CARFEX - Übung für den Ernstfall
CARFEX - Übung für den Ernstfall
- Datum:
- Ort:
- Erbil
- Lesedauer:
- 4 MIN
Patrouillenfahrten gehören in den meisten Einsätzen der Bundeswehr zum Alltag. Die Gefahr, von den eigenen Kräften abgeschnitten und auf Hilfe angewiesen zu sein, fährt dabei immer mit. Doch man kann Vorkehrungen treffen und Abläufe sowie Verfahren üben, um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein. In Erbil im Irak trainieren die deutschen Soldatinnen und Soldaten regelmäßig den Ernstfall mit ihren Verbündeten.
Casualty and Recovery Field Exercise, kurz: CARFEX, gibt den deutschen Kräften die Möglichkeit, die Rettung und Rückführung Verwundeter und isolierter Kräfte im multinationalen Rahmen zu üben. Wochenlange intensive Planungen haben die Truppe im Einsatz auf die Übung vorbereitet. Das Übungsszenario lautet: Eine Patrouille in geringer Stärke ist in einem unsicheren Umfeld unterwegs. Durch einen Sprengstoffanschlag wird sie zum Stehen gebracht. Es gibt Verwundete. Aus eigener Kraft schafft es die Truppe nicht, zu den eigenen Kräften zurückzukehren. Um in ein gesichertes Umfeld zu gelangen, ist sie auf Hilfe angewiesen.
Wann immer bei Patrouillen in und um Erbil Soldatinnen und Soldaten von den eigenen Kräften abgeschnitten werden, kommt auf Anforderung eine schnelle Eingreiftruppe der USUnited States-Streitkräfte ins Spiel, die Quick Reaction Force (QRF). Diese ist unter anderem dafür da, die isolierte Truppe zu retten und sicher ins multinationale Camp Erbil zurückzubringen. Bei Bedarf verstärken Sanitätskräfte die QRF. Die enge Zusammenarbeit mit dieser Einheit kann Leben retten – CARFEX sorgt für die nötige Übung. Mit dem Trainingscenter Bnaslawa, das sich in der Nähe der kurdischen Stadt Erbil im Norden des Irak befindet, steht ein idealer Ort für das regelmäßige Trainieren des Szenarios zur Verfügung.
Sprengstoffanschlag und lebensgefährliche Verletzungen
Früh am Morgen geht es für die Übungstruppe los: Ziel ist das Trainingscenter Bnaslawa. Nach 30 Minuten Marsch durch die Stadt Erbil ist die Übungstruppe, in die auch ein Beweglicher Arzttrupp (BATBeweglicher Arzttrupp) integriert wurde, vor Ort.
Kaum im Trainingscenter angekommen, startet die Übung. Bei einem Sprengstoffanschlag auf die Patrouille fallen drei von vier Fahrzeugen aus, zwei Soldaten sind lebensgefährlich verletzt. Ein offener Schienbeinbruch und ein Pneumothorax – eine Luftansammlung im Brustkorb – müssen beim ersten Verwundeten dringend versorgt werden. Der zweite Kamerad wird mit einer offenen Bauchdecke, bei der sich der Darm aus dem Bauch gelegt hat, geborgen. Zwei akute Notfälle.
Patrouille in Not: Allein geht es nicht
Schnell gelingt es den Kräften, die verwundeten Soldaten aus dem direkten Gefahrenbereich zu bringen und eine Rundumsicherung aufzubauen. Sofort beginnen der Arzt und zwei Rettungssanitäter, die mit dem BATBeweglicher Arzttrupp Teil der Patrouille sind, mit der Erstversorgung. Unterdessen ist die Lage unklar: Mit der Bedrohung durch gegnerische Kräfte muss jederzeit gerechnet werden. Da ein Großteil der Fahrzeuge ausgefallen ist, benötigt die Patrouille Unterstützung von anderen Kräften. Allein können sie das unsichere Umfeld nicht mehr verlassen und zu den eigenen Kräften zurückkehren. Die Schwerstverwundeten benötigen schnellstmöglich eine chirurgische Versorgung.
