Masar-i Scharif: Gewappnet für den schlimmsten Alptraum
Masar-i Scharif: Gewappnet für den schlimmsten Alptraum
- Datum:
- Ort:
- Masar-i Scharif
- Lesedauer:
- 3 MIN
Ein Rettungsszenario dieser Art ist der schlimmste Alptraum. Verwundete schreien um Hilfe, die Sicherheitslage ist gefährlich. Bei der Übungslage MASCALMass Casualty stellen die multinationalen Soldaten in Afghanistan ihre Fähigkeiten unter Beweis. Niederländische Spezialkräfte stellen die Sicherheit her, deutsche Sanitäter beginnen mit der medizinischen Versorgung der Verletzten.
Seit drei Tagen steht die Maschine schon am Ende der Landebahn des Flughafens in Masar-i Scharif. Tagsüber brütet die goldene Boeing 727-100 mit der Kennung YA-GAA unter der Wintersonne Afghanistans, nachts wird es bitterkalt. Die Zustände in der Maschine lassen sich nur erahnen. Trotz aller Sorgfalt haben Geiselnehmer die Maschine in ihre Gewalt gebracht. Die Lage spitzt sich weiter zu. Als nach endlos langen Verhandlungen die ersten Geiseln das Flugzeug verlassen dürfen, werden sie hinterhältig niedergeschossen. Was nach Spielfilm klingt, bildet den Rahmen für die Übungslage MASCALMass Casualty, dem Massenanfall von Verwundeten.
Grünes Licht für die Sanitäter
Auf dem Boden liegen zahlreiche Verletzte, höchste Zeit zu handeln. Die Spezialkräfte der Niederländer stürmen das Flugzeug, befreien die restlichen Geiseln und sichern auch den Raum rund um die angeschossenen Geiseln. Anschließend bringen sie die Opfer in Sicherheit und treffen erste Maßnahmen der Verwundetenversorgung. Sobald der Raum durch die Spezialkräfte gesichert ist, bekommen die Sanitätskräfte des Camp Marmal grünes Licht. Der Arzt, der als erster am Unfallort eintrifft, behandelt nicht. Er sichtet nur, um eine qualifizierte Notfallmeldung für weitere Rettungskräfte abzugeben. Die erste medizinische Versorgung der Verletzten beginnt, schnell wird entschieden wer zuerst transportiert werden muss. MASCALMass Casualty ist das Codewort für diesen Ausnahmezustand, den Massenanfall von Verwundeten. Hand in Hand arbeiten die Sanitätskräfte mit den Spezialkräften. Multinational. Die Rettungskette funktioniert. „Schnell raus aus der Gefahrenzone“ lautet der erste Ansatz, hin zu einer eilig angelegten Sammelstelle für Verwundete in sicherer Entfernung. Hier werden die Verwundeten weiter versorgt. Der leitende Arzt bewertet den Grad der Verwundung, entscheidet über Priorität von Transport und Versorgung. Fachlich ist es eine Triage – aber nicht nach dem Schema ehemaliger Kriegsszenarien. „Wir entscheiden hier nicht, ob ein Verwundeter noch zu retten ist oder nicht“, sagt Oberstarzt Dr. Arne M., der als oberster Mediziner und medizinischer Berater des Kommandeurs die Aufsicht über die Übung hat. „Unser Ziel ist es, möglichst viele zu retten und die Schwerstverletzten so schnell wie möglich klinisch zu versorgen.“
Einheitliche Sprache bei der Rettung
Ende 2018 hatte General Scott Miller, Kommandeur Resolute Support, nach zwei Anschlägen in Kabul befohlen, dass derartige Rettungsszenarien regelmäßig geübt werden müssen. Oberstarzt Dr. Arne M. findet das richtig. „Wenn wir gefordert sind, dann geht es um schnelles Handeln. Je mehr Routine wir dabei entwickeln, umso besser können wir uns auf die Versorgung der Patienten konzentrieren.“ Bei der ersten Übung war beispielsweise der Stress so hoch, dass zwischendurch deutsch statt englisch gesprochen wurde. Das Szenario haben diesmal die niederländischen Spezialkräfte ausgearbeitet. Für beide Seiten war die Zusammenarbeit überaus wertvoll: „Im Ernstfall müssen wir uns auf die Sicherung verlassen, egal wer diese durchführt.“ Vor der Klinik erfolgt dann eine weitere Sichtung. Wer kommt in den Operationssaal, wer kommt in den Schockraum. Der klinische Direktor eilt zwischen drinnen und draußen hin und her, dirigiert sein Personal, behält den Überblick über die Situation. Trotz der enormen Anspannung. Die Vorbereitung dauerte übrigens einige Zeit. 13 Opfer mussten mit Hilfe von Schminke und Kunstblut in einen entsprechenden Zustand versetzt werden. Die Einzelheiten wurden detailgetreu ausgearbeitet, auf dem Flugfeld gab es in den Pfützen sogar Blutlachen. Pünktlich zu Übungsbeginn setzte Regen ein. Kein geplanter Teil der Übung, aber ein wertvoller Nebeneffekt: Zwischendurch ging die Verbindung zur Leitstelle, der Personal Evacuation Coordination Cell (PECCPatient Evacuation Coordination Centre), verloren. Von hier aus werden alle Kräfte koordiniert. „Das hatten wir zwar nicht eingeplant“, sagt der Oberstarzt, dessen Platz in der PECCPatient Evacuation Coordination Centre ist, „aber wir haben dadurch sehr viel gelernt“.
Auswertung im Überblick
Die Ergebnisse und Erfahrungen werden in der Auswertung noch einmal diskutiert. Manche Szenen in Gesprächsrunden erneut durchgespielt. Am Ende lautet das Fazit des Oberstarztes: „Die Übung hat weitestgehend geklappt, sie hat uns aber auch Defizite aufgezeigt. An diesen werden wir arbeiten, um uns allen mehr Handlungssicherheit zu schaffen und für die Patienten im Schadensfall eine bestmögliche Versorgung sicherzustellen.“
Kontakt für die Presse
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Bundeswehr/PIZ EinsFuekdoBw
Oberleutnant Luisa Alex
Sprecherin für die NATONorth Atlantic Treaty Organization multinationale Battlegroup Litauen, die NATONorth Atlantic Treaty Organization multinationale Battlegroup in der Slowakei sowie Landes- und Bündnisverteidigung
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Bundeswehr/Janin Tietz
Hauptmann Stefan Gierke
Sprecher für Grundsatzangelegenheiten der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Einsatzführungskommando der Bundeswehr sowie für Einsätze und Übungen der Spezialkräfte