Kommandeur der 9. Rotation im Interview: Was bleibt?

Kommandeur der 9. Rotation im Interview: Was bleibt?

Datum:
Ort:
Rukla
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Seit Februar 2021 ist das Panzerlehrbataillon 93 mit seinem Kommandeur, Oberstleutnant Sebastian Hebisch an der Spitze, dafür verantwortlich, den über 1.000 Soldatinnen und Soldaten aus sechs Nationen zusammengesetzten, multinationalen Gefechtsverband EFP in Litauen, während der 9. Rotation zu führen. Am 10. August 2021 erfolgt die turnusmäßige Übergabe der Führungsverantwortung an das Panzerbataillon 414 – Ein guter Zeitpunkt um gemeinsam mit dem scheidenden Kommandeur Bilanz zu ziehen.

7 Fragen an Oberstleutnant Sebastian Hebisch

Potraitbild eines Soldaten
Bundeswehr/PAO EFP
Norman Wald

Seit dem 10. Februar 2021 zeichnete das Panzerlehrbataillon 93 mit Ihnen an der Spitze als Kommandeur für die Führung des Multinationalen Gefechtsverbandes EFP in Litauen verantwortlich. Wie verlief der Start und mit welcher Zielsetzung sind Sie diese Aufgabe angegangen?

Potraitbild eines Soldaten

Mit der Übernahme der Verantwortung von der 8. Rotation begann im Grunde vom ersten Tage an das gemeinsame, multinationale Training. Jede Nation hatte sich vorab individuell auf diesen Einsatz vorbereitet und bereits die Voraussetzungen geschaffen, um mit Ihren Kräften in einem hochintensiven Gefecht bestehen zu können. Nun galt es, schnellstmöglich aus den vielen Einzelspielern ein Team zu formen und die individuellen, vielfältigen Fertigkeiten in gemeinsamer Anstrengung zu einem schlagkräftigen und einsatzbereiten gepanzerten mechanisierten Gefechtsverband zu formen. Dabei wurde eines vom ersten Tage an deutlich: Die zwangsläufig existierenden Unterschiede zwischen den einzelnen Nationen stellten sich als absolut gewinnbringend heraus. Gerade die vielen, unterschiedlichen, individuellen Erfahrungen, die die teilnehmenden Nationen in den NATO-Verband einbrachten und weitergaben, sollten sich als Grundpfeiler für unsere gemeinsame Kampf- und Einsatzbereitschaft herausstellen herausstellen

Getreu dem Motto: Multinationalität als Markenkern und gemeinsame Stärke.

Norman Wald

Alles war ausgerichtet auf ein Ziel: Combat - Ready. Können Sie uns kurz anhand einiger zentraler Ereignisse darstellen, wie sich die 9. Rotation bis hin zur zertifizierenden Gefechtsübung Iron Wolf entwickelte?

Potraitbild eines Soldaten

Der erste Höhepunkt war die Teilnahme der deutschen Kampfkompanie an der Übung Crystal Arrow - eine Zwei-Parteien-Übung unter kanadischer Führung, die im März in Lettland stattgefunden hat. Hier wurden meine Soldatinnen und Soldaten in den lettischen Kampfverband integriert und mussten sich erstmals gegenüber einem internationalen Inspektionsteam bewähren. Im Anschluss folgte die Teilnahme unserer Kampf- und Schützenpanzerbesatzungen an dem Vergleichsschießwettkampf Iron Spear. An diesem nehmen alle vier EFP Battlegroups aus Lettland, Estland, Litauen und Polen teil. Hier ist es unseren norwegischen Besatzungen mit Präzision und Geschwindigkeit gelungen, den letztjährigen Titelgewinn für unsere EFP Battlegroup Litauen erfolgreich zu verteidigen. Unsere weiteren vielfältigen Übungstätigkeiten kulminierten abschließend in der erfolgreichen Überprüfung der Einsatzbereitschaft während der Übung Iron Wolf I-2021.

