Tagebuch Hutch: Sieben Minuten bis Abmarsch
Tagebuch Hutch: Sieben Minuten bis Abmarsch
- Datum:
- Ort:
- Gao
- Lesedauer:
- 4 MIN
Einsatztagebuch: Hutch ist Objektschützer der Luftwaffe. In seinen Kolumnen nimmt er uns mit auf seine ganz persönliche Reise durch den Einsatz in Mali. Seit der Rückkehr von der Multi-Sensor-Operation in Ansongo sind sie bereits seit einer guten Woche als Quick Reaction Force, als schnelle Eingreiftruppe, eingesetzt und auf Alarmbereitschaft. Solange sie nicht alarmiert werden, können sie den Tag relativ frei gestalten: Sport, lesen, schreiben. Einzige Prämisse ist, bei Alarmierung sofort Einsatzbereitschaft herstellen zu können.
Für heute haben wir einen Gruppenabend angesetzt: Wir sitzen zusammen in unserem Verpflegungsbereich und spielen Gesellschaftsspiele. Eine schöne und mitunter sehr amüsante Abwechslung. - gerade mit den geltenden Hygieneregeln ist es für den Kopf gut, mit seiner Gruppe etwas abschalten zu können. Während einer meiner Kameraden gerade versucht, pantomimisch eine Kaffeekapsel darzustellen, klingelt ein Funkgerät auf unserem Tisch. Alarmierung! Sofort springen wir auf, lassen alles stehen und liegen und laufen auf unsere Stuben, um uns fertig zu machen. Am Rande bekomme ich mit: Unser MedEvacMedical Evacuation-Helikopter befindet sich außerhalb des Camps und es gibt wohl eine leicht verletzte Person – das Ganze ist keine Übung! Mit meiner Stirnlampe auf dem Kopf sprinte ich von unserer Unterkunft zum Fahrzeug. Während ich durch die Wand aus Dunkelheit und aufgewirbeltem Staub laufe, geht mir einiges durch den Kopf und ich versuche, mir das Lagebild vor Augen zu führen.
Klar zum Gefecht in wenigen Minuten
Am Fahrzeug angekommen bereiten wir sofort alles für den Einsatz vor: Wir legen unsere Schutzwesten an, laden die Handwaffen fertig „Klar zum Gefecht!“, bereiten die Fahrzeugbewaffnung vor und führen auf unseren Frequenzen eine Funkkreisüberprüfung durch. Nachdem Unterstützungs- und Zusatzkräfte eingeteilt wurden, wird unser Zugführer über Lage und Auftrag unterrichtet. Auch wenn es sich wie eine Ewigkeit anfühlt, sind seit der Alarmierung über Funk gerade einmal sieben Minuten vergangen. Es ist ein gutes Gefühl festzustellen, dass das, was wir ständig geübt haben, auch im Ernstfall sitzt und funktioniert! Während wir auf dem Fahrzeug sitzen und auf unseren Abmarsch warten, unterstützen wir uns gegenseitig beim Vorbereiten unserer Nachtseh- und Nachtkampfmittel. Wir bereiten uns auf eine lange Nacht vor.
Auftrag: Aufnahme eines Verletzten
Mit neuen Lageinformationen kehrt unser Zugführer aus der Operationszentrale zurück: Eine unserer Partnernationen bei MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali hat einen leicht verletzten Soldaten. Damit die Kräfte ihren Auftrag planmäßig weiterführen können, fahren wir raus, um den Verletzten mit unserem Beweglichen Arzttrupp (BATBeweglicher Arzttrupp) aufzunehmen. Unsere internationalen Kameraden stellen bereits die Sicherung und geben uns die Koordinaten für den Treffpunkt durch, an dem wir Verbindung aufnehmen sollen. Durch die dunkle Nacht rollen wir los.
Die schlechten Straßenverhältnisse sorgen dafür, dass wir immer wieder aufs offene Gelände ausweichen müssen, um Hindernisse zu umfahren. Zwischendurch kommt es zum Halt: Mit einem weiteren Kameraden sitze ich vom Fahrzeug ab und prüfe das umliegende Gelände auf mögliche Sprengfallen. Kein Fund, Sicherung beziehen, verharren, wieder aufsitzen und weiter – ein mittlerweile altbekannter Ablauf, tausendfach geübt. Dennoch heißt es: konzentriert bleiben.
Sicherheitscheck in der Dunkelheit
Es ist bereits nach Mitternacht, als wir den Treffpunkt erreichen. Gemäß Befehl verteilen sich unsere Kräfte. In der Dunkelheit der Nacht weiß jeder, wo er wann wie sein soll und was er im Speziellen zu tun hat. Auch hier zeigen sich die Früchte unserer vielen Übungsplatzaufenthalte. Gemeinsam mit meinem stellvertretenden Gruppenführer halte ich mich bereit, mögliche Fahrzeuge anzuhalten und zu kontrollieren. Unterdessen kommuniziert unser Zugführer mit unseren Verbündeten und klärt den Ablauf für die Verbringung des Verwundeten.
Unerwartete Kontrolle
Zwar mag es einem vorkommen, als befände man sich im größten Niemandsland, doch es dauert nicht lange, bis ich im grünen Schein meines Nachtsichtgerätes am Horizont einen schwachen Lichtkegel ausmachen kann, der stetig näherkommt. Erst ein Lkw, dann ein zweiter. Um 2 Uhr morgens mitten in der Wüste, augenscheinlich schwer beladen, kämpfen sich die Fahrzeuge über die Schotterpiste. Über Funk meldet uns unser FLWFernbedienbare Leichte Waffenstation-Schütze, dass sich auf Dach und Zuladung zahlreiche Personen befinden. Wir machen uns erkenntlich, leuchten die Fahrzeuge aus und bringen beide zum Stehen. Anschließend nähern wir uns unter Eigensicherung und kontrollieren kurz die Fahrzeuge. Beide Fahrer verhalten sich sehr kooperativ und sind abgestiegen. Auf Französisch erkläre ich, dass die Straße zurzeit blockiert sei, sie uns aber im Schritttempo folgen können, um das Hindernis zu umfahren. Und so plötzlich, wie beide Lkw auftauchten, hat die dunkle Nacht sie wieder verschluckt.
Auftrag erfüllt!
In der Zwischenzeit hat der zweite Halbzug den Verwundeten bereits aufgenommen und es dauert nicht mehr lange, bis wir den Rückmarsch Richtung Feldlager antreten können. Um kurz nach vier erreichen wir das Camp – Auftrag erfüllt! Wir „rödeln“ ab, so nennt man das Ablegen der Ausrüstung und des Materials. Wir freuen uns alle auf eine kurze Dusche und anschließend auf unsere Betten. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass sich unser ständiges Üben bezahlt gemacht hat, dass unsere Abläufe funktionieren und wir als eingespieltes Team eine schnelle Einsatzbereitschaft gewährleisten können. Darüber hinaus erfüllt es mich mit Stolz, dass wir unseren internationalen Verbündeten aushelfen, und für den sicheren Abtransport des Verwundeten sorgen konnten.