Gemeinsam stark

Multinationale Sanitätsübung im UNUnited Nations-Camp Naqura

Mehrere Soldaten hocken um einen weiteren Soldaten und behandeln ihn.

UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon ist die älteste aktive friedenserhaltende Mission der Vereinten Nationen. Das Hauptquartier befindet sich in Naqura im Libanon. Insgesamt sind etwa 10.000 Soldatinnen und Soldaten aus über 40 Nationen an der Mission beteiligt. Ein wichtiger Baustein stellt die medizinische Versorgung dar.

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  • Ein Soldat in Uniform steigt hinten aus einem Krankenwagen aus. Er hat einen Rucksack in der Hand.
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    Die Übung beginnt

    Notruf im UNUnited Nations-Camp, es muss schnell gehen. Oberstabsarzt Ramon R.* wird alarmiert –heute steht eine umfangreiche Übung auf dem Programm. Diese sieht vor, dass sich im österreichischen Teil des Feldlagers ein Unfall ereignet hat, der eine sofortige medizinische Versorgung erfordert. Mit dem Krankenwagen unter Blaulicht und Martinshorn eilt der Sanitätsstabsoffizier herbei. Das deutsche und österreichische Kontingent verbindet die gemeinsame medizinische Versorgung im Einsatzgebiet. Dafür wurde eigens eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit der beiden Länder im Einsatz geschrieben.

    Ramon R. führt beispielweise tägliche Sprechstunden für Soldatinnen und Soldaten beider Länder durch. Dafür nutzt er die Sanitätseinrichtung im österreichischen Bereich. Die österreichische Sanitätseinrichtung verfügt über Material und Ausstattung, um eine professionelle allgemein- und notfallmedizinische Erstversorgung sicherzustellen. Diese Zusammenarbeit ist überaus erfolgreich. Im UNUnited Nations-Camp Naqura gibt es außerdem ein Hospital der Vereinten Nationen, welches allen Nationen im Einsatz eine weitere Behandlungsmöglichkeit auf Krankenhausniveau bietet.
     

  • Ein verletzter Soldat liegt am Boden. Weitere Soldaten kümmern sich um ihn.
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    Erstversorgung unter Zeitdruck

    Als Oberstabsarzt Ramon R., im deutschen Kontingent liebevoll „Doc“ genannt, am Unfallort eintrifft, sind bereits Ersthelfer anwesend. Sie haben den Unfall gesehen und Alarm ausgelöst. In der aktuellen Übungssituation ist ein Soldat vom Dach eines Schuppens gestürzt. Dabei können die unterschiedlichsten Verletzungen eintreten. Ist äußerlich etwas zu erkennen? Vielleicht am Kopf oder an den Armen und Beinen? Ist der verletzte Soldat ansprechbar? Sieht man Blut durch die Uniform dringen? Die Antworten auf all diese Fragen werden schnell nach einem bestimmten Schema in Erfahrung gebracht.

    Neben den Ersthelfern war auch Fachpersonal schnell am Unfallort. Vom österreichischen Kontingent ist ausgebildetes Sanitätspersonal dabei. Dieses beginnt mit der ersten qualifizierten Hilfe, bevor der Arzt eintrifft. Die Übung wird dokumentiert, gefilmt und beobachtet. Auf diese Weise kann später auf ausgewählte Abschnitte eingegangen und vor allem die gesamte Übung nachbesprochen werden. Man lernt viel voneinander.

    Der „Doc“ war exakt fünf Minuten nach Alarmierung mit dem Krankenwagen und seiner medizinischen Ausrüstung vor Ort. Der verletzte Soldat ist ansprechbar und kann den Helfern seine Schmerzen beschreiben. Schnell wird klar, dass er sich neben einigen Schürfwunden auch am Kopf sowie möglicherweise an der Halswirbelsäule verletzt hat. Jetzt heißt es vorsichtig sein. Jeder falsche Griff könnte die Verletzungen verschlimmern und unter Umständen eine Querschnittslähmung verursachen. Ramon R. steht nebenbei im ständigen Kontakt mit dem medizinischen Dienst der UNUnited Nations, das heißt direkt mit dem im Camp ansässigen Hospital.
     

