25 Jahre KFORKosovo Force

Der Einsatz auf dem Balkan

Der Einsatz auf dem Balkan

Datum:
Ort:
Pristina
Lesedauer:
6 MIN

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Seit einem Vierteljahrhundert ist die Bundeswehr in Kosovo. KFORKosovo Force ist ihr ältester laufender Einsatz. Das ehemalige Feldlager Prizren, wo früher Tausende Soldatinnen und Soldaten stationiert waren, wird heute als Wirtschaftsstandort genutzt. Die deutsche Kompanie, die bald den Einsatz verstärkt, zieht in ein Camp der USUnited States-Amerikaner.

Ein Camp mit Unterkünften aus Holz aus der Vogelperspektive

Hier wird die neue deutsche Einsatzkompanie einziehen: Im Camp Bondsteel ist auch das Hauptquartier des USUnited States-geführten Regionalkommandos Ost. Das Lager liegt in der Nähe der Stadt Ferizaj im Süden Kosovos und erinnert an eine Westernstadt.

US Army/Terry Rajsombath

„Betreten der Ruine verboten – Einsturzgefahr“ steht auf dem Schild neben dem dreistöckigen roten Gebäude. Früher gingen hier – im „roten Stab“ – Tausende deutsche Soldatinnen und Soldaten ein und aus, beinahe 20 Jahre lang. 

Im Herbst 2018 übergab die Bundeswehr ihr Feldlager in Prizren schließlich den kosovarischen Zivilbehörden. Diese haben es gemeinsam mit der Entwicklungshilfeorganisation GIZGesellschaft für internationale Zusammenarbeit (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) in den vergangenen Jahren für die örtliche Wirtschaft umgewidmet. An der Stirnseite der alten Feldküche, wo einst das KFORKosovo Force-Logo prangte, ist heute der Schriftzug „ITP PRIZREN“ zu lesen. Er steht für „Innovations- und Trainingspark Prizren“.

Neues Leben im alten Feldlager

Auf dem rund 40 Hektar großen, voll erschlossenen Gelände am nordöstlichen Rand der Stadt sind inzwischen die ersten neuen Nutzer eingezogen: eine Privatschule, eine ITInformationstechnik-Firma, ein E-Scooter-Anbieter, auch Mitarbeitende der GIZGesellschaft für internationale Zusammenarbeit haben hier ihre Büros. Ein Gärtner dreht regelmäßig seine Runden über die betonierten Wege, in der Halle neben der 400-Meter-Tartanbahn wird Tennis gespielt. Das ebenerdige Holzgebäude, das früher „Sportoase“ hieß, ist jetzt gegen Gebühr zugänglich für die Bevölkerung. Vor dem Café am Eingang sitzen Gäste in zivil.

Gut 50 Gebäude errichtete die Bundeswehr hier seit Beginn ihres Einsatzes vor 25 Jahren, viele stehen aktuell noch leer. An einigen Unterkunftsgebäuden hängen Zettel in der Tür mit der Aufschrift: „Stillstand“.

Im Hintergrund steht ein Gebäude mit dem Schriftzug ITP Prizren, davor fährt ein Transporter vorbei.

2024: Die alte Feldküche in Prizren ist heute ein Verwaltungsgebäude. Der Schriftzug KFORKosovo Force wurde abgelöst von den Buchstaben ITP PRIZREN, die für „Innovations- und Trainingspark Prizren“ stehen.

Bundeswehr/Simone Meyer

Neue Einsatzkompanie ist eine „echte Verstärkung“

Rund 75 Kilometer weiter östlich im Land spielt sich in diesen Wochen genau das Gegenteil von dem ab, was Ende 2018 in Prizren passierte, nachdem das 
50. deutsche Kontingent ausgezogen war. Im Camp Bondsteel unterhält sich Oberst Sascha Mies an einem sonnigen Februartag darüber, wie und wo hier neue Unterkünfte für deutsche Soldatinnen und Soldaten geschaffen werden können. Mies führt seit Mitte Januar das deutsche Kontingent, das sich in den kommenden Wochen fast verdreifachen wird. Im April schickt die Bundeswehr eine zusätzliche Einsatzkompanie nach Kosovo. Es kommen drei Infanteriezüge plus Unterstützungskräfte – Pioniere, Logistiker, Feldjäger, Sanitätskräfte, ITInformationstechnik-Personal –, insgesamt rund 200 Frauen und Männer.

