Ich bin iM EINsatz: Zur Sicherung des Camps
Ich bin iM EINsatz: Zur Sicherung des Camps
- Datum:
- Ort:
- Gao
- Lesedauer:
- 4 MIN
Auf drei Kontinenten und zwei Weltmeeren: In unterschiedlichen Einsatzgebieten leisten die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr täglich ihren Dienst. Doch was tun sie genau vor Ort? Was ist ihre spezielle Aufgabe? Was bewegt sie, was treibt sie an? In der Serie „Ich bin iM EINsatz“ stellen wir einige von ihnen ganz persönlich vor.
Mein Name ist „Hutch“, ich bin 30 Jahre alt und Stabsgefreiter im Objektschutzregiment der Luftwaffe „Friesland„. Seit Anfang 2018 leiste ich meinen Dienst bei der Bundeswehr, zunächst als freiwilliger Wehrdienstleistender, mittlerweile als Soldat auf Zeit. Vor meiner Zeit bei der Bundeswehr habe ich Restaurierungswissenschaften studiert und daneben als freiberuflicher Fotojournalist gearbeitet, daher das für meinen Dienstgrad und die Laufbahn verhältnismäßig hohe Alter.
Meine dienstliche Heimat habe ich in Schortens, im Norden Deutschlands, wo ich in meinem Zug die Funktion des Einsatzersthelfers Bravo sowie jene des Zielfernrohrschützens erfülle. Im Zuge der Einsatzvorbereitung wurde ich speziell für meine Aufgabe hier in Gao, als Führer eines abgesessenen Granatmaschinenwaffen-Trupps, ausgebildet. Für mich ist dies zwar nicht der erste Aufenthalt in einem Krisengebiet, jedoch ist es als Soldat mein erster Auslandseinsatz und so profitiere ich enorm von der Einsatzerfahrung meiner Kameradinnen und Kameraden.
Das ist meine Aufgabe im Einsatz.
Mein Zug ist Teil der hiesigen Objektschutzkompanie, dementsprechend ist es schwerpunktmäßig unsere Aufgabe, die Einsatzliegenschaft und ihre Umgebung zu sichern. Darüber hinaus unterstützen wir Operationen und Vorhaben der Aufklärungskompanie. Wie sich unsere Tage gestalten, lässt sich schwierig über einen Kamm scheren, da das davon abhängt, wie wir eingesetzt werden. Wir fahren Patrouillen im Raum Gao, erkunden für uns relevante Geländeabschnitte, besetzen das Haupttor und sichern somit den Zugang zum Camp Castor oder wir übernehmen sonstige Sicherungsaufträge innerhalb des Camps. Wir halten uns aber auch als schnelle Eingreiftruppe bereit oder sind auf längeren Operationen in der Wüste Malis unterwegs. Die unterschiedlichen Aufgaben teilen wir uns zwischen den verschiedenen Objektschutzzügen auf und wechseln in einem Monatsturnus durch.
Das macht meine Tätigkeit hier besonders.
Ich empfinde es als Privileg, mit meinem Zug hier in diesem Einsatz sein zu dürfen. Wir haben die letzten drei Jahre darauf hingearbeitet. Mehrere Monate im Jahr verbrachten wir auf Übungsplätzen, persönliche Interessen wurden hintenangestellt – wir sind als Zug zu einer starken Gemeinschaft zusammengewachsen. Bei all den verschiedenen Einheiten und Aufgabenbereichen hier im Feldlager ist es ein Stück weit normal, dass jeder hier ein wenig „sein eigenes Süppchen kocht“. Jeder Bereich hat seine ganz eigene Relevanz und trägt zum Gesamterfolg des Einsatzbetriebes bei. Das macht es für mich persönlich umso bewegender, wenn uns Angehörige anderer Teileinheiten beim Abmarsch zu unseren Operationen verabschieden und uns mit militärischem Gruß ihren Respekt zollen.
Generell ist es schön, auch in Zeiten von Corona den Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Aufgabenbereichen zu erleben. So bemühen sich die Kameraden der Optronik- und Waffeninstandsetzung beispielsweise über ihre Pflichten hinaus, uns die Ausrüstung so herzurichten, wie wir sie benötigen. Und all das mit großem Selbstverständnis, einfach nur, weil wir alle Kameraden sind.
Das vermisse ich hier am meisten.
Was ich hier am meisten vermisse? Das ist nicht so einfach zu beantworten, schließlich sind wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so lange unterwegs. Die Quarantäne vor dem Einsatz eingerechnet sind es inzwischen gut zwei Monate – das ist nichts gänzlich Neues. Wirklich stark vermisse ich wohl deshalb noch nichts, eigentlich fühle ich mich fast schon wohl hier. Für vieles gibt es Mittel und Wege, sich zu arrangieren, sodass das Leben erträglicher wird. Natürlich denke ich sehr viel an bestimmte Menschen: meine Familie, mir nahestehende Personen und Freunde – diejenigen fühlen sich hiermit sicherlich angesprochen. Und falls nicht: Dann fühlt euch jetzt angesprochen!
Das sind meine Pläne, meine Wünsche und Grüße.
Grüßen möchte ich in jedem Fall meinen ehemaligen Zugführer, mit dem ich auch gern in diesen Einsatz gegangen wäre. Mein Ziel ist es, gemeinsam mit den Kameradinnen und Kameraden weiterhin unseren Auftrag zu erfüllen und dabei einen guten Job zu machen. Im Herbst möchte ich mit allen gesund und wohlauf wieder zurück nach Deutschland kommen. Ich gebe mir Mühe, den Einheimischen hier stets mit Respekt und auf Augenhöhe zu begegnen. Das Coronavirus, aber auch die bei der Arbeit oftmals benötigte und berechtigte Distanz erschweren das derzeit etwas. Am Ende des Tages fühle ich mich auch als Gast in diesem Land und ich hoffe, dass ich das bei der ein oder anderen Begegnung rüberbringen kann, sei es mit einem „Hallo“ und „Guten Tag“ in Landessprache oder durch Verständnis gegenüber genervten Autofahrern, wenn wir mal wieder eine Straße blockieren müssen.
Mir ist klar, dass sich meine Realität von jener der Einheimischen stark unterscheidet. Ich bin für sechs Monate hier, für mich ist vieles neu. Ein gewisser Idealismus schwingt mit. Die Einheimischen haben hier ihr ganzes Leben verbracht, leben seit 2012 mit den herrschenden Konflikten und haben schon etliche Soldatinnen und Soldaten in Uniform kommen und gehen sehen. Dass sie die Auswirkungen des VN-Einsatzes sehen und spüren, kann man nur hoffen. Auch wenn das kitschig klingen mag: Wenn unser Auftreten und Verhalten auch nur einem einzigen Menschen, insbesondere aus der Jugend, im Gedächtnis hängen bleibt und für einen offenen Blick in die Welt sorgt, dann hat sich alles gelohnt.
Die Reise nach Mali - der Einsatz für Hutch hat nun begonnen