Bundeswehr im Einsatz

Die Ertüchtiger von Kurdistan

Die Ertüchtiger von Kurdistan

Datum:
Ort:
Erbil
Lesedauer:
4 MIN

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Im Nordirak führt die Bundeswehr Ertüchtigungsprojekte für kurdische Soldatinnen und Soldaten durch, die sich in ihrer Sprache Peschmerga nennen. Ertüchtigung klingt zwar nach sportlicher Betätigung und Fitness, beabsichtigt ist mit diesen Projekten jedoch etwas anderes. 

Führer Deutsche Kräfte und Minister für Peschmerga-Angelegenheiten bei der Unterschrift

Nach der Beratung erfolgt als formeller Akt die Zeichnung der Zuwendungsvereinbarungen

Bundeswehr/PAO CBI

Die Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung zielt vor allem auf Hilfe zur Selbsthilfe für ausländische Streitkräfte ab. Durch die Bereitstellung finanzieller Mittel und Fachexpertise von Soldaten der Bundeswehr können hier im Nordirak materielle Unterstützung, Infrastrukturmaßnahmen, Ausbildung und Beratung für die kurdischen Streitkräfte geleistet werden“, so Hauptmann Michael J.*, Leiter der Zelle „Ertüchtigung“ bei der Mission Capacity Building Iraq im kurdischen Erbil.

Zusammen mit Major Robert D.* kümmert er sich um die Umsetzung der Ertüchtigungsinitiativen im Nordirak. Gemeinsam stellen sie Infrastruktur, Material und Ausbildung für die Peschmerga zur Verfügung. Zwischen der Ausgabe von Material und einem fertigen Gebäude liegt dabei ein längerer Umsetzungsprozess, den die Bundeswehr gemeinsam mit den kurdischen Streitkräften angeht.

Die Planungsphase

Als Erstes identifizieren Hauptmann Michael J. und Major Robert D. zusammen mit Mitarbeitenden des Ministeriums der Peschmerga den Bedarf. Daraus leiten sie ab, mit welchem Material, welcher Ausbildung oder welcher Infrastruktur die kurdischen Streitkräfte im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS„Islamischer Staat“) noch effektiver werden können.

Hierbei spielt eine zielgerichtete Beratung durch die beiden deutschen Offiziere eine entscheidende Rolle. Sie bewerten neben der Bedarfsprüfung auch, ob die Vorhaben realistisch sind und wie die Umsetzung am besten gelingen kann. Am konkreten Beispiel bedeutet dies: Das kurdische Ministerium meldet einen Bedarf an Sanitätsmaterial an. Zusätzlich stellt es jedoch eine Fähigkeitslücke in der sanitätsdienstlichen Versorgung ihrer Streitkräfte fest. Diese Lücke hindert die Peschmerga daran, den Kampf gegen den Terrorismus im Land weiterhin erfolgreich führen zu können. Hauptmann Michael J. stellt in diesem Fall fest: „Eine rein materielle Ausstattung ohne eine entsprechende Ausbildung wäre an diesem konkreten Beispiel nicht zielführend.“ 

Die Bundeswehr stellt daher im Rahmen des Projektes nicht nur Materialien wie mit Verbands- und anderem Sanitätsmaterial gefüllte Rucksäcke EEH B (Einsatzersthelfer B) bereit. Sie ermöglicht auch die dazugehörige Ausbildung der EEH B durch ein deutsches Mobile Training Team (MTT). Mit dem Ausbildungsprinzip Train the Trainers wird sichergestellt, dass die kurdischen Soldatinnen und Soldaten auch zukünftig das in der Ausbildung erlernte Wissen weitergeben können.

Sind die Fähigkeitslücke und der Lösungsweg zu ihrer Schließung identifiziert, erstellt das Ministerium für Peschmerga-Angelegenheiten eine sogenannte Verbalnote. Major Robert D. und Hauptmann Michael J. prüfen die Verbalnote und leiten sie an das Verteidigungsministerium in Deutschland weiter. Das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt entscheiden anschließend gemeinsam über die Projektgenehmigung, hier für das Projekt „Ausstattung mit EEH-B-Rucksäcken für die Peschmerga“.

Die Zuwendungsvereinbarung

Kurdische Soldatin führt Ersthelfermaßnahmen an einer Puppe durch

„Train the Trainers“: Kurdische Soldatinnen und Soldaten werden dazu befähigt, Ausbilder für sanitätsdienstliche Trainings zu sein – ein weiterer Schritt bei der Hilfe zur Selbsthilfe.

Bundeswehr/PAO CBI

Nach der Projektgenehmigung wird im Rahmen der weiteren Umsetzung eine Zuwendungsvereinbarung zwischen Deutschland und der autonomen Region Kurdistan erstellt. Diese Zuwendungsvereinbarung wird in einem förmlichen Akt von je einem Vertreter der deutschen und der kurdischen Seite unterschrieben. In der Regel sind dies der Führer deutscher Kräfte Erbil und der Minister des Ministeriums für Peschmerga-Angelegenheiten. Die Zuwendungsvereinbarung definiert für das jeweilige Projekt den finanziellen Umfang und den spezifischen Verwendungszweck.

Major Robert D. weiß: „Nach der Zeichnung der Zuwendungsvereinbarung beginnt die eigentliche Arbeit in der Projektumsetzung.“ Nun werden Angebote eingeholt und bewertet, Besichtigungen vor Ort durchgeführt und Abstimmungen mit allen Playern im Umsetzungsprozess getroffen. Bis zur feierlichen Übergabe beim Projektabschluss ist es ein langer und oftmals steiniger Weg, denn Deutschland und Kurdistan unterscheiden sich in ihren Prozessen und den Gewohnheiten der Stabsarbeit.

Von „null auf hundert funktioniert nicht“, sagt Hauptmann Michael J. „Allein bei der Bedarfsermittlung im Rahmen von Angebotseinholungen sind Fleiß, Geduld und auch so manches Mal Hartnäckigkeit gefragt.“ Das beste Beispiel hierfür ist das oben genannte Ertüchtigungsprojekt „Ausstattung mit EEH-B-Rucksäcken für die Peschmerga“.

Die Working Groups, also Arbeitskreise, bestehen hier aus den verantwortlichen Personen im Ministerium für Peschmerga-Angelegenheiten, den beiden deutschen Offizieren sowie den Sprachmittlern. In enger Abstimmung mit Lieferfirmen, den Peschmerga und Fachkräften aus dem Sanitätswesen legen die Working Groups die Befüllung der EEH-B-Rucksäcke fest. Dazu erläutern sie jede Position, beziehen Erfahrungswerte ein und stimmen den Verpackungsplan des Rucksacks mit der Lieferfirma ab. 

Danach geht es an die Transport- und Lieferorganisation. „Einfuhrdokumente, Lieferung von A nach B, Materialempfang und zwischendurch immer wieder benötigte Unterschriften von den verantwortlichen Peschmerga im Peschmerga-Ministerium gehören hier zum Arbeitsalltag“, so Major Robert D. 

Ergänzend dazu führt Hauptmann Michael J. aus: „Zurzeit haben wir hier zwölf parallel laufende Projekte, die betreut werden. Ohne strukturierte Projektplanungen, ein eingespieltes Team und ein enges Netzwerk geht da nichts, hier ist das Machen gefragt und kein Zaudern und Zögern.“ Mit jedem abgeschlossenen Projekt ertüchtigt die Bundeswehr die Peschmerga mit einer weiteren Fähigkeit zum eigenständigen Kampf gegen den IS„Islamischer Staat“.

*Namen zum Schutz abgekürzt.

von PAO CBI

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