Für Oberstleutnant Peer Papenbroock war sein Einsatz als Kommandeur bei Enhanced Forward Presence in Litauen in vielerlei Hinsicht besonders. Zum einen aufgrund der COVID-19Coronavirus Disease 2019Situation, zum anderen, weil dies für ihn schon das zweite Mal in gleicher Funktion war. Beides zusammen wird auch in der Geschichte von EFP wohl einmalig sein – denn er kann wohl als Einziger beurteilen, wie sich diese Mission mit und ohne Pandemie anfühlt. In einem Interview erzählt er uns, wie es ihm dabei erging.
8 Fragen an Peer Papenbroock
Oberstleutnant Papenbroock
Oberstleutnant Hoff
Sie waren in der 5. in der ersten Jahreshälfte 2019 und jetzt in der 8. Rotation in der zweiten Jahreshälfte 2020 Kommandeur der Enhanced Forward Presence Battlegroup in Litauen. Was waren für Sie die größten Unterschiede?
Neben den jahreszeitlichen Unterschieden mit den tiefen Minusgraden, war der größte Unterschied für mich tatsächlich die durch COVID-19Coronavirus Disease 2019 verursachte Situation. Dies betrifft noch nicht einmal so sehr die Bereiche Ausbildung und Übung, sie betrifft in erster Linie unsere Sichtbarkeit im litauischen Umfeld, die uns durch die pandemischen Einschränkungen fast vollständig genommen wurden. Dies betraf sowohl Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit als auch die Möglichkeit für unsere Soldaten, das Land, in dem sie dienen, tatsächlich zu sehen und kennenzulernen. Da ein Teil unseres Auftrages auch gerade diese Sichtbarkeit darstellt, war dies insgesamt eine unschöne Entwicklung.
Oberstleutnant Hoff
Können Sie die Auswirkungen beschreiben?
Zunächst: Das ist nicht konkret und direkt zu bemerken. Letztlich haben wir aber auch bewusst versucht, durch die Nutzung von Social Media und die Einbindung der Medien insgesamt den Kontakt zur litauischen Bevölkerung nicht zu verlieren. In der 5. Rotation war dies deutlich anders. Damals haben wir im Schnitt ein bis zwei Veranstaltungen pro Woche durchgeführt. Veranstaltungen, zu denen teilweise 8.000-10.000 Besucher innerhalb eines Tages kamen. In der 8. Rotation fehlte dieser Austausch mit der Bevölkerung völlig. Am Ende musste aber dieser Teil des Auftrages hinter einem anderen zurückstehen: Die Einsatzbereitschaft der Battlegroup zu erhalten. Dazu war der Schutz der Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten vor COVID-19Coronavirus Disease 2019 wesentlicher Bestandteil.
Oberstleutnant Hoff
Ist es Ihnen in dieser Situation gelungen, alle Übungsvorhaben umzusetzen? Und, wenn ja: Wieviel Aufwand bedeutete das für die Battlegroup?
Ja, konnten wir, allerdings hing an allem ein Preisschild. Es war uns am Ende aber möglich, sowohl die mit unseren litauischen Partnern durchgeführte Zertifizierungsübung im Rahmen von „Iron Wolf“, als auch die darauf vorbereitenden Übungen in Litauen und Lettland erfolgreich umzusetzen. Highlight unserer Übungsvorhaben war für mich aber die Übung „Vigilant Leopard“, ein Panzerschießen auf Bataillonsebene, in das drei Kompanien der Battlegroup gleichzeitig involviert waren. Der Wert dieser Übung im Dezember und die daraus gewonnenen Erkenntnisse waren für uns enorm.
Der Erfolg gab uns zwar Recht, den Preis dafür hatte ich aber zuvor bereits beschrieben: Die fast vollständige Abschottung der Battlegroup. Sowohl von der Bevölkerung als auch weitgehend von den litauischen Streitkräften, die ebenfalls in hohem Masse von der Pandemie betroffen waren. Funktioniert hat dies nur aufgrund der hervorragenden Disziplin meiner Soldatinnen und Soldaten, die sich an die Auflagen und Regeln zum Schutz der Battlegroup gehalten haben.
Oberstleutnant Hoff
Diese Einschränkungen betrafen mit den litauischen Streitkräften damit auch die Zusammenarbeit mit den multinationalen Partnern. Wie bewerten Sie diese innerhalb der 8. Rotation insgesamt?
