Training für den Ernstfall in der Role 1+ bei MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali
Training für den Ernstfall in der Role 1+ bei MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali
- Datum:
- Ort:
- Gao
- Lesedauer:
- 4 MIN
„Exercise, Exercise, Exercise“ ertönt es aus dem Funkgerät – die Übung zur Versorgung eines verwundeten Soldaten durch die Role 1+ in Gao beginnt. Erste Informationen zum Verletzungsmuster werden übermittelt. Dargestellt wird der Verwundete durch Simulator, der durch die britischen Kameradinnen und Kameraden bereitgestellt wird.
Nach der Alarmierung wird umgehend ein Rettungstrupp entsandt. Der Patient wird von einem britischen Mediziner übernommen und mit einem gepanzerten Sanitätsfahrzeug, dem Eagle IV BATBeweglicher Arzttrupp, zur deutschen Role 1+ transportiert. Im Schockraum hält sich schon das Notfallteam bereit. Dieses besteht neben einem anästhesiologischen und einem chirurgischen Team aus mehreren Kameradinnen und Kameraden des Notaufnahme-Teams.
Nach dem Eintreffen des Rettungstrupps verbindet ein britischer Kamerad umgehend über Schläuche eine Pumpe mit dem Simulator, was die Versorgung mit künstlichem Blut ermöglicht. Auf diese Weise können die Verletzungen so realistisch wie möglich dargestellt werden. Im Anschluss erfolgt die Übergabe. Hierfür richtet sich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden voll auf den Notfallsanitäter des Rettungstrupps. Er bestätigt das bereits angekündigte Verletzungsmuster: Einschusswunden im Bereich der rechten Schulter und der linken Leiste. Die Verletzungen sind perfekt vorversorgt und der Patient ist kreislaufstabil.
Ärzte und Pflegekräfte stabilisieren die Vitalfunktionen
Nach der Übergabe beginnt umgehend die erneute strukturierte Untersuchung, um lebensbedrohliche Verletzungen schnellstmöglich erkennen und therapieren zu können. Die Kleidung des Patienten wird durchschnitten, um keine Verletzung zu übersehen. Die Blutungen sind durch die Notfallverbände zunächst unter Kontrolle, der Anästhesist überprüft die Atmung. Ihm fällt ein abgeschwächtes Atemgeräusch auf der rechten Seite des Brustkorbes auf. Durch die Schusswunde in diesem Bereich besteht die Gefahr eines Pneumothorax, bei dem Luft zwischen Lunge und Rippenfell gelangt und so die Atmung des Patienten lebensgefährlich einschränken kann.
Das Team handelt schnell und legt über einen kleinen Schnitt zwischen den Rippen einen Schlauch in diesen Zwischenraum ein, sodass die Luft entweichen kann. Um die Sauerstoffversorgung zu verbessern, muss der Patient zudem künstlich beatmet werden. Dazu wird eine Narkose eingeleitet und die Atemwege werden mit einem Beatmungsschlauch gesichert. Für die Abstimmung der einzelnen Behandlungsschritte ist eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten unerlässlich. Jedes Teammitglied kommt seiner Aufgabe nach, vieles läuft parallel und trotzdem muss jeder den Überblick behalten. Die erfolgten Maßnahmen werden nochmals überprüft und es zeigt sich, dass das Atmungsproblem des Patienten stabilisiert werden konnte.
Notoperation im Schockraum
Die Kreislaufsituation verschlechtert sich jedoch und der Verband in der Leiste ist zunehmend durchgeblutet. Der Patient erhält Infusionen sowie kreislaufunterstützende Medikamente, parallel dazu wird eine Bluttransfusion vorbereitet. Das chirurgische Team inspiziert die Wunde und stellt fest, dass die große Beinarterie verletzt ist. Um einen weiteren Blutverlust zu verhindern, wird die Wunde zunächst mit der Hand komprimiert, während das Operationsteam eilig die chirurgischen Instrumente vorbereitet. Schnell und besonnen legen die Chirurgen die verletzte Arterie frei und überbrücken diese, damit die Blutversorgung des Beines wieder funktioniert. Dieser Eingriff stellt im Einsatz aufgrund begrenzter Ressourcen eine besondere Herausforderung dar. Doch dank einer umfassenden Ausbildung in den Bundeswehrkrankenhäusern sind die Ärztinnen und Ärzte dafür gewappnet, auch im Einsatzland eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Dabei stehen Operationen zur Stabilisierung des Patienten im Fokus, durch welche ein sicherer Transport ins Heimatland gewährleistet ist.
Kommunikation und volle Aufmerksamkeit im Team
Während die Chirurgen noch mit der Notoperation beschäftigt sind, wird durch den Anästhesisten ein Gefäßzugang in eine große Vene im Bereich des Halses gelegt. Darüber können Infusionen, Bluttransfusionen und Medikamente verabreicht werden. So gelingt es, dass sich die Kreislaufparameter des Patienten weiter stabilisieren. Diese werden zu jeder Zeit auf einem Überwachungsmonitor angezeigt. Somit können Beatmung, Narkose und Therapie mit kreislaufunterstützenden Medikamenten optimal gesteuert werden.
Immer wieder wird die aktuelle Situation des Patienten überprüft und im gesamten Team kommuniziert. Dadurch haben alle den gleichen Kenntnisstand: Was sind die aktuellen Probleme des Patienten? Was wurde schon gemacht? Und welche Maßnahmen sind in den nächsten Minuten erforderlich? Im Ernstfall würden bereits zu diesem Zeitpunkt Meldungen abgesetzt, damit der Rücktransport des Patienten in das Heimatland organisiert werden kann. Dort erfolgen die weitere Behandlung und möglicherweise weitere Operationen, die für eine möglichst vollständige Genesung notwendig sind.
„End of exercise“
Eine Stunde nach der ersten Alarmierung ist der Patient soweit versorgt und stabil, dass er bis zum Transport ins Heimatland auf die Intensivstation verlegt werden kann. Dies ist der Moment, in dem die Übung durch die Klinische Direktorin der Role 1+ im malischen Gao beendet wird. Alle helfen mit, um den Schockraum schnellstmöglich wieder einsatzbereit zu machen. Erst dann gibt es eine kurze Pause, bevor sich alle, die an der Übung beteiligt waren, für das Abschlussbriefing versammeln. Dabei wird nicht nur die Zusammenarbeit bei der Versorgung des Patienten kritisch durchgesprochen. Auch Erfahrungen bezüglich der Arbeit am Simulator werden mit den britischen Kameradinnen und Kameraden ausgetauscht. Simulationstrainings ermöglichen es dem Team, unter Stress Arbeitsabläufe abzustimmen und die sichere Kommunikation zu trainieren, damit im Ernstfall keine Informationen verloren gehen. Das kommt allen Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zugute und sichert die erfolgreiche Ausführung des Auftrages.