Die Fregatte „Hessen“ ist Teil der EUEuropäische Union-geführte Operation EUNAVFOREuropean Union Naval Force Aspides, die Operation trägt zur maritimen Sicherheit der wichtigsten Seeverbindungswege im Einsatzgebiet bei – dem Roten Meer. Kommandant der „Hessen“ ist Fregattenkapitän Volker Kübsch. Im Interview berichtet er über die ersten Wochen in diesem Einsatz.
9 Fragen an Fregattenkapitän Volker Kübsch
Herr Fregattenkapitän Volker Kübsch, wie erleben Sie und die Besatzung die latente Bedrohung durch Angriffe aus der Luft, was macht das mit Ihnen?
Der Vollständigkeit halber könnte ich die Bedrohung noch um die Dimensionen Überwasser und Unterwasser ergänzen - aber was den Kern Ihrer Frage betrifft, macht das keinen qualitativen Unterschied. Alle, wirklich alle, sind sich der allgegenwärtigen Bedrohung und der damit verbundenen Risiken bewusst. Schon kleinste Fehler können fatale Konsequenzen haben - Achtsamkeit und volle Konzentration sind daher rund um die Uhr oberstes Gebot. Meine Besatzung macht das großartig! Können, wollen, machen - die „Hessen“ funktioniert hier wie ein Uhrwerk mit allerhöchster Präzision. Man nimmt seit Wochen deutlich wahr, dass es ruhiger und ernsthafter im Schiff geworden ist. Als Besatzung (einschließlich aller für den Einsatz Unterstützenden) sind wir nochmal deutlich enger zusammengerückt.
Die Besatzung fährt in weiten Teilen im „Kriegsmarsch“, wechselt sich also im sechsstündigen Rhythmus auf den Stationen ab. In der freien Zeit muss von Essen über Reinschiff und Körperpflege bis Schlafen alles erledigt werden. Warum dieser fordernde Dienst im Einsatz?
Mit der Kriegsmarschorganisation gelingt uns exakt der Spagat zwischen Kampfbereitschaft und Durchhaltefähigkeit. Weder das übliche „3-Schicht-System“ noch das „all in“ mit personeller Vollbesetzung der Gefechtsstationen können uns in diesem Umfeld zum Erfolg führen. Im Kriegsmarsch haben wir etwa die Hälfte der Besatzung auf ihren Stationen und können damit jederzeit alle auch kurzfristig auftretenden Bedrohungen abwehren. Bei Bedarf wird dann die zweite Wache aus ihrer „Freiwache“ dazugeholt, wenn die volle Kampfkraft des Schiffs gefordert ist. Wie Sie schon in der Frage beschrieben haben, ist „Freiwache“ nicht unbedingt mit Ruhezeit gleichzusetzen. Auf Kriegsschiffen wird auch im normalen Seebetrieb schon recht wenig geschlafen - im Kriegsmarsch verschärft sich das noch.
Mal weg von Flugkörpern und Rohrwaffen, die zur Luftzielbekämpfung infrage kommen. Sie haben auch Bordhubschrauber dabei. Gesetzt den Fall, einer der Helikopter wäre gerade in der Luft: Wäre es denkbar, eine anfliegende feindliche Drohne von einem „Sea Lynx“ aus mit einem schweren Maschinengewehr abzuschießen?
Ja, das ist grundsätzlich möglich und durchaus denkbar. Der Hubschrauber ist schneller und wendiger als die Drohne und die Bordwaffe ermöglicht eine wirksame Bekämpfung aus der Distanz.
Können Sie, ohne taktische Details zu verraten, erklären, wie der Schutz der Handelsschiffe organisiert wird bei der Mission „Aspides“?
Zum Schutz der Handelsschiffe - hier hilft die Fußballsprache dem Verständnis - kommen die Verfahren „Raumdeckung“ oder „Manndeckung“ in Frage. Letzteres kommt hier gegenwärtig vermehrt zum Einsatz, wenn ein Kriegsschiff eines oder mehrere Handelsschiffe auf dem Weg durch das Gefährdungsgebiet sehr eng begleitet. Haben wir keinen bestimmten Schutzauftrag, so betreiben wir die „Raumdeckung“ in zugewiesenen Operationsgebieten und schützen dadurch allen Schiffsverkehr in der Umgebung.
Erfolgt dabei eine Abstimmung mit anderen befreundeten Marineeinheiten im Seegebiet?
Wir stehen hier im permanenten Austausch mit allen anderen, befreundeten Akteuren im Operationsgebiet. Von dieser gut funktionierenden, professionellen Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung profitieren alle. Mit derzeit vier Schiffen bei Aspides könnten wir andernfalls dem Anspruch auch kaum gerecht werden.
Gerade hat die „Hessen“ einen Frachter eskortiert. Warum werden einzelne Handelsschiffe durch das gefährliche Seegebiet begleitet und nicht Konvois gebildet?
Im Augenblick folgt das Angebot der Nachfrage. Reedereien werden - auch durch zielgerichtete Kommunikation - mehr und mehr auf das Angebot zum Schutz durch Aspides-Schiffe aufmerksam. Gut möglich, dass in der Zukunft so viele Schiffe das Angebot wahrnehmen möchten, dass sich ein Konvoisystem als effizient erweisen könnte und nicht zu lange Wartezeiten entstehen.
Inzwischen soll ein Hafen im Einsatzgebiet für die Nachversorgung ausgewählt worden sein. Wo kann die „Hessen“ Lebensmittel, Kraftstoffe und Frischwasser, aber gegebenenfalls auch Munition und Ersatzteile an Bord nehmen?
Unsere logistische Abstützung erfolgt über den Seehafen in Dschibuti, der die gesamte „Angebotspalette“ verfügbar hat.
Kurze Hafenaufenthalte werden von der Besatzung grundsätzlich gerne auch für einen Landgang genutzt. Nun ist Dschibuti nicht unbedingt als Highlight bekannt. Was ist geplant zur Erholung und Zerstreuung der Soldatinnen und Soldaten?
Die Freizeitmöglichkeiten sind sowohl an Bord als auch im Hafen sehr begrenzt. Wir werden künftig auch Landgang insbesondere in Form von geführten Touren oder einer kurzen Auszeit an einem Swimmingpool organisieren. Dennoch dürften sich die allermeisten einfach nur für Ausschlafen interessieren - denn vor allem das kommt in Seephasen meist zu kurz.
Herr Kübsch, haben Sie einen Wunsch an all jene, die den Einsatz der Fregatte „Hessen“ aufmerksam verfolgen?
Aber selbstverständlich habe ich den. Doch zunächst möchte ich meinen Dank für die hervorragende Unterstützung in und aus allen Bereichen zum Ausdruck bringen. Sowohl dienstlich als auch privat - diese Unterstützung nimmt viel Last von unseren Schultern. Ich wünsche mir weiterhin dieses spürbare Interesse und die rege Unterstützung für die „Hessen“ und ihre Besatzung.
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