Innerhalb der Battlegroup war diese sehr gut. Wir haben viel voneinander gelernt und konnten in den Werkzeugkasten des linken und rechten Nachbarn hineinschauen und die Werkzeuge, die einem als sinnvoll und nützlich erschienen, in den eigenen integrieren. Und aufgrund der beschriebenen Abschottung waren Übungen innerhalb der Battlegroup ähnlich wie in der fünften Rotation nahezu uneingeschränkt möglich. Auch die Zusammenarbeit mit den Litauern hat stattgefunden, allerdings auf einer anderen Ebene und nicht wie im vergangenen Jahr im Rahmen von gemeinsamen Ausbildungen, wie zum Beispiel Workshops am gepanzerten Transportfahrzeug Boxer. Nun konzentrierte sich diese eher auf eine Zusammenarbeit der Stäbe, das Ganze mit Schutzkonzepten und meist innerhalb von Videokonferenzen. Für uns war das auch eine gute Übung für Operationsplanung auf Distanz.
Oberstleutnant Hoff
Neben unseren NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partnern und den Kräften der litauischen Gastnation befinden sich auch USUnited States-Kräfte im Raum. Wie lief die Zusammenarbeit da?
Ganz hervorragend. Wir konnten mit dem Bataillon in Pabrade ein wirklich gutes und belastbares Arbeitsverhältnis aufbauen. Damit konnten wir uns bei Übungsvorhaben wunderbar gegenseitig unterstützen. Dies hat besonders gut bei der Übung „Eager Leopard“ funktioniert, bei der wir auf beiden Seiten zunächst amerikanische Kräfte bis hin zur kompletten Kompaniestärke mit einbinden konnten. Dies war ein unschätzbarer Gewinn für beide Seiten und stärkte den Zusammenhalt und das Verständnis für den jeweils anderen.
Oberstleutnant Hoff
Diesen Einsatz macht vor allem die Multinationalität, das Gesamtprogramm EFP, aber auch die Zusammenarbeit mit den Luftwaffenkräften im Raum aus. Gab es da Berührungspunkte?
Es war immer schon Ziel, die gesamten Kräfte im baltischen Raum zusammenzubringen. Die Luftwaffeneinheiten des „Baltic Air Policing“ werden dazu beispielsweise regelmäßig mit in die Übungen der sogenannten „Joint Fire Support Teams“ einbezogen. Das können unsere deutschen Kräfte aus Estland oder wie jetzt gerade unsere italienischen Verbündeten hier in Litauen sein. Unabhängig davon findet ein ständiger Austausch zwischen den Battlegroups im Baltikum statt. Dies können Übungsvorhaben oder Wettkämpfe sein, wie zum Beispiel letztmalig ein Vergleichsschießen in Lettland, bei dem Kräfte der Battlegroup sowohl mit den Kampf- als auch mit den Schützenpanzern siegreich waren.
Oberstleutnant Hoff
EFP ist also ein großes Labor für den neuen Schwerpunkt der Bundeswehr Landesverteidigung/ Bündnisverteidigung. Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Mission?
Ich hoffe, dass meine Nachfolger hier die gleichen Übungsmöglichkeiten vorfinden werden, die ich hatte. Sowohl im Inland, als auch multinational und gemeinsam mit allen Partnern im Raum. Denn nur durch das gegenseitige, intensive Üben, können wir handlungssicher in unserem Auftrag werden. Das ist unser Kerngeschäft. Unter allen Witterungsbedingungen, in allen Geländeformationen und unterschiedlicher Zusammensetzung. Dies schließt die einsatzvorbereitende Ausbildung ausdrücklich mit ein.
Oberstleutnant Hoff
Herr Oberstleutnant, Ihre Zeit hier als Kommandeur endet nun. Was bleibt jetzt noch zu sagen?
Fest steht erst einmal: Ich hatte hier immer das Gerät und die Ausrüstung in einem hohen Klarstand, die wir brauchten. Im Vergleich zu den anderen Nationen gibt es in den Bereichen Funkausrüstung und die durchgängige Ausstattung noch Steigerungsmöglichkeiten. Da sind unsere Partner deutlich weiter als wir. Ansonsten hat die Truppe hier erneut einen hervorragenden Job gemacht. Es war mir eine Freude und eine Ehre, zwei Mal als Kommandeur dieser Battlegroup gedient haben zu dürfen.
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