Mit dem Prädikat „Combat Ready“ hat das multinationale Inspektoren-Team festgestellt, dass diese – unsere Rotation – keinen Vergleich mit anderen EFP Battlegroups oder NATO-Kräften scheuen muss. Unsere Leistungsfähigkeit erfuhr breite Anerkennung durch die Schiedsrichter, vielfältige Dienstaufsicht und nicht zuletzt durch unsere Gastgeber und Freunde aus der litauischen Iron Wolf Brigade. Anhand dieses Ereignisses, möchte ich eines nochmal besonders deutlich unterstreichen: Wir bringen für eine mögliche Bündnisverteidigung der baltischen Staaten unterschiedliche Fähigkeiten mit. Diese Unterschiede sehe ich als eine Stärke unserer Verteidigung. Gerade die Erfahrungen aus dieser Zeit, die Fähigkeiten unserer Partner kennengelernt zu haben, ist ein Ziel der gemeinsamen Anstrengungen hier in Litauen. Genau deshalb lautet unser Motto: „Strong- Together“.

Norman Wald

Wie haben Sie sich gemeinsam mit Ihren Soldatinnen und Soldaten auf diese Mission vorbereitet?

Potraitbild eines Soldaten

Wir haben in den Wochen und Monaten vor dem Einsatz als Verband zahlreiche Ausbildungsvorhaben durchgeführt – unter anderem im Schießübungszentrum Panzertruppen oder im Gefechtsübungszentrum des Heeres. Zudem umfasst die individuelle einsatzvorbereitende Ausbildung neben den Basisanteilen wie Schieß-, ABCAtomar, Biologisch, Chemisch- und Sanitätsausbildung auch Informationen der unterschiedlichsten Bereiche, wie beispielsweise über versorgungsrechtliche Ansprüche. Neben dem Fahren, Funken und Schießen war mir aber ein Aspekt bei der Einsatzvorausbildung unserer Soldatinnen und Soldaten besonders wichtig: Die detaillierte Auseinandersetzung mit der Geschichte und Kultur des Gastgeberlandes – Stichwort: Interkulturelle Kompetenz.

Meine Erwartungen haben sich in Gänze erfüllt, denn vor dem Hintergrund, dass das Sicherheitsempfinden stets ein subjektives Gefühl ist - letztendlich geprägt aus der persönlichen Erfahrung, der Geschichte des Landes und dem gegenwärtigen politischen Umfeld - erachte ich es persönlich als eine Selbstverständlichkeit, dass sich Deutschland im Rahmen dieser NATO-Mission engagiert. Multinationale Präsenz im baltischen Raum, auf Einladung unserer litauischen Freunde, ist ein starkes Zeichen für die uneingeschränkte Solidarität der NATO!

Norman Wald

Was war für Sie persönlich ein ganz besonderer Moment?

Potraitbild eines Soldaten

Ein halbes Jahr auf einen einzigen besonderen Moment zu fokussieren ist nicht möglich, da ich über den gesamten Zeitraum viele tolle Momente und ereignisreiche Tage und Wochen erlebt habe. Beginnend im zurückliegenden Jahr von der Einsatzvorbereiteten Ausbildung im Schießübungszentrum, über das Gefechtsübungszentrum bis hin zu den zahlreichenden fordernden Übungen hier in Litauen. Jede noch so große Herausforderung wurde angenommen und gemeistert. Ich stelle fest, dass wir in der Gruppe, im Zug und in der Kompanie, beziehungsweise im Stab alle einen deutlichen Sprung nach vorn gemacht haben. Wir haben ausgebildet, geübt und gekämpft! Wir sind wahrlich zusammengewachsen und durften im Rahmen des EFP-Auftrages jeden einzelnen Tag erfahren, was NATO bedeutet! Wir haben einen konkreten, sichtbaren und anerkannten Beitrag zur Bündnissolidarität und auch zur Sicherheit und Freiheit auf dem Bündnisgebiet geleistet. Darauf können wir stolz sein.

Die großartigen Leistungen bei unserem Kernauftrag, aber auch bei den sogenannten Nebenaufträgen fußen auf Engagement, Fachwissen, professionellem Auftreten und Leidenschaft eines jeden einzelnen Soldaten, einer jeder einzelnen Soldatin, immer das Beste zu erreichen. Dafür bin ich zutiefst dankbar!

Norman Wald

Gab es auch Rückschläge?