Da die Bundeswehr kein eigenes Feldlager mehr in Kosovo betreibt, kommen die zusätzlichen Kräfte bei den USUnited States-Amerikanern unter: Camp Bondsteel ist der Sitz des Regionalkommandos Ost der KFORKosovo Force-Truppen. „Wir erfahren sehr viel Dankbarkeit für unser Engagement, nicht nur von den Amerikanern“, sagt Oberst Mies, „unsere Kompanie ist eine echte Verstärkung, sie zählt hier zu den am besten ausgestatteten Einheiten.“ Zum Beispiel seien die beiden Wasserwerfer, die sie mitbringt, die einzigen in der gesamten KFORKosovo Force.

Zu Spitzenzeiten waren 8.500 Soldaten auf dem Balkan

Soldaten fahren mit einem Kettenfahrzeug über die Straßen Prizrens an einem roten Auto vorbei

Anfänge der KFORKosovo Force: Im Juli 1999 sichern Fallschirmjäger der Bundeswehr mit einem Wiesel 1, ausgestattet mit der drahtgelenkten Panzerabwehrlenkwaffe TOW (Tube Launched Optically Tracked Wire Command-link Guided Missile), die Innenstadt von Prizren

Bundeswehr/Andreas Noll

Deutschland hat sich an diesem Einsatz bereits von Anfang an beteiligt. Zu Spitzenzeiten dienten bis zu 8.500 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr auf dem Balkan – so viele wie in keinem anderen Einsatz danach. KFORKosovo Force ist der älteste laufende Einsatz der Bundeswehr, und es war der erste robuste Einsatz. Nach Massakern und Vertreibungen ethnischer Albanerinnen und Albaner war die NATONorth Atlantic Treaty Organization ab März 1999 militärisch gegen Serbien als Teil der Bundesrepublik Jugoslawien vorgegangen.

In der Operation Allied Force setzte sie Kampfflugzeuge ein, um die Truppen des ehemaligen serbischen Machthabers Slobodan Milošević zum Rückzug aus der ehemals serbischen Provinz Kosovo zu bewegen. Die Bundeswehr beteiligte sich damals mit 14 Tornados. Zunächst ging es darum, die ehemalige jugoslawische Armee zu entwaffnen und Voraussetzungen für Frieden in der Region zu schaffen.

General Harff, der erste deutsche Kontingentführer

Anschließend wurde die KFORKosovo Force von den Vereinten Nationen beauftragt, für die Sicherheit in Kosovo zu sorgen. Im Juni 1999 rückten die ersten Soldaten der Panzerbrigade 12 „Oberpfalz“ aus Amberg in Kosovo ein. Sie kamen aus Mazedonien und wurden geführt von Brigadegeneral Helmut Harff. Sein Konterfei ziert heute noch einen Bürocontainer der deutschen Soldatinnen und Soldaten im Camp Film City in der Hauptstadt Pristina.

Der erste deutsche Kontingentführer in Kosovo wurde unter anderem durch eine Szene bekannt, die sich während des Einmarsches der deutschen Truppen ereignete und auch auf Youtube zu sehen ist. Harff forderte damals einen serbischen Oberst auf, mit seinen Truppen binnen 30 Minuten vom albanischen Grenzübergang Morina abzurücken. „Die Frist läuft aus“, sagte er damals, „Sie haben noch 28 Minuten. Ende der Diskussion.“

Bundeswehrsoldaten patrouillieren wieder

Solche Vorkommnisse sind längst Geschichte, genauso wie die Einsatzszenarien und die Personalumfänge. Doch nach Jahren schrumpfender Kontingente werden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Kosovo bald wieder Aufgaben übernehmen, die sie lange nicht mehr innehatten: Sie werden auf Patrouille gehen, Checkpoints betreiben und gegebenenfalls einschreiten, wenn Demonstrationen aus dem Ruder laufen.

