B.E.S.S.E.R.

Psychologische Kameradenhilfe im Einsatz

Psychologische Kameradenhilfe im Einsatz

Datum:
Ort:
Rukla
Lesedauer:
3 MIN

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Unter dem Titel B.E.S.S.E.R. (Binden – Einstehen – Sprechen – Stabilisieren – Engagieren – Rückführen) führt die Truppenpsychologin der enhanced Forward Presence Battlegroup Litauen, Frau Oberstleutnant Tanja H., für den deutschen Anteil in Rukla eine Erstausbildung durch. Ziel ist es, den Soldatinnen und Soldaten eine Handlungsoption aufzuzeigen, die es ihnen ermöglicht, in Gefechtssituationen erstarrte Kameradinnen und Kameraden wieder handlungsfähig zu bekommen.

Zwei Soldaten stehen vor einem Gebäude

Das Team der Truppenpsychologie in Rukla. Hauptfeldwebel Timo B. und Oberstleutnant Tanja H.

Bundeswehr/Patrick Klepping

Es ist noch früh an diesem Freitagmorgen. Die anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind gespannt, was sie in der heutigen Ausbildung lernen werden. Mit einem herzlichen „Guten Morgen“ begrüßt Oberstleutnant Tanja H.  die zwölf Soldatinnen und Soldaten in der kleinen Standortkirche des Pfarrers in Rukla. In den nächsten zwei Stunden geht es um ein ernstes Thema: Was kann ich tun, wenn meine Kameradin oder mein Kamerad in einer akuten Belastungssituation einfriert und nicht mehr ansprechbar ist? B.E.S.S.E.R. soll dabei helfen, diese Situation zu erkennen und psychologische Erste Hilfe zu leisten. Es steht für Binden – Einstehen – Sprechen – Stabilisieren – Engagieren – Rückführen. In den nächsten Wochen werden 22 Durchgänge mit mehr als 300 Soldatinnen und Soldaten in Rukla stattfinden. Oberstleutnant H. erhält tatkräftige Unterstützung von Hauptfeldwebel Timo B., dem Truppenpsychologiefeldwebel.

Praktisches Beispiel

Soldaten sitzen in einem Unterrichtsraum

Psychologische Kameradenhilfe im Einsatz. Einweisung in den theoretischen Hintergrund der Ausbildung.

Bundeswehr/Patrick Klepping

Noch schauen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ausbildung skeptisch. Was für die meisten Neuland ist, wendet die israelischen Armee seit 2014 erfolgreich an. Mittlerweile haben auch andere Streitkräfte das Prinzip übernommen, unter anderem Großbritannien und die USA. Nachdem das Thema theoretisch aufgearbeitet wurde, geht es an die praktische Umsetzung. Dazu wird eine Extremstresssituation  dargestellt: „Sie befinden sich mit Ihrer Gruppe in der Verteidigung. Plötzlich schlagen Mörsergranaten nahe ihrer Stellung ein und sie werden von Maschinengewehren beschossen. Als Sie den Feuerkampf erwidern, merken Sie, dass Ihr Kamerad zusammengekauert neben Ihnen auf dem Boden liegt und zittert“. Für die praktische Übung finden sich die Soldatinnen und Soldaten in Gruppen zusammen. Während einer der Teilnehmer in die Rolle des belasteten Soldaten schlüpft, hat ein zweiter die Aufgabe unter Zuhilfenahme der Taschenkarte das B.E.S.S.E.R.-Schema anzuwenden. Mit Hilfe der sechs genannten Schritte wird nach einer ersten Kontaktaufnahme das logische Denkvermögen des Kameraden wieder aktiviert und dieser soweit stabilisiert, dass er seine ursprüngliche Aufgabe in der Gruppe wiederaufnehmen kann. Der militärische Auftrag kann fortgesetzt werden. Die gesamte Intervention dauert lediglich zwei bis fünf Minuten.

Warum überhaupt B.E.S.S.E.R.?

Drei Soldaten in einer Ausbildungssituation

Unter Aufsicht des Truppenpsychologiefeldwebels Hauptfeldwebel B. erfolgt die praktische Ausbildung

Bundeswehr/Patrick Klepping

Selbst- und Kameradenhilfe bekommt bei der Landes- und Bündnisverteidigung, die mit dem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine in den Fokus gerückt ist, einen neuen Stellenwert. Auch sie entscheidet über Erfolg oder Misserfolg eines Auftrags. Soldatinnen und Soldaten, die sich in einer psychischen Extremsituation wiederfinden, erleben häufig Hilflosigkeitsgefühle. Kann man diese Emotionen durch die Unterstützung von Kameradinnen und Kameraden vor Ort überwinden, wird dadurch auch psychischen Folgeerkrankungen vorgebeugt.
Für die Anteile des Heeres der Very High Readiness Joint Task Force (VJTFVery High Readiness Joint Task Force) wurde B.E.S.S.E.R schon als Pilotprojekt umgesetzt. Das Kommando Heer will das Programm im kommenden Jahr dann komplett für alle Truppenteile ausrollen. Es könnte Bestandteil der Erste-Hilfe-Ausbildung werden und Teil der Gesundheitsinformation bei der Einsatzlandunspezifischen Ausbildung (ELUSAeinsatzlandunspezifische Ausbildung). Federführung für das Projekt liegt beim Psychotraumazentrum der Bundeswehr am Bundeswehrkrankenhaus in Berlin.

von Patrick Klepping

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