Potraitbild eines Soldaten

Trotz der sehr guten Leistungen unserer Battlegroup sorgten bedauerlicherweise Pflichtverletzungen und Straftaten von Soldaten eines Panzergrenadierzuges dafür, dass die deutschen Anteile mit negativen Schlagzeilen in der Tagespresse hervorgehoben wurden. Dass Fehlverhalten dieser Soldaten hat das Ansehen unserer Battlegroup erheblich beschädigt und war mehr als ein Schlag ins Gesicht für alle anderen unserer Kontingentangehörigen, die Ihren Dienst mit höchstem Können, Leidenschaft und Herz tagtäglich versehen haben – das hat mich unglaublich enttäuscht und ehrlich gesagt auch wütend gemacht. Umso mehr war es aus meiner Sicht richtig und wichtig unseren Beitrag dazu zu leisten, dass die Vorwürfe rasch und gründlich aufgeklärt sowie Verfehlungen konsequent und in aller gebotenen Schärfe geahndet werden konnten, beziehungsweise können. Somit haben wir einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und die Reputation unserer Battlegroup wiederherzustellen.

Ich bin fest davon überzeugt: Eine gemeinsame Haltung, das Eintreten für unsere gemeinsamen Werte – innerhalb wie außerhalb des Dienstes – Konsequenz und Glaubwürdigkeit, der kameradschaftliche Umgang untereinander und gegenseitiges Vertrauen – das ist unabdingbar, wenn wir gemeinsam unseren Auftrag erfüllen wollen.

Norman Wald

Würden Sie die 9. Rotation als erfolgreich bezeichnen und was würden Sie Ihrem Nachfolger ans Herz legen?

Potraitbild eines Soldaten

Ein klares – JA! Hunderte von Kontingentsoldatinnen und -soldaten haben jeden einzelnen Tag ihren Dienst in Litauen mit höchstem Können, Leidenschaft und Herz versehen - und dafür jede mögliche Anerkennung verdient! Jeder von uns war in seinem Auftrag gefordert– und hat die Mission Enhanced Forward Presence als Gemeinschaftsaufgabe und Gemeinschaftsleistung verstanden. Ich persönlich war tief beeindruckt von der Leistungsbereitschaft, dem Willen zum Erfolg und auch den Mut, in schwierigen Lagen zu stehen und zu bestehen. Verantwortungsvolles Handeln, Disziplin und der Wille zum Kampf haben die 9. Rotation ausgezeichnet und uns den Respekt der Bündnispartner eingebracht. Wir haben, wie alle Rotationen vor uns, durch unsere Leistung unverändert dazu beigetragen, dass die Menschen auf den Beistand und die Zuverlässigkeit der NATO vertrauen können.

In der nächsten Rotation gilt es auch weiterhin für den Auftrag der Battlegroup zu werben und so der interessierten Öffentlichkeit zu Hause und in Litauen die Gewissheit zu geben, dass die NATO zur Verteidigung von Recht und Freiheit bereit ist. Mit zunehmender Eindämmung der Coronapandemie kann sich die EFP Battlegroup dann wieder häufiger bei zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen mit ihrem Personal und Material präsentieren. Bei solchen Gelegenheiten kommen die Soldaten und Soldatinnen in den direkten Dialog mit der Bevölkerung und erläutern unmittelbar die Bedeutung ihrer Mission. Diese Nähe und Transparenz schafft Vertrauen.

Norman Wald

Welche Aufgaben warten auf Sie, wenn Sie zurück in Deutschland sind?

Potraitbild eines Soldaten

Sechs Monate im Einsatz bedeutet auch sechs Monate Entbehrungen durch Trennung von Freunden und Familien. Dies ist eine lange Zeit – so dass zunächst der Fokus natürlich auf dem Wiedersehen mit den Liebsten liegt und sicherlich die ersten Tage der Erholung und des Durchatmens dienen. Das vor uns liegende Ausbildungsjahr 2022, in dem ich auch weiterhin als Kommandeur das Panzerlehrbataillon 93 führen darf, wird geprägt sein von der Fokussierung auf den Themenkomplex „Kampf“ und steht ganz im Zeichen der Truppenausbildung. Insbesondere die Erfahrungen aus Ausbildung und Übungen im multinationalen Umfeld sind zu nutzen und das Erlernte weiter anzuwenden, um die Einsatzbereitschaft des Verbandes weiter hoch zu halten. Zahlreiche weitere Vorhaben und Sonderprojekte mit Bezug zu Einsatz, Ausbildung, Übung und Erziehung füllen das Auftragsbuch für das Panzerlehrbataillon 93 auch nach dem Einsatz zu einem Schwergewicht, welches wir als Kampfgemeinschaft durchhaltefähig und schlagkräftig zu meistern haben.

von Norman Wald

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