Als Militärpfarrer bei Capacity Building Iraq
Als Militärpfarrer bei Capacity Building Iraq
- Datum:
- Ort:
- Erbil
- Lesedauer:
- 5 MIN
Auf drei Kontinenten und zwei Weltmeeren: In unterschiedlichen Einsatzgebieten leisten die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr täglich ihren Dienst. Doch was tun sie genau vor Ort? Was ist ihre spezielle Aufgabe? Was bewegt sie, was treibt sie an? In der Serie „Ich bin iM EINsatz“ stellen wir einige von ihnen ganz persönlich vor.
Hallo, ich bin Michael B. Vor wenigen Wochen habe ich hier in Erbil meinen
58. Geburtstag gemeinsam mit meinen Kameradinnen und Kameraden gefeiert. Seit über drei Jahren arbeite ich als evangelischer Militärseelsorger am Standort Sondershausen in Thüringen. Außerdem bin ich für die seelsorgerliche Betreuung in Bad Frankenhausen und Blankenburg zuständig. So bin ich häufig unterwegs – nicht nur zwischen den Standorten, sondern auch zu „Lebenskundlichen Seminaren“ auf Übungsplätzen oder zu Rüstzeiten. Die Einsatzbegleitung hier im Irak ist für mich mein erster Einsatz im Ausland. Dementsprechend aufgeregt war ich im Vorfeld und darf nun seit dem 2. Mai neue und spannende Erfahrungen hier in Erbil machen.
Das ist meine Aufgabe im Einsatz
Als Seelsorger bin ich zunächst einmal für alle Belange der Soldatinnen und Soldaten da. Das mag unspektakulär klingen. Aber meine Kameradinnen und Kameraden wissen: Der Pfarrer ist (nahezu) jederzeit ansprechbar und meistens auch kurzfristig verfügbar. Sei es für ein Gespräch, einen gemeinsamen Kaffee oder weil irgendwo zwei helfende Hände gebraucht werden. Natürlich gibt es auch für mich fixe Termine, dazu gehören der wöchentliche Gottesdienst am Freitagabend und das Bibelfrühstück am Samstagmorgen. Gute Gelegenheiten, um einmal die Seele baumeln zu lassen, Gemeinschaft zu erleben oder vielleicht einen neuen Gedanken mitzunehmen.
Den Tag beginne ich persönlich mit Sport am frühen Morgen, weil es mir tagsüber einfach viel zu heiß dafür ist. So kann ich auch den ersten Kaffee für das Kontingent kochen, da ich in der Regel der Erste auf unserem „Marktplatz“ bin. Durch die tägliche Morgenlage bin ich hier sehr gut informiert und kann auch meinerseits jederzeit Informationen einbringen. Mitunter übernehme ich die Durchführung von Betreuungsveranstaltungen und an besonders heißen Tagen gehe ich mit meiner Wassereiskiste durch das Camp, um für Erfrischung zu sorgen.
Einen festen Platz habe ich als Seelsorger auch im MasCalMass Casualty-Team der Role 1. MasCalMass Casualty steht für „Mass Casualty“ und bedeutet, dass die Anzahl der verletzten Personen die Kapazitäten der Sanitätskräfte übersteigt. In diesem Fall teilen Ärzte die Verletzten entsprechend der Schwere ihrer Verwundungen ein, Patienten mit der höchsten Überlebenswahrscheinlichkeit werden zuerst behandelt.
Neben den deutschen Soldatinnen und Soldaten in Erbil bin ich auch für die Kameradinnen und Kameraden in Bagdad und Al-Asad zuständig. Während meiner Zeit hier konnte ich bisher eine Besuchsreise nach Bagdad persönlich wahrnehmen, was für den persönlichen und gemeinsamen Austausch sehr schön war. Denn genau dafür bin ich da.
Das macht meine Tätigkeit hier besonders
Ich finde es immer noch faszinierend, wie schnell ich hier im Einsatz ein ganz selbstverständlicher Teil der Truppe wurde. Ob beim Quiz-Abend, am Kickertisch oder am Kaffeetisch auf dem Marktplatz – „mittendrin statt nur dabei“, das macht Militärseelsorge aus und wertvoll. Dass es auch ganz schnell umschlagen kann, mussten wir leider in den letzten Wochen bei unseren französischen Kameraden erleben, wo es mehrere Todesfälle gab. Gerade in solchen Situationen muss sich dann die seelsorgerliche Begleitung bewähren. Das war während meiner Zeit hier im deutschen Kontingent Gott sei Dank nicht notwendig.
So kann ich von den schönen Dingen aus dem Einsatz erzählen. Ein Beispiel: Unser OASE-Team bereitet als eines der Wochenhighlights das wunderbare Bibelfrühstück vor und das gesamte Kontingent findet sich am Samstagmorgen dazu ein. Die Gemeinschaft und die Gespräche möchte ich niemals missen. Sehr bereichernd waren außerdem für mich die Kontakte in die kurdische Gesellschaft. Beispielsweise zu einem Waisenhaus in Erbil, für das wir im Kontingent mit einem Spendenmarathon gesammelt haben. Strahlende Kinderaugen wogen die sportlichen Mühen locker auf. Auch die Einblicke in die Arbeit der deutschen Schule in Erbil waren für mich hochinteressant. Darüber hinaus ist es schön, das kameradschaftliche Miteinander über Dienstgradgruppen und Zellen hinweg mitzuerleben. Das werde ich in jedem Fall als großen Schatz mit nach Hause nehmen.
Das vermisse ich hier am meisten
Natürlich ist ein Container nicht das heimische Wohnzimmer und zu meinem Geburtstag fehlte mir das Kaffeetrinken mit den Liebsten. Aber zum Glück gibt es das Internet mit all den Möglichkeiten, mit zu Hause in Kontakt zu bleiben. Sehr froh war ich, dass in der Heimat dank meiner Pfarrhelferin und meiner Frau die Familien-Sommerrüstzeiten für die Soldatinnen und Soldaten an den Standorten trotz meiner Abwesenheit stattfinden konnten. Per Videoschalte konnte ich sogar „Hallo“ sagen. Ansonsten fehlen mir neben meiner Familie vor allem mein Kater und meine Hi-Fi-Anlage für den Musikgenuss. Aber vielleicht am meisten die „normalen“ deutschen Sommertemperaturen!
Das sind meine Pläne, meine Wünsche und Grüße
Am Anfang dachte ich: Ohje, fast fünf Monate, das wird aber lang! Ich merke aber, dass die Zeit hier ziemlich schnell vergeht. Ich habe viele tolle Leute kennengelernt und wertvolle Erfahrungen machen können. Davon wird auch die Arbeit zu Hause profitieren, da bin ich mir sicher. Für die letzten Wochen hier habe ich mir noch ein paar Höhepunkte aufgehoben: Wenn es die Sicherheitslage zulässt, gibt es für alle interessierten Soldatinnen und Soldaten die Möglichkeit, die „Zitadelle Erbil“ als UNESCO-Weltkulturerbe zu besuchen. Außerdem bekomme ich die Möglichkeit eines Besuches in La-Lesch, dem Zentralheiligtum der Jesiden. Auf beides freue ich mich sehr.
Bald geht es dann aber zurück nach Deutschland mit all den gewonnenen Eindrücken und Einsichten. Nach einem Urlaub geht es an den Standorten wieder ins Getümmel – da kehrt der Alltag schnell zurück und das ist auch gut so. Schließen möchte ich mit herzlichen Grüße nach Deutschland und vor allem nach Thüringen.
Bis bald!