir hingegen planen schon den nächsten Konvoi in die Gegend, mit zahlreichen Hilfslieferungen für die vielen tausend Flüchtlinge.
Kontakt für die Presse
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Bundeswehr/Janin Tietz
Oberstleutnant Christian Schneider
Sprecher für die Einsätze der Bundeswehr im Internationalen Krisenmanagement