Medizinische Beratung in Nord-Afghanistan
Medizinische Beratung in Nord-Afghanistan
- Datum:
- Ort:
- Masar-i Scharif
- Lesedauer:
- 3 MIN
Dieser Artikel ist vor mehreren Tagen entstanden. Wegen der aktuellen COVID-19Coronavirus Disease 2019 Lage, wurden Art und Umfang der Aufträge in den einzelnen Kontingenten und Missionen gegebenenfalls bereits angepasst.
Keine zehn Minuten Fußmarsch sind es vom Safe Haven, dem abgesicherten Bereich der deutschen Beraterinnen und Berater im Camp Pamir, zum Kundus Trauma Center. Diese Klinik behandelt innerhalb der Provinz die afghanischen Soldatinnen und Soldaten. Obwohl der Weg nicht weit ist, braucht Oberleutnant Nico R., medizinischer Berater in Afghanistan, immer Guardian Angels an seiner Seite. So heißt die Truppe der Force Protection, die für Nico R.s Sicherheit sorgt. Kundus ist nach wie vor eine der gefährlichsten Regionen Afghanistans.
Türen öffnen und Anstöße geben
Oberleutnant Nico R. ist in der Klinik mit dem afghanischen Oberstleutnant Dr. Rahman verabredet. Dieser leitet die Klinik, die von der zahnärztlichen Versorgung über Operationssäle bis hin zum Labor und einer Apotheke alles bereithält. Bis zu 120 Patientinnen und Patienten versorgt die Klinik täglich, darunter auch verwundete Soldaten der afghanischen Armee. Aber es gibt einige Herausforderungen.
Manche der medizinischen Geräte sind kaputt oder das Personal ist nicht mit ihnen vertraut. Neuanschaffungen sind mit viel Bürokratie verbunden. Auch die Stromversorgung ist ein Problem. Die Trasse reicht nicht bis zur Klinik, Generatoren müssen einspringen. In puncto Infrastruktur können die deutschen Beraterinnen und Berater Hilfestellung leisten. „Wir können Türen öffnen. Aber durchgehen müssen die Afghanen letztendlich selber“, sind sich Hauptmann Olaf L. und Oberleutnant Nico R. einig.
Vom Schnupfen bis zur Kriegsverletzung
Auch im Camp Shaheen nahe Masar-i Scharif gibt es eine Klinik – größer, moderner und mit 100 Betten etwa fünfmal so groß wie das Schwesterhaus in Kundus. Es ist eines der größten und modernsten Krankenhäuser im Norden Afghanistans. Nicht nur afghanische Soldaten und Polizisten kommen zur Behandlung hierher, sondern auch die Zivilbevölkerung. Vom einfachen Schnupfen bis hin zu schweren Kriegsverletzungen behandeln die Ärzte und ihr Assistenzpersonal hier alle Krankheiten. Leiter des Krankenhauses ist Brigadegeneral Dr. Gul.
Leben retten im Gefecht
Die afghanischen Sicherheitskräfte bewegen sich täglich in einem unsicheren Umfeld. Ständig müssen sie mit Anschlägen feindlicher Taliban rechnen. Schwere Verwundungen fernab eines Krankenhauses sind daher an der Tagesordnung. Um diese adäquat behandeln zu können, benötigen sie eine lebensrettende Ausbildung – die Ausbildung zum Gefechtssanitäter.
Diese findet im Regional Military Training Center statt. Hier werden auch die künftigen Infanteristen der afghanischen Armee ausgebildet. „Die enge Verbindung zwischen kämpfenden und unterstützenden Soldatinnen und Soldaten ist wichtig, um ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln“, erläutert Hauptmann Olaf L.
Multitalent mit Geduld gefragt
Zwar führen die multinationalen Beraterinnen und Berater aus Amerika, Kroatien und Deutschland auch selbst Lehrgänge durch. Inzwischen geht es jedoch vermehrt darum, bereits ausgebildete afghanische Sanitäterinnen und Sanitäter bei der Ausbildung zu beraten und zu unterstützen.
Neben den kulturellen Unterschieden fordert auch die Sprachbarriere die Zusammenarbeit tagtäglich heraus. Man stelle sich folgendes Szenario vor: Der deutsche Berater erklärt auf Englisch mithilfe eines Sprachmittlers dem afghanischen Stabsoffizier ein USUnited States-amerikanisches System. Kein Wunder, dass es manches Mal zu Missverständnissen kommt. Das oberste Gebot bei der Beratung lautet daher: Geduld haben.
Ohne Diplomatie geht es nicht
Im Krankenhaus im Camp Shaheen und in der Klinik im Camp Pamir unterstützen die Beraterinnen und Berater bei der Organisation des täglichen Dienstes, beispielsweise in der Notaufnahme. Häufig fungieren sie auch als „Türöffner“ bei übergeordneten Stellen, um notwendige Beschaffungen voranzutreiben. Gemeinsam mit Oberstleutnant Dr. Rahman arbeitet Oberleutnant Nico R. derzeit an dem Ziel, die Klinik in Kundus von 20 auf 50 Betten aufzustocken. Ein Depot für Medikamente wurde bereits eingerichtet. „Ein kleiner Erfolg“, freut sich Oberleutnant Nico R.
Sich selbst überflüssig machen
Eine weitere Herausforderung ist das Verbessern der Rettungskette. In einem Land wie Afghanistan sind die Wege weit – ein Faktor, der Leben kosten kann. Ein weiteres Ziel ist, dass die Klinik eines Tages auch Schwerstverletzte versorgen kann.
„Unser langfristiges Ziel ist es aber, dass wir letztendlich hier überflüssig werden und unsere afghanischen Kameradinnen und Kameraden ihre täglichen Herausforderungen eigenständig meistern“, erklärt Hauptmann Olaf L. Dazu gehört auch, dass die Versorgungswege zuverlässig funktionieren. Medikamente, Sauerstoff und destilliertes Wasser für das Labor: All das muss Dr. Rahman für seine Patientinnen und Patienten vorrätig haben.