Deutsche und amerikanische TOCTactical operation cell organisieren die Rettung
Der Patrouillenführer alarmiert per Funk die deutsche Operationszentrale im Feldlager. Die Tactical Operation Cell, kurz: TOCTactical operation cell, fordert umgehend Unterstützung an. Die USUnited States-amerikanische QRF macht sich bereit. Aufgrund der Schwere der Verwundungen werden Personal und Transportmittel zur luftgestützten medizinischen Evakuierung (AirMedEvac) angefordert. Die USUnited States-Operationszentrale genehmigt die Bereitstellung zusätzlicher Transportmittel für Verwundete. Nach der Alarmierung durch die USUnited States-Operationszentrale macht sich die QRF mit einem USUnited States-Infanteriezug auf den Weg. Dabei kommen ein Transporthubschrauber vom Typ CH-47 Chinook sowie ein UH-60 Blackhawk zum Einsatz. Die deutsche TOCTactical operation cell steht im ständigen Kontakt mit den USUnited States-Kräften und den eigenen Kräften in der Gefahrenzone, um die Entwicklung der Lage weiterzugeben. Am Boden trifft der Patrouillenführer alle notwendigen Maßnahmen: Die Aufnahme der USUnited States-Kräfte und die Verwendung der richtigen Signalmittel und Identifizierungszeichen müssen vorbereitet werden.
Die Verbündeten landen in der Gefahrenzone
Der BATBeweglicher Arzttrupp bereitet derweil den Abtransport der Verwundeten vor. Signalrauch markiert die Landezone für die Hubschrauber. Das Gelände wird durch die Kräfte der Patrouille gesichert und durch die USUnited States-Kräfte aus der Luft überwacht. Mit dem Chinook werden zunächst die Infanteriekräfte zur Unterstützung angelandet, um die deutschen Kräfte am Boden zu entlasten und die Sicherung zu erweitern. Im zweiten Schritt landet der Blackhawk. Er nimmt die Verwundeten und den BATBeweglicher Arzttrupp auf und fliegt sie aus der Gefahrenzone zurück in die Erbil Airbase.
Nachdem die beiden Verwundeten und der BATBeweglicher Arzttrupp zur notfallchirurgischen Behandlung in die Sanitätseinrichtung, der sogenannten Role 2, zurückgebracht wurden, werden alle weiteren Kräfte mit dem Chinook aus der Gefahrenzone in das sichere Umfeld zurückgeführt. Die Bergung der zerstörten Fahrzeuge sowie des intakten Fahrzeuges wird mit nationalen und multinationalen Kräften aus der Erbil Airbase koordiniert.
Zum Abschluss: das Reintegrate
Im Camp hat in der Zwischenzeit der Kompaniefeldwebel, allgemein als Spieß bekannt, die 1. Phase der Wiedereingliederung vorbereitet, das Reintegrate. Dabei kommen unter anderem Personal des militärischen Nachrichtenwesens, Truppenpsychologen sowie der Militärpfarrer zum Einsatz. Diese 1. Phase dient einerseits dazu, neueste Erkenntnisse über das taktische Vorgehen des Gegners zu gewinnen, um daraus Schlussfolgerungen für das künftige Vorgehen eigener Patrouillen ziehen zu können. Andererseits werden die betroffenen Soldatinnen und Soldaten psychologisch versorgt und bei Bedarf der Transport Verwundeter in das Heimatland eingeleitet.
Fazit: Wer in Sicherheit übt, ist in der Krise sicher
CARFEX macht deutlich: Das, was im Einsatz jederzeit passieren kann, muss geübt werden, damit es im Ernstfall funktioniert. Umso wichtiger ist es, solche multinationalen Übungen regelmäßig durchzuführen. Mit der Durchführung der Übung, die mit Unterstützung des Einsatzführungskommandos in Deutschland geplant wurde, konnte ein standardisiertes Verfahren geschaffen werden, das durch die Truppe im Einsatz selbst jederzeit wiederholt werden kann. Ein unverzichtbares Vorgehen, um trotz regelmäßiger Kontingentwechsel auf alles vorbereitet zu bleiben.