Weihnachten im Einsatz in Kabul
Weihnachten im Einsatz in Kabul
- Datum:
- Ort:
- Kabul
- Lesedauer:
- 4 MIN
Weihnachten bedeutet für mich normalerweise, eine ganz besondere Zeit mit meinem Mann und unseren beiden kleinen Kindern zu verbringen: Der Weihnachtsbaum im Wohnzimmer funkelt im Schein der Kerzen und darunter türmt sich mal wieder das ein oder andere Geschenk zu viel. Weihnachten steht bei uns für Behaglichkeit und eine friedliche Atmosphäre, für Kuscheln, Quatsch machen und für ganz viel liebevolle „quality time”. Dieses Jahr fällt Weihnachten für unsere Familie nicht aus – es ist nur ganz anders als sonst.
An Weihnachten rund 5.000 Kilometer getrennt
Dieses Jahr ist alles anders als sonst: Ich bin zurzeit nicht daheim in Münster, sondern im Auslandseinsatz in Afghanistan, rund 5.000 Kilometer Luftlinie von zu Hause entfernt. Einsätze im Ausland gehören zum Beruf der Soldatin und des Soldaten dazu, meine Rückkehr nach Deutschland ist für Januar 2021 geplant. Das bedeutet für mich, dass ich dieses Jahr mit meinen Kindern in der Adventszeit keine Plätzchen backen oder die Weihnachtsdekoration vom Dachboden holen kann. Auch ihre Wunschzettel muss jemand anders an den Weihnachtsmann weiterleiten. Am Heiligen Abend werde ich mich nicht mit meiner Familie um den Weihnachtsbaum versammeln können.
Weihnachten als Meilenstein
Im Sommer dieses Jahres machte ich mich auf den Weg in den Einsatz. Und so erklärte ich unserem fünfjährigen Sohn und unserer dreijährigen Tochter bei sommerlichen 30 Grad im Schatten und heiterem Sonnenschein, dass Mama bald für eine lange Zeit im Auslandseinsatz in Afghanistan ist und erst nach Weihnachten wieder zurück nach Hause kommt. Somit haben wir ein gemeinsames Ziel: Weihnachten ist für uns in diesem Jahr nicht nur ein Fest, das mein Mann den Kindern wunderschön bereiten wird, sondern auch ein wichtiger Meilenstein. Denn nach relativ kurzer Zeit, im Januar, ist Mama wieder zu Hause.
Wo ist Afghanistan?
Dass ich Soldatin bin, wissen unsere Kinder schon lange. Sie wissen auch, dass Mama eine Uniform trägt und in der Kaserne arbeitet. Doch wie ihnen begreiflich machen, an welchem Ort ich für sechs Monate sein werde? Durch einen Zufall entdeckte ich einen alten Globus. Um ihn etwas kindgerechter zu gestalten, haben mein Mann und ich ihn türkis lackiert und die Welt in vereinfachter Form nachgezeichnet. Münster ist durch ein hübsches Haus dargestellt und in Afghanistan prangt ein riesengroßes Herz. Der Globus ist direkt ins Kinderzimmer eingezogen und immer, wenn meine Kinder daran drehen, rufen die beiden laut kichernd: „Und nun wird Mama ganz schwindelig!”
In Gedanken dabei
Weihnachten will gut organisiert sein, am besten in Arbeitsteilung: Deshalb gibt es in vielen Familien die eine Person, welche die Geschenke besorgt und verpackt, während die andere Person den Weihnachtsbaum ins Haus schafft. In diesem Jahr übernimmt mein Mann alles, was mit Weihnachtsvorbereitungen zu tun hat. Die Vorstellung, dass er dieses Jahr alle Geschenke einpacken wird, lässt mich etwas schmunzeln, denn ich weiß, dass er vermutlich nur das Osterpapier findet und das Klebeband mittendrin zur Neige gehen wird.
Ich weiß aber auch, dass es wieder einen wunderschönen Baum geben wird und er alles daransetzt, mit unseren Kindern ein zauberhaftes Weihnachtsfest zu feiern. Es wird wie jedes Jahr an Heiligabend Würstchen geben, nachdem meine Familie das Krippenspiel am Dom zu Münster besucht hat – wahrscheinlich aufgrund von COVID 19 unter freiem Himmel sowie unter Einhaltung der Hygienevorschriften. Wie jedes Jahr werden die Augen der Kinder beim Anblick der Geschenke leuchten. Das Schöne daran ist, dass ich trotz der Entfernung dabei sein kann, zumindest ein wenig.
Kontakt halten mit Video und Briefen
„Mama, kannst du uns mit Video anrufen?” Das ist eine der häufigsten Fragen unserer Kinder. Es ist ein schönes Gefühl, dass ich unseren Kindern diesen Wunsch erfüllen kann. Hier im Auslandseinsatz haben wir WLAN in unseren Unterkünften. Die Netzabdeckung ist sehr gut, sodass ein Videoanruf kein Problem ist und wir jederzeit mit unseren Lieben telefonieren können. Insbesondere in der Weihnachtszeit kann ich auf diese Weise – zumindest digital – bei meiner Familie sein.
Wenn wir telefonieren, erzählen wir uns gegenseitig Geschichten oder malen gemeinsam. Über die Feldpost schicken mir unsere Kinder dann die selbstgemalten Bilder und freuen sich riesig, wenn ich ihnen berichte, dass der nächste Brief bereits angekommen ist.
Advent und Weihnachten im Einsatzcamp
Auch ich freue mich über Weihnachtspost, denn auch hier im Einsatz werde ich natürlich das Weihnachtsfest gemeinsam mit meinen Kameradinnen und Kameraden feiern. Die erste Weihnachtsdeko ist bereits im Herbst in Kabul eingetroffen und die ersten Lebkuchen haben uns im September erreicht. Heiligabend werden wir alle gemeinsam verbringen. Zunächst feiern wir mit dem Militärpfarrer einen Gottesdienst und am Abend genießen wir das Weihnachtsessen. Ich hoffe auf Ente mit Rotkohl und Klößen. Natürlich wird es auch kleine Geschenke geben, wir wollen wichteln.
Mit meinen Kameradinnen und Kameraden spreche ich darüber, wie das Weihnachtsfest zu Hause aussehen würde, was uns fehlt und worauf wir uns besonders freuen. Denn eines steht fest: Weihnachten 2021 werden wir wieder gemeinsam mit unseren Familien in der Heimat feiern können. Wir freuen uns in diesem Jahr auf die „Nachweihnachtszeit” und darauf, endlich wieder unsere Kinder und Familien in den Arm zu nehmen. Weihnachten fällt dieses Jahr nicht aus – es ist nur ganz anders. Und vor allem ein wichtiger Meilenstein, bevor wir im Januar 2021 zurück nach Hause fliegen.