  • Eine rollbare Trage aus dem Krankenwagen wird von einem Soldaten geschoben.
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    Weitere medizinische Versorgung notwendig

    Eine erweiterte medizinische Versorgung wird dringend benötigt. Es wird entschieden, diese zunächst im nahegelegenen Sanitätsbereich der Österreicher vorzunehmen. Dafür muss der verletzte Soldat dorthin transportiert werden. Im Krankenwagen ist dafür eine mobile Trage mit Rädern vorhanden. Moderne Ausstattung im Einsatz rettet Leben. Außerdem wird ein Helikopter angefordert, um einen schnellen Transport in ein großes Krankenhaus sicherzustellen. Dafür muss der Verletzte stabil genug und „flugfähig“ sein. Eventuell ist dafür vorab eine weitere Versorgung im UNUnited Nations-Hospital notwendig. Viele Entscheidungen können erst kurzfristig getroffen werden, diese hängen dabei immer vom Zustand des Verletzten ab.

  • Der Verletzte wird von weiteren Soldaten auf die Trage gelegt. Der Arzt überprüft die Vitalwerte.
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    Eine Art Luftmatratze kommt zum Einsatz

    Mit speziellem Material wird der verletzte Soldat vorsichtig auf die Trage gelegt. Es kommen Schienen und eine Vakuummatratze zum Einsatz. So kann der Rücken so gut wie möglich stabilisiert und geschützt werden. Außerdem werden ständig die Vitalwerte des Verletzten wie Blutdruck, Herzfrequenz, Atmung und auch die Ansprechbarkeit überwacht. Die ersten intravenösen Zugänge wurden bereits gelegt. Die Handgriffe sitzen. Unter Anleitung vom „Doc“ wissen alle, was sie zu tun haben. Das gemeinsame Training zahlt sich aus und selbst die Beobachter und Bewerter sind vom Zusammenspiel aller beeindruckt. Dennoch ist der Weg zur vollständigen Versorgung noch weit.

  • Der Verletzte wird auf einer Trage von mehreren Soldaten in den Krankenwagen geschoben.
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    Transport zur Sanitätseinrichtung

    Nachdem der Verletzte sicher auf die Trage gelegt wurde, beginnt die nächste Phase. Er wird in den Krankenwagen verbracht und die Fahrt startet. Dabei kann eine solche Tour in die Sanitätseinrichtung sehr unterschiedlich ausfallen. Beispielsweise spielen hier die Länge der Fahrstrecke und auch die Beschaffenheit des Bodens eine Rolle. Es fährt sich auf einer befestigten Straße ganz anders als auf einem Feldweg. Gerade bei Rückenverletzungen ist das ein wichtiger Faktor, den man nicht unterschätzen darf. Mit geringer Geschwindigkeit auf holpriger Straße geht es nun zur Sanitätseinrichtung mit erweiterter Ausstattung. Dort soll die weitere Notversorgung zur Stabilisierung vorgenommen werden.

  • Der Verletzte wird auf der Trage liegend von drei Soldaten in einen Raum getragen.
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    Im Sanitätsbereich angekommen

    Nach einigen Minuten ist man auch schon am Ziel. Der Krankenwagen kann dabei bis vor den Sanitätsbereich des österreichischen Kontingents fahren. Alle sanitätsdienstlich ausgebildeten Soldaten packen weiter mit an und weichen dem Verletzten nicht von der Seite. Mehrere Räume stehen für die Behandlung zur Verfügung. Hier liegen weitreichendes medizinisches Material und Ausrüstung bereit. 

    Die Ausstattung des Sanitätsbereichs entspricht einer sogenannten Role-1-Versorgungseinrichtung. Role ist ein international Standard, der die verschiedenen Ebenen der sanitätsdienstlichen Versorgung beschreibt. Die Role-1-Einrichtung ist dabei die erste Stufe der Notfallversorgung, bei der man in einer baulichen Einrichtung tätig ist. Die weiteren Stufen reichen bis hin zu einer Versorgung in einem voll ausgestatteten Krankenhaus.

