Welche Besonderheiten bringt diese Einsatzkompanie mit sich?
Sie unterscheidet sich deutlich in Personal und Material von der Kompanie, die ich in Deutschland führen darf. Zu Hause führe ich eine Jägerkompanie, ausgerüstet mit dem GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug Boxer. Hier ist die Einsatzkompanie explizit auf den Auftrag zugeschnitten, was eine Ergänzung um viele neue Spezialfähigkeiten bedeutet, insbesondere zur Unterstützung und zur Befähigung in Crowd-and-Riot-Control-Lagen. Wir sind stark vereinfacht in jedem Szenario, also sowohl in einem CRCCrowd and Riot Control-Einsatz als auch bei unserem Tagesgeschäft, also der Patrouillen und Präsenz im Einsatzraum, auf zwei Varianten vorbereitet: Wir können mit handelsüblichen Fahrzeugen und dem dazu passenden Material in ruhigen Lagen agieren, ohne unnötig zur Eskalation beizutragen. Wir haben aber auch das komplette Portfolio für robuste Einsatzszenarien dabei. Wir sind sowohl in Personal als auch in Ausstattung einzigartig.
Erster Chef einer Einsatzkompanie – bestimmt kein Alltag. Was hat Sie am meisten überrascht?
Wir hatten hier quasi keine bestehenden Strukturen, gerade in der Anfangsphase haben wir täglich Neuland betreten. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Wir sind in einem amerikanischen Camp untergebracht, in dem vorher keine deutschen Kräfte waren. Dazu war ich darauf eingestellt, dass es naturgemäß viel Material geben wird, welches wir verwalten müssen. Wenn dann die Container ankommen und nicht nur die Ausrüstung der eigenen Männer und Frauen enthalten, sondern auch die für den Lagerbau, dann ist das eine schiere Masse und ein Anblick, der einen durchaus überraschen kann. Letztlich: Es ist immer wieder überraschend, was die Kameradinnen und Kameraden auf die Beine stellen. Ich bin es, gerade als Infanterist, gewohnt, mit anderen zusammenzuarbeiten. Aber in der Tiefe, in der ich es hier im Einsatz über einen längeren Zeitraum, tagtäglich und sehr eng tue, das ist komplex – und war in seiner Gesamtheit etwas Neues.
Was ist die größte Herausforderung für Ihre Kompanie?
Erstens: Wir hatten keinerlei Erfahrungswerte, auf die wir uns berufen konnten. Klar, es gab Informationen vorab und wir sind nicht die ersten deutschen Soldatinnen und Soldaten in Kosovo. Doch das Wissen um Menschen, Gelände und die konkreten Bedingungen vor Ort in unserem Einsatzraum: All das mussten wir uns während eines laufenden Einsatzes selbst erarbeiten. Zweitens: Die schiere Auftragslast. Von uns wird kontinuierliche Präsenz verlangt. Gleichzeitig müssen wir die dafür notwendigen Voraussetzungen schaffen wie die bereits erwähnte Materialverwaltung. Dazu kommt: Die derzeit stabile Sicherheitslage kann sich schnell ändern. Es ist definitiv eine Herausforderung, zwischen all den Aufbauarbeiten und der Routine in einer ruhigen Umgebung die notwendige Wachsamkeit konstant hochzuhalten. Wir müssen jederzeit in der Lage sein, auf Änderungen in der Sicherheitslage zu reagieren. Das zerrt an der Truppe.
Und für Sie ganz persönlich?
Für mich ist das der erste Einsatz, und die Trennung von meiner Familie ist natürlich eine Herausforderung. Hier vor Ort gilt: Ich stehe als Chef sehr im Fokus, das gehört zum Job dazu. Aber die Entscheidungen, die ich hier treffen muss, können noch unmittelbarere und noch größere Konsequenzen haben, als es in Deutschland der Fall ist. Ich nehme sie deshalb noch ernster und bin mir der Tragweite umso mehr bewusst. Dass das im besonderen Maße anstrengend ist – das merke ich, nehme diese Herausforderung aber gerne an.
Gibt es etwas, auf das Sie besonders stolz sind?
Ich bin stolz auf das, was jede und jeder Einzelne bis hierher als Teil dieser Kompanie geleistet hat. Wir haben uns in einem internationalen Bataillon sehr gut eingebracht und haben uns als zuverlässiger Partner für die anderen Nationen erwiesen. Sich in der Kürze der Zeit so zu etablieren und operativ auszuwirken – das ist beeindruckend. Das ist bei Weitem kein Selbstläufer, sondern entspringt den Leistungen der einzelnen Soldatinnen und Soldaten. Wenn ich es auf einen Satz bringen darf: Dass wir als Einsatzkompanie so gut funktionieren, liegt an der individuellen Expertise und an dem Willen, sich für die anderen einzusetzen. Ich denke, darauf können wir als Kompanie stolz sein.
Welche Ziele haben Sie für den Rest Ihres Einsatzes?
Meine Absicht ist es selbstverständlich, unseren Auftrag entschlossen weiter auszuführen. Außerdem will ich die Herausforderungen, vor denen wir als erste Einsatzkompanie dieser Art noch stehen, lösen, um unseren Nachfolgerinnen und Nachfolgern eine gut geölte Maschine zu übergeben. Vor allem, weil der Kern unserer Nachfolgekompanie aus demselben Bataillon in Deutschland kommt und viele von uns, mich eingeschlossen, unsere direkten Nachfolgerinnen und Nachfolger persönlich kennen – das spornt natürlich doppelt an. Das Ziel, das für mich neben der Auftragserfüllung an vorderster Stelle steht: Alle meine Soldatinnen und Soldaten kehren gesund nach Hause zurück.