Wenn die neue Einsatzkompanie im Land ist, werden knapp 300 deutsche Soldatinnen und Soldaten in Kosovo stationiert sein. Anlass für die Aufstockung waren gewalttätige Ausschreitungen im Land, wie sie seit 20 Jahre nicht mehr vorgekommen sind. Ende Mai 2023 wurden dabei mehr als 90 KFORKosovo Force-Kräfte verletzt, manche von ihnen lebensgefährlich.

Eine Reihe von Soldaten mit Schutzschildern, Helmen mit Atemmaske sowie Schlagstöcken auf einem Feld

Deutsche Soldatinnen und Soldaten werden in Kosovo bald wieder die Crowd and Riot Control übernehmen. Das heißt, sie sind darauf vorbereitet, Demonstrationen einzudämmen, die drohen, außer Kontrolle zu geraten.

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Deutschland stockt als erste Nation auf

Eine weitere schwere Eskalation folgte Ende September mit dem Angriff auf eine kosovarische Polizeipatrouille. Danach wurde das KFORKosovo Force-Kontingent zunächst mit Reservekräften aufgestockt: um 700 auf fast 5.000 Soldatinnen und Soldaten aus derzeit 28 Ländern. Deutschland ist nun die erste Nation, die regulär neue Kräfte in die Mission entsendet. Damit zählt KFORKosovo Force bald wieder zu den größten mandatierten Einsätzen der Bundeswehr – auch wenn er noch weit entfernt ist vom Umfang der Anfangsjahre in Prizren.

Wer heute mit deutschen Soldatinnen und Soldaten über das ehemalige Feldlager in Prizren geht, findet weitere Spuren vergangener Zeiten. Dazu zählen zum Beispiel die steinernen Fundamente, auf denen einst Containerdörfer standen, ein ausrangierter Spint der legendären Serie „Olympia“, Stühle aus der Reihe „Buche Dekor“ oder grüne Mülltonnen mit der Aufschrift „Vor dem Einwurf Volumen reduzieren“.

In Prizren wird weiter der Verstorbenen gedacht

In der „Einbahnstraße“ in der Nähe des alten Feldlazaretts, in der – typisch deutsch – nur Tempo 25 erlaubt ist, steht ein weiteres Schild, das ebenfalls auf das deutsche Engagement hindeutet: die „Dr.-Sven-Eckelmann-Straße“. Diese ist dem ersten auf dem Balkan gestorbenen Bundeswehrsoldaten gewidmet. Der Oberstabsarzt kam am 30. Mai 1999 bei einem Unfall in Albanien ums Leben. Dort war die Bundeswehr noch vor dem offiziellen Beginn der KFORKosovo Force im Rahmen der Kosovo Verification Mission (KVM) der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa engagiert. Auf dem Rückweg von einem Einsatz in der Nähe der Hafenstadt Urres stürzte der Transportpanzer Fuchs, in dem er saß, von einer maroden Brücke.

Zwei Soldaten stehen vor einem Gedenkstein, der von Bäumen umringt ist

„Zur Erinnerung an die 50.000 deutschen Bundeswehrangehörigen“, die 1999 bis 2018 in Prizren gedient haben: Dieser kleine Ehrenhain steht heute noch auf dem Gelände des alten Feldlagers, direkt neben dem früheren Stabsgebäude

Bundeswehr/Simone Meyer

28 weitere Kameraden verloren danach im KFORKosovo Force-Einsatz ihr Leben. Den Verstorbenen zur Ehre ist auf dem Gelände des alten Feldlagers ein Gedenkstein geblieben. Er steht gleich neben dem einsturzgefährdeten roten Gebäude, dem ehemaligen Hauptquartier des deutschen KFORKosovo Force-Einsatzkontingentes: „Zur Erinnerung an die 50.000 deutschen Bundeswehrangehörigen, die zwischen 1999 und 2018 zur Sicherung des Friedens in Prizren gedient haben.“

von Simone Meyer

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