  • Der verletzte Soldat liegt auf der Trage und wird von mehreren Soldaten behandelt.
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    Flugverlegung wird vorbereitet

    Im Sanitätsbereich des österreichischen Kontingents findet normalerweise die truppenärztliche Behandlung statt, sprich die tägliche Sprechstunde. Hier behandelt „Doc“ Ramon R. sonst die Angehörigen des österreichischen und des deutschen Kontingents. Tatkräftige Unterstützung erhält er von den Sanitätern, die auch bei der Übung an seiner Seite stehen. Gemeinsames Ziel ist es nun, die Flugtauglichkeit des Verunglückten herzustellen und ihn anschließend in ein Krankenhaus in der libanesischen Hauptstadt Beirut zu fliegen. Dort stehen mehr medizinische Mittel zur Verfügung, um mögliche Rückenverletzungen zu behandeln.

  • Ein Krankenwagen der UN fährt mit Blaulicht ab.
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    Transport zum Flugplatz

    Nachdem der verletzte Soldat stabil genug ist, um mit dem Hubschrauber in das Krankenhaus nach Beirut geflogen zu werden, erfolgt der Transport zum Flugplatz. Dieser Lande- und Startplatz ist direkt im Camp der Vereinten Nationen vor Ort vorhanden. Für den Transport zum Flugplatz wird wieder auf den Krankenwagen zurückgegriffen. Der Ramon R. und ein weiterer Sanitäter fahren in der Kabine mit, sodass eine lückenlose medizinische Überwachung und Betreuung sichergestellt werden kann. Die gesamte Planung hinsichtlich des bevorstehenden Lufttransports ist bereits erfolgt. Am Startplatz des Helikopters wartet man bereits auf den Verunglückten und das Sanitätsteam.

  • Soldatinnen & Soldaten befinden sich um den Verletzten herum, der auf eine andere Trage gelegt wird.
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    Der Verletzte wird übergeben

    Für Oberstabsarzt Ramon R. und sein österreichisches Team steht nach Ankunft auf dem Flugfeld die Übergabe des Patienten an. Es ist nicht vorgesehen, dass sie den Verletzten im Hubschrauber begleiten. Dafür stehen bei UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon ausgebildete französische Medizinerinnen und Mediziner bereit. Sie kennen den Hubschrauber samt technischer Ausstattung aus dem Effeff. Der verunfallte Soldat wird von der Trage des Krankenwagens vorsichtig auf die Trage des Hubschraubers gelegt. Seine Vitalwerte werden durchgängig überprüft. Außerdem werden alle bekannten Details der Verletzungen übergeben. Hier kommt es darauf an, lückenlos alle Informationen weiterzugeben, sodass die Behandlung während des Fluges optimal fortgesetzt werden kann. Die Verständigung erfolgt länderübergreifend in erster Linie auf Englisch. 

  • Zwei Soldaten stehen nebeneinander und unterhalten sich.
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    Die letzten Vorbereitungen vor dem Flug

    Während die letzten Vorbereitungen für den Helikopterflug erfolgen, führt „Doc“ Ramon R. mit seiner französischen Kollegin ein detailliertes Gespräch über den Unfallhergang, die Verletzungen und die bisher erfolgte Behandlung. Anhand einer Checkliste werden alle medizinischen Bereiche besprochen. Die französische Ärztin wird im Hubschrauber an der Seite des verletzten Soldaten bleiben und die Übergabe an das Krankenhaus in Beirut vornehmen. Die medizinische Versorgung aus der Luft umfasst neben Unfällen, wie dem der heutigen Übung, auch alle Notfälle außerhalb des UNUnited Nations-Lagers, die während der Friedensmission passieren können.

    Ein weißer UN-Hubschrauber mit rotem Kreuz steht auf dem Flugfeld.

    Der Hubschrauber vom Typ Bell wird von italienischen Piloten gesteuert. Hier steht eine Variante zur Verfügung, die für die medizinische Versorgung ausgestattet ist.

    Bundeswehr/Christian Gruber

    Nachdem alles übergeben wurde, kann es mit dem Lufttransport losgehen. Auch hier zeigt sich die internationale Zusammenarbeit, denn italienische Piloten werden den Hubschrauber fliegen. Der Helikopter ist vorbereitet, die Motoren starten. Damit ist die Übung beendet. Alle Schritte bis zum Flugstart wurden bis ins Kleinste erfolgreich durchgespielt. In einer umfangreichen Nachbesprechung wird noch einmal der Gesamtablauf durchgegangen. Der Tag bei UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon geht erfolgreich zu Ende.

    *Name zum Schutz des Soldaten geändert.

    von Christian Gruber

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